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Stuttgart: So gut rechnet dieser Beitrag mit einem rassistischen CSU-Tweet ab

von | Jun 23, 2020 | Aktuelles, Social Media

CSU-Tweet wird heftig kritisiert

Nach den Randalen in Stuttgart ist bisher klar: Es waren keine politisch motivierten Krawalle, wie der Innenminister in Stuttgart erklärt. Die Angreifer*innen stammen aus der sogenannten Party- und Eventszene mit mehreren Hundert jungen Menschen, sagt der Stuttgarter Polizeipräsident Frank Lutz. Die überwiegend jungen, männlichen und alkoholisierten Partygänger*innen betrinken sich seit Wochen öffentlich, inszenieren sich für Social Media und beleidigen auch aggressiv Beamt*innen.

Eine Drogenkontrolle bei einem 17-jährigen Deutschen war der Auslöser für die jetzige Eskalation. Da wegen Corona viele Etablissements geschlossen sind und die Feierenden angespannt sind, sei definitiv ein Grund. Ein anderer sei toxische Männlichkeit, Geltungsbewusstsein vor der Gruppe und in Social Media – und natürlich Alkohol. Unter den 24 Personen, die verhaftet wurden, waren genau 12 Deutsche. Ein Sozialpsychologe sieht in der Drogenkontrolle einen Auslöser für den psychologischen Mechanismus, die die Polizei in jener Nacht als Feind ausmachte (mehr dazu).

CSU-Abgeordneter sieht das Problem hingegen – bei „Migranten“

Der Bundestagsabgeordnete Stefan Müller (CSU) sprang auf die rassistische Instrumentalisierung der Randalen in Stuttgart durch Rechtsextreme wie der AfD auf (unsere Analyse dazu hier). Er twitterte, dass das „Problem“ bei „Migranten“ liege, die „keinerlei Respekt vor der Polizei haben“. Warum nicht die verhafteten Deutschen (ohne Migrationshintergrund), die keinen Respekt vor der Polizei haben, ein Problem seien, steht dort nicht. Müller gibt gar den Diskussionen über den nachgewiesen existierenden Rassismus in der Polizei die Schuld daran, dass Polizist*innen angegriffen wurden.

Der Journalist Frédéric Schwilden hat auf diesen rassistischen Tweet des CSU-Abgeordneten aus Erlangen jetzt auf Facebook geantwortet – seine Antwort geht gerade viral. Er selbst wohnt in Erlangen und bezeichnet die Täter-Opfer-Umkehr des CSUlers als „Unsinn“ und „Schwachsinn“. Hier sein Text:

https://www.facebook.com/photo.php?fbid=3117979321591597&set=a.117931334929759&type=3&theater

Abrechnung mit dem Tweet

Schwilden schreibt an Müller:

Die Migranten von denen Sie schreiben, die arbeiten hier bei Siemens, an der FAU Erlangen-Nürnberg, bei adidas AG, bei PUMA, bei Gulden-Brezen. Diese Migranten retten Ihnen als Pfleger, Pflegerinnen, Ärzte und Ärztinnen das Leben. Sie entwickeln die Maschinen, die ihr Leben verlängern, wenn Sie sie mal brauchen. Und die machen die Sneaker, mit denen sie sich so irre jugendlich fühlen, wenn Sie alle vier Jahre einmal ihr kleines Ständchen vor den Erlangen-Arcaden aufbauen und Luftballons verteilen, und hoffen, gewählt zu werden. Sie backen ihr Brot. Und das machen die Migranten, von denen Sie schreiben, nicht nur in Erlangen so, sondern in ganz Deutschland.

Diese Migranten von denen sie da schreiben, die sind erstens häufig Deutsche und zweitens werden die wirklich Opfer von Straftaten. Wenn Sie sich in Erlangen auskennen würden, dann würden Sie bestimmte Pierrette Herzberger-Fofana kennen, die in Erlangen im Stadtrat saß und jetzt Europa-Abgeordnete ist. Und Sie würden wissen, dass Pierrette Herzebrger-Fofana gerade von belgischen Polizisten angegriffen wurde, weil sie schwarz ist, und weil sie einen rassistischen Vorfall gefilmt hat. Frau Herzberger-Fofana wurde in Mali geboren, wuchs im Senegal auf, sie promovierte in Erlangen. Sie kam als Einwanderin und wurde Deutsche. Wie Millionen andere auch.

Der erste Festgenommene in Stuttgart war ein 17-jähriger weißer Deutscher. 12 weitere sind deutsche, davon haben drei einen Migrationshintergrund. Die andere Hälfte stammte aus Bosnien, Portugal, Iran, Irak, Kroatien, Somalia, Afghanistan. Was diese Menschen eint ist nicht Ihr unterstellter Migrationshintergrund. Es ist männlich-jugendliche Beklopptheit. Und von Rassismus-Debatten in Feuilletons bekommen die mutmaßlich nicht viel mit.“

Stefan Müller vs Mohammed Ozkurt

Schwilden betont ausdrücklich, dass Angriffe auf die Polizei „furchtbar“ seien und die Täterinnen und Täter „zur Verantwortung gezogen werden“ müssen. Aber natürlich gebe es Rassismus in der deutschen Polizei. Das festzustellen spricht Schwilden der Polizei nicht ab und auch, dass man ihr generell vertrauen könne und sie generell „auf der Seite des Grundgesetz stehe“. Weiter schreibt er:

„Es ist wichtig, dass wir über den Rassismus reden, den Menschen im 21. Jahrhundert noch immer erfahren. Das ist ein Rassismus, dem wir als Gesellschaft entgegen treten müssen. Und Sie als Christdemokrat gleich doppelt. Aber was kann ein Mensch von Jesus Christus wissen, wenn er so einen Irrsinn wie Sie schreibt.

Sie können sich das vielleicht nicht vorstellen. Aber wenn man nicht Stefan Müller, sondern vielleicht Mohammed Ozkurt heißt, ist es schwerer eine Ausbildung zu bekommen. Sogar bei so einer albernen Firma wie der Dresdner Bank in Erlangen. Das wissen Sie ja selbst, da durfte sogar jemand wie Sie seine Ausbildung machen. Der Punkt ist aber, Sie sind nicht besser oder toller oder klüger als Mohammed Ozkurt, oder wer auch immer, der eben nicht Stefan Müller heißt, aber sie haben es einen Ticken einfacher. Und deswegen können Sie auch ohne besonders klug, intelligent oder charmant zu sein, für so eine Partei wie die CSU (Christlich-Soziale Union) im Bundestag sitzen.“

„Dem Deutschen Volke“

Am Ende wirft Schwilden Müller vor, „weiße Identitätspolitik“ zu machen. Er selbst halte nichts von Identitätspolitik, aber wenn CSU-Politiker die Realität des täglichen Rassismus ignorieren und leugnen, haben sie nichts im Bundestag zu suchen:

„Sie sind kein Bundestagsabgeordneter für Erlangen. Sie sind ein weißer deutscher Bundestagsabgeordneter, der von Migranten schreibt, weil er sich nicht vorstellen kann, dass Leute, die nur ein bisschen anders aussehen oder einen anderen Namen tragen auch Mitbürger und Mitbürgerinnen sind.

Am Bundestag steht „Dem Deutschen Volke“. Und wenn Sie nicht wahrhaben wollen, dass das deutsche Volk inzwischen neben Müller und Schmidt auch Lee, Palmer, Iyibas, Akbay, Bakovic oder Bajbouj heißt, dann haben Sie dort, im Bundestag, nichts zu suchen.“

Danke, Herr Schwilden!

Artikelbild: Screenshot twitter.com/facebook.com