Es gibt nicht nur immer mehr Prozesse gegen Demokratiefeinde – es gibt auch immer mehr Urteile. Die Abgrenzung, wer „Querdenker“, Rechtsextremist, Antisemit, AfD-Politiker, Reichsbürger oder alles gleichzeitig ist, fällt immer schwerer. Am Ende wählen die meisten ohnehin die rechtsextreme AfD oder stehen ihr ideologisch zumindest nahe. Die Übergänge verfließen immer weiter. Zugleich haben viele der Verurteilten auch deutliche Schnittmengen mit anderen demokratiegefährdenden Gruppen, sodass wir uns entschlossen haben, die „Querdenker“-Urteile umzubenennen.
Seit 2024 schaffen wir die Urteile-Sammlungen leider nur noch monatlich. Letzten Monat berichteten wir über die Niederlagen vor Gericht von gleich 6 AfD-Politiker:innen. Auch diesen Monat wurden wieder AfD-Politiker:innen verurteilt, ganz vorne dran der Rechtsextremist und Faschist Björn Höcke. Es wurden aber auch viele Geldstrafen wegen Beleidigung erlassen und noch vieles mehr.
ALles rund um AfD
1. Björn Höcke wegen NAzi-Parole erneut verurteilt
Der AfD-Politiker und Rechtsextremist Björn Höcke muss erneut eine Geldstrafe zahlen, weil er die verbotene Parole „Alles für Deutschland“ in einer Rede benutzt hat. Das Landgericht Halle verurteilte den Thüringer Landesvorsitzenden seiner Partei zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen a 130 Euro, wie der Tagesspiegel berichtet.
Höcke wurde vom selben Gericht bereits zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er Ende Mai 2021 in Merseburg einen Vortrag mit der Formel „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“ beendete und dabei gewusst habe, dass es sich bei dem letzten Teil um die verbotene SA-Losung handelt. In diesem Verfahren wurde er Mitte Mai zu einer Geldstrafe von insgesamt 13.000 Euro verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Das neue Urteil bezog sich auf eine Rede von Höcke vergangenen Dezember. Damals verwendete Höcke dieselbe Parole erneut, diesmal bei einem AfD-”Bürgerstammtisch” in Gera. Während er in der rechten Hand ein Mikrofon hielt, gestikulierte er mit der linken und wiederholte den Satz von 2021, endete dann aber bei „Alles für“, woraufhin mehrere Zuhörer eindeutig und laut vernehmbar „Deutschland“ riefen.
Noch ein weiterer Prozess gegen Höcke läuft am Landgericht Mühlhausen (Thüringen). Das Gericht hat eine Anklage gegen den Politiker wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung zugelassen. Es geht um einen Telegram-Post von Höcke aus dem Jahr 2022 zu einer Gewalttat in Ludwigshafen.
2. 30.000 Euro Strafe für AfD-Politiker Czuppon
Der AfD-Politiker Torsten Czuppon muss 30.000 Euro (150 Tagessätze zu je 200 Euro) Strafe zahlen, weil er als Polizeibeamter eine Strafanzeige gegen Unschuldige verfasst und selbst bearbeitet hatte. Das Oberlandesgericht hat die Revision Czuppons und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil zurückgewiesen.
Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der 58-Jährige vor seiner Abgeordnetenzeit als Polizist eine Strafanzeige gegen Unschuldige gestellt und diese damit einer Straftat beschuldigt hatte. Zwei Männer hatten den AfD-Politiker zuvor angezeigt, weil er bei einer Veranstaltung in der Gedenkstätte Buchenwald ein T-Shirt der Marke Thor Steinar getragen haben soll. Die Gedenkstätte sah darin einen Verstoß gegen ihre Hausordnung, da die Marke in rechtsextremen Kreisen beliebt ist. Czuppon bestritt jedoch, ein T-Shirt dieser Marke getragen zu haben und erstattete Anzeige gegen die beiden Zeugen wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung. Im Anschluss soll er die Strafanzeige selbst bearbeitet haben. Czuppon sitzt seit 2019 für die AfD im Landtag.
Für die Richter war es letzten Endes unerheblich, ob Czuppon tatsächlich ein T-Shirt der Marke Thor Steinar trug oder nur eines, welches ähnlich aussah. Sie zweifelten nicht an der absichtlichen Verfolgung Unschuldiger. Er habe als Polizeibeamter die Betroffenen einer Straftat bezichtigt und sei auch dienstlich damit befasst gewesen, hieß es.
3. keine Anklage wegen “AfDler töten.”
Die Staatsanwaltschaft Aachen hat ihre Ermittlungen wegen eines Plakats mit der Aufschrift “AfDler töten. Nazis abschieben!” eingestellt. Das bei einer Demonstration in Aachen im Januar 2024 von der Antifa-Jugend mitgeführte Transparent stellt kein strafbares Verhalten dar. Dafür mitentscheidend ist, dass hinter den Worten “AfDler töten” ein Punkt und kein Ausrufezeichen steht. Auf diese Weise könnte man die Worte als Vorwurf lesen im Sinne von: Die Politik der AfD tötet Menschen.
Laut der Staatsanwaltschaft sei nach etablierter Rechtsprechung bei mehreren in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten einer Äußerung stets die günstigste Variante zugrunde zu legen. Auch betont sie, dass es sich um das Ergebnis einer Einzelfallprüfung handelt. Es kann deshalb daraus nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, Äußerungen wie die von der Antifa-Jugend getätigte seien generell nicht strafbar.
Bereits in der Vergangenheit urteilte das Verwaltungsgericht Chemnitz, dass die Satirepartei “Die Partei” Plakate mit dem Slogan “Nazis töten.” hängen lassen darf.
4. Schulen in Bayern dürfen vor AfD warnen
In Bayerns Schulen darf ein Schulleiter per Elternbrief vor der AfD warnen. Er verstößt damit nicht gegen das Gebot der “Mäßigung und Zurückhaltung”, wie es Paragraf 33 des Beamtenstatusgesetzes vorschreibt. Dieser Ansicht ist das Kultusministerium Bayern. Vorangegangen ist eine Anfrage des AfD-Landtagsabgeordneten Dieter Arnold. Dieser meldete einen Regensburger Schulleiter (mittlerweile planmäßig pensioniert) beim Kultusministerium, weil dieser vor dem Rechtsradikalismus der Partei gewarnt hatte, und zwar in einem Elternbrief.
Wörtlich schreibt das Ministerium:
“Im Hinblick auf die freiheitliche demokratische Grundordnung sind Beamtinnen und Beamte also gerade nicht zur Neutralität, sondern zum Bekenntnis und Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung verpflichtet.”
Der AfD-Abgeordnete Arnold spricht in den sozialen Medien immer wieder von der (links-grünen) „Indoktrination in Schulen“ und ist um starke Begriffe gegenüber der politischen Konkurrenz („Parasiten“, „rotes Pack“, „Banditen“) und Teilen der Bevölkerung („arbeitsscheue Kreaturen“) nicht verlegen.
Der Elternbrief aus Regensburg ist nicht der einzige Fall, in dem die AfD in Bayern versucht hat, gegen die – in ihren Augen allzu positionierten – Lehrkräfte vorzugehen, wie Regensburg Digital schreibt. Erst im Februar beklagten sich drei Abgeordnete im Rahmen einer Anfrage über einen Lehrer, der an einem Gymnasium im Ostallgäu die Schülerinnen seiner elften Klasse zur Teilnahme an einer Demonstration „für Demokratie und Vielfalt“ aufrief.
Ähnliche Aufrufe, über die sich die AfD in derselben Anfrage beschwert, gab es auch in Gymnasien in Schwaben und Niederbayern. Auch in all diesen Fällen sah das Kultusministerium keine Dienstpflichtverletzung von Lehrkräften und beanstandete das Verhalten der Schulen nicht. Es gehöre zum Erziehungsauftrag, „die Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler zum Einsatz für den freiheitlich-demokratischen und sozialen Rechtsstaat und zu seiner Verteidigung nach innen und außen zu fördern“, heißt es in der Antwort des Ministeriums vom 15. April.
Auch in Nordrhein-Westfalen
Auch in Nordrhein-Westfalen stellte die AfD eine Anfrage an die Landesregierung zur – so wörtlich – “Einflussnahme und Mobilisierung durch Lehrkräfte, Schülervertretungen und Schulen zulasten der Alternative für Deutschland in NRW”. Die Ministerin für Schule und Bildung beantwortete die AfD-Anfrage unter anderem so: “Die Zielsetzungen der politischen Bildung in der Schule sind die Vermittlung demokratischer und menschenrechtlicher Werte und Normen, die Förderung der Verantwortungsübernahme und mündigen Teilhabe der jungen Generation an gesellschaftlichen Entwicklungen und die Ermutigung zur gesellschaftlichen und politischen Partizipation.” Sie schließt sich damit dem Bayerischen Kultusministerium an.
Die AfD suchte und sucht immer wieder Wege, um AfD-kritische Lehrkräfte unter Druck zu setzen. Seit 2019 ist das AfD-Meldeportal “Neutrale Schule” offline – aus Datenschutzgründen. Die rechtsextreme Partei sucht aber weiter nach Loopholes. Zum Beispiel startet die niedersächsische Landtagsfraktion nun einen neuen Anlauf – ein Infoportal zwar ohne direkte Eingabemaske, aber dafür mit einer eigens eingerichteten E-Mail-Adresse.
5. AfD-Landrat muss dem “Spiegel” Auskunft geben
Robert Sesselmann, der erste Landrat der AfD, muss dem Spiegel nun per Gerichtsurteil Fragen beantworten. Das Verwaltungsgericht Meiningen entschied dies per einstweiliger Anordnung. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Hintergrund ist die Recherche des Spiegels zu den Wahlversprechen des AfD-Politikers. Dazu schickte das Magazin der Pressestelle des Wahlkreises des AfD-Politikers 15 Fragen. Darunter: Wie viele Mitarbeiter haben seit dem Amtsantritt des AfD-Politikers das Landratsamt verlassen? Wurden Stellen für Sozialarbeiter in kommunalen Gemeinschaftsunterkünften gekürzt? Was hat der Landrat getan, um kriminelle Asylbewerber abzuschieben?
Sie wurden teils ausweichend, teils unvollständig und teilweise gar nicht beantwortet. Laut Gerichtsurteil muss Sesselmann dem Spiegel nun vollumfänglich antworten. Das Gericht verweist in seinem Beschluss auf das Thüringer Pressegesetz, das Behörden verpflichtet, Medien »die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen«.
6. Ordnungsgeld für Beatrix von Storch – schon das zweite Mal!
Wegen mehrerer beleidigender Zwischenrufe muss die AfD-Politikerin Beatrix von Storch bis zu 2.000 Euro Strafe zahlen. Die Sanktion verhängte die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags Katrin Göring-Eckardt. Der Geschäftsordnung des Parlaments zufolge kann das Präsidium “wegen einer nicht nur geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages” ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 Euro festsetzen. Im Wiederholungsfall können es sogar 2.000 Euro sein. Ein Ordnungsgeld wird im Bundestag nur äußerst selten verhängt. In der Regel belässt es das Präsidium bei einem Ordnungsruf, wie die Zeit schreibt.
Es ist bereits das zweite Mal, dass von Storch wegen ihrer Pöbeleien und Beleidigungen im Bundestag zur Kasse gebeten wird. Bereits im November 2023 wurde ein Ordnungsgeld gegen sie verhängt. Der Hintergrund: die Debatten um das Selbstbestimmungsgesetz im Bundestag.
Schon damals beleidigte sie pausenlos die trans Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer und bezeichnete sie ständig als Mann. Zwei Ordnungsrufe im Parlament folgten. Auch in den sozialen Medien ließ von Storch ihrem Hass freien Lauf. Aufgrund ihrer abwertenden Kommentare wurde ihr ein Ordnungsgeld von 1.000 Euro verhängt. Zuvor hatte der fraktionslose AfD-Abgeordnete Matthias Helferich ebenfalls einen Ordnungsruf erhalten.
Auch im Juni konnte von Storch also ihre Transfeindlichkeit nicht zügeln und äußerte sich bei mehreren Zwischenrufen »herabwürdigend und respektlos« über Frau Ganserer. Sie bewies damit aufs Neue, wie egal ihr Recht, Ordnung und die Würde anderer Menschen sind. Dafür muss sie tief in die Tasche greifen.
Corona
7. Maskenklage gescheitert
Ein ehemaliger Bielefelder Grundschüler und seine Erziehungsberechtigten waren vor mehr als drei Jahren gegen die damalige Coronabetreuungsverordnung des Landes NRW vor Gericht vorgegangen. Die Verordnung sah vor, dass in Schulen Maskenpflicht herrschte. Bereits 2021 hat das Oberverwaltungsgericht Münster den Antrag abgewiesen mit der Begründung, dass die Maskenpflicht seinerzeit den Präsenzunterricht an Schulen ermöglicht habe. Der Schüler und seine Eltern hielten dennoch an ihrer Maskenklage fest, das Hauptverfahren wurde eingeleitet. Nun wies das Oberlandesgericht die Klage erneut ab. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es sind Rechtsmittel zum Bundesverwaltungsgericht möglich.
8. Gefängnisstrafe wegen falscher Corona-Atteste
Im Prozess um gefälschte Corona-Atteste ist eine Ärztin aus Moritzburg (Sachsen) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Zudem erhielt Bianca W. drei Jahre Berufsverbot und muss rund 47.000 Euro zahlen – die Summe soll sie mit gefälschten Attesten eingenommen haben. Die Richter am Dresdner Landgericht sahen es als erwiesen an, dass die 67-Jährige falsche Gesundheitszeugnisse gewerbsmäßig ausgestellt hat, wie der MDR schreibt. Zudem habe sie gegen das Waffengesetz verstoßen.
Bei einer Razzia war ein nicht angemeldeter Elektroschocker gefunden worden. Nach dem Urteil kam die 67-Jährige aufgrund der langen Untersuchungshaft vorerst auf freien Fuß. Sie saß seit Februar 2023 in U-Haft. Informationen eines Telegram-Chats der “Freien Sachsen” mit Anhänger:innen der Hautärztin zufolge ist sie jedoch bereits wieder hinter Gittern.
Die Medizinerin, die sich darüber hinaus als Reichsbürgerin identifiziert, habe während der Corona-Pandemie Patient:innen pauschal bescheinigt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen keinen Mund-Nasenschutz tragen können oder nicht geimpft werden dürfen. Oftmals wurden ihre Patient:innen dafür nicht einmal untersucht. Diese “Diagnosen” ließ sie sich teuer bezahlen. Mehr als 1.000 solcher Atteste soll sie ausgestellt haben.
Viele Querdenker-Freunde der Ärztin (mehr als 100) begleiteten den Urteilsprozess und störten die Urteilsverkündung. Beispielsweise begannen sie, lautstark die deutsche Nationalhymne zu singen. Der vorsitzende Richter ließ den Saal räumen. Die Angeklagte selbst ist sich keiner Schuld bewusst.
9. Geldstrafe für Impfgegner
Weil er im Internet ein Bild mit dem Spruch “Impfen macht frei” verbreitete, ist ein 64-Jähriger vom Landgericht Köln wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 4.000 Euro verurteilt worden.
Shoah-Vergleiche unter Impfgegnern sind kein Einzelfall. Infolge der Corona-Maßnahmen der Bundesregierung und ihrer Impfkampagne ab 2021 zogen Impfgegner mehrfach Vergleiche zum Nationalsozialismus. Dabei zogen sie sich gestreifte Häftlingsklamotten oder Armbinden an, um sich mit den durch den Nationalsozialismus verfolgten und millionenfach getöteten Juden gleichzusetzen.
10. Haftstrafe für falsch abgerechnete Corona-Tests
Wegen gewerbsmäßigen Betrugs mit Corona-Tests hat das Kölner Landgericht einen 39-jährigen Mann zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Er hatte laut Urteil während der Pandemie massenhaft nicht durchgeführte Corona-Tests abgerechnet. Den finanziellen Schaden für den Fiskus bezifferte das Gericht mit knapp 5,8 Millionen Euro, wie der Kölner Stadt-Anzeiger schreibt. Laut Urteil betrieb der Angeklagte von März 2021 bis Mai 2023 ein Netz von Corona-Testzentren in Köln, Euskirchen, im Rhein-Erft-Kreis und im Rhein-Kreis Neuss. Neben tatsächlich durchgeführten Tests habe er auch nicht und falsch durchgeführte Tests bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein abgerechnet. Aufgeflogen ist der Betrug, als ein Vater angab, dass seine Tochter ein Corona-Testergebnis von einem der von Can H. betriebenen Corona-Testzentren erhalten hatte, obwohl das Mädchen sich dort nie hatte testen lassen.
Zudem wurde Can H. wegen Untreue, versuchter Steuerhinterziehung, Urkundenfälschung sowie wegen des unberechtigten Führens eines Doktortitels verurteilt. Der Angeklagte hatte die Vorwürfe im Prozess weitgehend gestanden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Im Vorfeld des Prozesses berichtete der Angeklagte von Schmiergeldzahlungen an zwei Mitarbeitende der Kreisstadt Bergheim. Um sein Geschäft mit den Testzentren um einen Auftrag für das Durchführen von Corona-Tests in Geflüchtetenunterkünften zu erweitern, soll Can H. einen Ordnungsamtsmitarbeiter bestochen haben.
Geldstrafen wegen Beleidigung
11. Geldstrafe für Tim Kellner wegen Beleidigung
Der ehemalige Polizist und Youtuber Tim Kellner wurde am Mittwoch vom Landgericht Detmold wegen Beleidigung von Politikerinnen verurteilt. Er soll eine Geldstrafe von 11.000 Euro zahlen, die sich aus 110 Tagessätzen in einer Höhe von je 100 Euro ergibt. Unter anderem soll er Bundesinnenministerin Nancy Faeser als «aufgedunsene Dampfnudel» bezeichnet haben. Daraufhin hat die SPD-Ministerin einen Strafantrag gestellt. Auch Annalena Baerbock hatte ihn wegen Beleidigung angezeigt.
Kellner war bereits im Oktober vergangenen Jahres zu der Summe verurteilt worden, ging aber in Berufung. Diese wurde am Mittwoch zurückgewiesen. Bei Youtube hat Tim Kellner mehr als eine halbe Million Follower. Vor Gericht warteten über Hundert seiner Anhänger. Außerdem waren vier Gegendemonstrationen angemeldet, zu denen laut Polizei 160 Menschen erschienen. Kellner ist Mitglied eines örtlichen Rockervereins und wurde im Jahr 2010 wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
12. Grünen-Landtagsabgeordneter bekommt Recht
Annalena Baerbock war jedoch im Juni nicht die einzige Grünen-Politikerin, die vor Gericht Recht bekam. Wegen Beleidigungen des Grünen-Landtagsabgeordneten Cemal Bozoglu aus Bayern sowie von Polizisten verurteilte das Amtsgericht Augsburg einen 34-Jährigen am Donnerstag zu 7500 Euro Geldstrafe (150 Tagessätze zu je 50 Euro).
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann Bozoglu im September während des Landtagswahlkampfes an einem Wahlstand mit übelsten Schimpfwörtern beleidigt hatte.
Unter anderem bezeichnete der Mann den Politiker laut Anklage als – und dies war eine der freundlicheren Aussagen – “drecks Staatsparasit”. Die alarmierten Polizisten soll der 34-Jährige zudem als “degenerierte Lakaien” verunglimpft haben.
13. Geldauflage wegen Beleidigung: Wieder die AfD
Und die nächste Klatsche vor Gericht gegen AfD-Politiker gab’s auch im Juni, dieses Mal gegen den bayerischen AfD-Landeschef Stephan Protschka. Gegen eine Geldauflage und eine Erklärung hat das Amtsgericht Deggendorf das Verfahren gegen ihn nun eingestellt, wie der BR berichtete. Protschka muss 12.000 Euro bezahlen und künftig von weiteren Beleidigungen absehen. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Politiker aus Niederbayern vorgeworfen, Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beim Politischen Aschermittwoch 2023 in Osterhofen “Södolf” und “Landesverräter” genannt zu haben. In einer Erklärung von Protschka heißt es, er werde die beleidigenden Ausdrücke nicht mehr wiederholen. Außerdem lägen dem AfD-Politiker Anspielungen auf die NS-Zeit grundsätzlich fern. Er habe lediglich Begriffe eines Vorredners aufgegriffen. Ihm sei es nicht darum gegangen, Söder zu beleidigen, sondern einen Beitrag zur politischen Auseinandersetzung zu leisten.
Die Richterin am Amtsgericht Deggendorf erklärte, die von Stephan Protschka in seiner Aschermittwochsrede verwendeten Ausdrücke könnten als Spontanäußerungen gewertet werden.
Der besagte Vorredner war der österreichische Rechtspopulist Gerald Grosz. Er wurde Anfang April vom Amtsgericht Deggendorf wegen Beleidigung zu einer Strafe von fast 15.000 Euro verurteilt. Auch er hatte unter anderem “Södolf” verwendet. Das Verfahren gegen Grosz ist noch nicht abgeschlossen. Der österreichische Rechtspopulist legte Berufung ein.
Protschka sitzt seit 2017 für die AfD im Bundestag. Er gehört der offiziell aufgelösten rechtsextremen AfD-Strömung “Der Flügel” an. Seit Oktober 2021 ist der heute 46-Jährige Vorsitzender des bayerischen AfD-Landesverbands. Am 6. Juli 2022 hob der Bundestag Protschkas parlamentarische Immunität wegen des Verdachts auf Fälschung beweiserheblicher Daten auf.
Noch mehr Urteile!
14. Entlassung von Compact-Mitarbeiterin rechtens
Unter falschem Namen und mit Perücke soll eine Lehramtsreferendarin für den Nachrichtenkanal des rechtsextremistischen Magazins Compact tätig gewesen sein. Daraufhin hat der Dienstherr sie aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Mit ihrem Eilantrag gegen diese Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht (VG) in Frankfurt (Oder) ist die junge Frau nun gescheitert. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die angehende Lehrerin “nicht die für die Berufung in das Beamtenverhältnis erforderliche Gewähr der Verfassungstreue bietet”, wie es in dem Beschluss heißt (Beschl. v. 06.06.2024, Az. VG 2 L 78/24). Darüber berichtete Legal Tribune Online.
Ans Licht kamen die Nebentätigkeiten der Referendarin unter anderem durch einen Bericht des Tagesspiegels. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft das Compact-Magazin seit 2021 als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung ein.
15. Haftstrafe für Holocaust-Leugnerin
Das Landgericht Hamburg hat die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck aus Vlotho (NRW) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Darüber berichtete der WDR. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Auschwitz sei laut Haverbeck kein Vernichtungslager, sondern ein Arbeitslager gewesen, dies wiederholte sie immer wieder – selbst im Gerichtssaal. Das ist Volksverhetzung, hat das Landgericht Hamburg nun entschieden und die 95-jährige Holocaust-Leugnerin zu einem Jahr und vier Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Tatsächlich ermordeten die Nationalsozialisten nach Schätzungen von Historiker:innen allein in Auschwitz-Birkenau mindestens 1,1 Millionen Menschen.
Bereits 2015 wurde Haverbeck vom Amtsgericht Hamburg zu zehn Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Die Strafe saß sie in der JVA Senne in Bielefeld im offenen Vollzug ab, wurde aber zeitnah in den geschlossenen Vollzug in die JVA Bielefeld Brackwede verlegt. Die Staatsanwaltschaft hatte ihr Volksverhetzung in zwei Fällen vorgeworfen. Jetzt – erst neun Jahre später – findet das Verfahren vorerst einen Abschluss. Gerichte müssen sich immer wieder mit Ursula Haverbeck beschäftigen. Zuletzt war sie 2022 von einem Berliner Gericht zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt worden. Mit der Berufung in diesem Verfahren war Haverbeck gescheitert. Zum Haftantritt in diesem Fall kam es bislang jedoch nicht. Der Anwalt der 95-Jährigen zweifelte ihre Haftfähigkeit an. Eine zweieinhalbjährige Haftstrafe wegen Volksverhetzung saß Haverbeck aber bereits ab.
16. Bewährungsstrafe für Freie-Sachsen Aktivisten
Der „Freie Sachsen“-Aktivist Max Schreiber (Chef der rechtsextremen Partei in Pirna) und sein Bruder Moritz sind am Amtsgericht Dresden zu Bewährungsstrafen von einem Jahr und zwei Monaten bzw. zehn Monaten verurteilt worden – unter anderem wegen Körperverletzung und Nötigung, wie Endstation Rechts schreibt.
Die beiden Männer hatten letzten Sommer einem E-Scooter-Fahrer ins Gesicht und auf den Oberkörper geschlagen. Der 25-jährige Mann hatte u.a. einen Bänderriss an der Schulter erlitten und leide bis heute an den gesundheitlichen Folgen. Wegen Nötigung wurden die Brüder verurteilt, weil sie im Februar 2022 Journalisten der Gruppe „vue.critique“ und deren Begleitschützer auf einer Demo erst bedroht und später auch gejagt hatten. Angeblich sei das aus Notwehr erfolgt, die Richterin wies das laut MDR jedoch als Schutzbehauptung zurück.
Schreiber zog zur Kommunalwahl in die Stadtvertretung von Heidenau sowie den Kreistag Sächsische Schweiz-Osterzgebirge ein. Da er jedoch in Dresden wohnen soll, prüfen die Ordnungsbehörden derzeit, ob der ehemalige NPD-Kreisvorsitzende womöglich gar nicht hätte antreten dürfen. Sollte dies zutreffen, könnte er seine beiden Sitze verlieren.
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