3.500

So bitter widerlegt die Realität Putins „Genozid“-Kriegslüge in der Ukraine

von | Mrz 31, 2022 | Analyse

Mehr Zivilisten wurden durch Putins Armee getötet als in 7 Jahren Donbas-Krieg

Seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine versucht der russische Autokrat Wladimir Putin mit verschiedenen Argumenten zu rechtfertigen. Eines der absurdesten war das der „Entnazifizierung“, das zusätzlich zum Gerede von „Genozid“ angebracht wurde, wonach angeblich Nazis die Ukraine regieren. Das als Rechtfertigung für eine Invasion war zwar schon absurd, denn Putin wollte damit als „Befreier“ auftreten, doch auch seine Argumentation war so dünn, dass sie schnell widerlegt wurde. Hier unser Artikel dazu:

Putins Propaganda-Mythos von „Entnazifizierung“ der Ukraine widerlegt

Als andere, häufige „Begründung“ für seinen Angriffskrieg zog Putin gern einen angeblichen „Genozid“ im Donbas heran, so schon in seiner Rede vom 24.02., mit der er die Invasion ideologisch begründete (Quelle). Das ist natürlich ein schwerwiegender Vorwurf von Seiten des russischen Regimes. Doch er ist, wie so oft bei russischer Propaganda, komplett gegenstandslos. Ganz im Gegenteil ist es nämlich erst die russische Invasion gewesen, mit der massive zivile Opfer einher gingen. Wir schauen für euch genauer hin.

Der russische Vorwurf vom  „Genozid“

Zuerst einmal sollten wir klarstellen, was ein Genozid (oder Völkermord) eigentlich ist. Mit solch einem schwerwiegenden Begriff sollte man nicht leichtfertig umgehen, deswegen wurde sich im Völkerrecht auch auf eine Definition geeinigt. In Artikel II der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes heißt es:

In dieser Konvention bedeutet Völkermord eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:
(a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
(b) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
(c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
(d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
(e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.

Der Völkermord ist also eines der schwerwiegendsten denkbaren Verbrechen. Und genau das, so der russische Vorwurf, geschehe seit 2014 in der Ukraine. Dabei geht es meist um den Donbas, eine Region im Osten der Ukraine. Dort leben viele Menschen, die sich als „russisch“ definieren. In den Oblasten Donezk und Luhansk lag ihr Anteil bei jeweils knapp 40% (Quelle, Achtung: letzter ukrainischer Zensus liegt schon über 20 Jahre zurück!). Es seien vor allem diese Menschen, die das russische Regime vor dem angeblichen „Genozid“ beschützen wolle. Doch diese Anschuldigungen sind haltlos.

Die russische Propaganda widerspricht sich selbst

Um das festzustellen, muss man sich nur mal genauer durch den Kopf gehen lassen, wie abstrus und widersprüchlich die Logik des Konstrukts ist, das Putin uns da auftischen will. Einerseits seien die selbsternannten „Volksrepubliken“ in den Oblasten Donezk und Luhansk eigenständige, sich selbst verwaltende Einheiten. Spätestens ab Februar 2017 wurde aus dieser impliziten Anerkennung eine halbwegs offizielle, da Russland von da an Dokumente dieser „Regierungen“ anerkannte (Quelle). Seit dem 21. Februar 2022 hat Putin die beiden Regionen sogar als Staaten anerkannt (Quelle).

Die Ukraine sieht die Gebiete als „vorübergehend besetzte Territorien der Ukraine“ an (z.B. in diesem Statement). Offenbar sind sich beide Seiten einig, dass die de-facto-Kontrolle über die selbsternannten „Volksrepubliken“ nicht in den Händen der ukrainischen Regierung liegt. Und dennoch soll, so ja Putins Argumentation, die ukrainische Regierung dort seit 8 Jahren einen Genozid durchführen. Abgesehen von der Schwere des Vorwurfs muss man sich doch die Frage stellen: Wie soll das funktionieren, wo die ukrainische Regierung doch keinerlei Kontrolle in diesen Gebieten ausübt?

Doch damit ist noch nicht einmal der ganze, bittere Zynismus der russischen Propaganda aufgedeckt. Wenn man nämlich die Zahlen vergleicht, dann zeigt sich, dass es ganz im Gegenteil die russische Seite ist, die schlimmste Verstöße gegen das Völkerrecht begeht.

Mehr Tote allein in Mariupol durch Putin als im Donbas in 7 Jahren

Eine Sache noch vorab: Wir wollen uns hier gar nicht auf ein moralisches Abwägen der Todeszahlen einlassen oder in „gute“ und „schlechte“ Tote unterscheiden. Jeder Mensch, der aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen sein Leben verliert, ist einer zu viel. Doch um die schamlosen Lügen der russischen Propaganda aufzudecken, müssen wir aufzeigen, wie unverhältnismäßig Putins Narrativ ist. Denn wenn man sich die Zahlen der zivilen Todesopfer anschaut, stellt Putins Invasion den Krieg im Donbas noch in den Schatten.

Im Donbass sind seit Ausbruch des Krieges im Jahr 2014 bis Oktober 2021 laut ONHCR rund 3.400 Zivilist:innen ums Leben gekommen (Quelle). Das sind für sich genommen schon erschreckend hohe Zahlen, doch die aktuelle russische Invasion hat diese wohl innerhalb eines Monats bereits übertroffen. Dazu muss man anmerken, dass exakte Zahlen zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich sind, da gerade in den am stärksten zerstörten Gebieten mit den meisten Todesopfern kaum genaue Informationen zu bekommen sind. ONHCR geht für den Zeitraum 24. Februar bis 28. März von 3.039 zivilen Opfern aus, merkt aber selbst an, dass die wahren Zahlen wohl signifikant höher liegen dürften (Quelle).

Selbst diese extrem zurückhaltende Schätzung würde also bedeuten, dass die russische Invasion innerhalb von einem reichlichen Monat mindestens fast genauso viele zivile Todesopfer gefordert hat, wie der Krieg im Donbas (der angebliche „Genozid“) in über sieben Jahren. Und die echten Zahlen liegen vermutlich noch in ganz anderen Größenordnungen. So sind laut Angaben des Bürgermeisters Mariupol allein in dieser Stadt, die kleiner als Nürnberg ist, fast 5.000 zivile Todesopfer zu beklagen (Quelle). Das lässt sich noch nicht unabhängig prüfen, ist angesichts der katastrophalen humanitären Lage (Quelle) aber durchaus plausibel.

Fazit: Die Realität hat Putins Propaganda schon überholt

Egal, wie hoch die zivilen Todeszahlen am Ende genau sein werden, sie zeigen ganz klar auf, dass Putins Armee keine „Beschützer vor einem Genozid“ sind. Wir müssen davon ausgehen, dass die Invasion innerhalb kürzester Zeit zivile Todesopfer in mindestens vierstelliger Höhe gefordert hat. Auch wenn Putin gern mit einem „Genozid in der Ostukraine“ argumentiert, sollte man diese Anschuldigung nicht glauben. Die ukrainische Regierung hat weder die Absicht, noch die notwendige politische Kontrolle über diese Gebiete um ein solches Verbrechen zu begehen.

Gerade in unserer Geschichte weckt der Begriff  „Genozid“ starke Assoziationen mit dem schlimmsten Verbrechen der Deutschen, dem Holocaust. Diese Gräueltaten, die bis heute als Mahnmal gelten, dürfen nicht dadurch relativiert werden, dass Putin sie als Grund für seinen aggressiven Krieg in der Ukraine verwendet – noch dazu, wenn eigentlich er derjenige ist, dessen Armee Kriegsverbrechen begeht, indem sie für zivile Todesopfer sorgt.

Zum Thema:

Kriegsverbrechen: Diese Datenbank widerlegt alle, die Putins Lügen noch glauben

Artikelbild: Alexei Alexandrov/AP/dpa

Spendiere uns einen Kaffee:
Unterstütze uns auf Paypal Unsere Autor:innen nutzen die Corona-Warn App des RKI.