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Video aus Hongkong 2019: Das ist nicht Silvester in Berlin

von | Jan 4, 2023 | Faktencheck

Um rassistische Hetze zu legitimieren, ist mal wieder jedes Mittel recht. Besonders gerne kommt die beliebte Taktik zum Zug, alte Videos, die in völlig anderen Situationen entstanden sind, zu recyclen und so zu tun, als würden sie ein aktuelle Event zeigen. Das passiert gerade mit einem Video, das bei den Protesten 2019 in Hongkong aufgenommen wurde. In Telegram und Twitter wurde es aufgegriffen, die Qualität verschlechtert und mit der Behauptung versehen, es zeige Ereignisse der Silvester-Nacht in Berlin.

Hier seht ihr das Originalvideo, wie es 2019 (siehe Datumsangabe des Tweets unter dem Video) von einem chinesischen Fernsehsender gepostet wurde:

Man sieht hier nicht nur zu Beginn des Videos eindeutig ein Nummernschild, wie es in Deutschland nicht existiert. Es ist außerdem eine genaue Uhrzeit und Ortsbeschreibung angegeben: 18. November 2019, Kreuzung Nathan Straße und Jordan Straße in Hongkong. Zur Erinnerung: In Hongkong kam es ab Sommer 2019 zu Massenprotesten gegen eine weitere Annäherung der Sonderverwaltungszone an das autoritäre China. Die Menschen protestierten gegen ein Gesetz, das Auslieferungen von Straftätern an China vereinfachen sollte. Aufgrund des harten Durchgreifens der Polizei wurden die Proteste zunehmend gewaltvoller. Am 18. November 2019 kam es an der im Video angegebenen Stelle zu massiven Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und dem Sicherheitsapparat.

In dem Originalvideo wird beschrieben, dass Protestierende den Krankenwagen attackierten, um einer verletzten und gefangen genommenen Demonstrantin zu helfen. Die Frau konnte befreit werden. Im Anschluss ist die selbe Szene aus der Vogelperspektive zu sehen. Es sind Schüsse zu hören und man kann sehen, dass die Demonstrierenden vom Krankenwagen wegrennen.

Fake befeuert rassistische Hetze

Verschiedene Account verbreiteten das Video nun und behaupteten, es stamme von Silvester 2022 in Berlin. So etwa der Bundesvorsitzende der NPD auf Facebook. Natürlich seien „Zuwanderer“ in Deutschland Schuld an dem Angriff auf einen Krankenwagen in Hongkong im Jahr 2019 (um dort eine festgenommene Demonstrantin zu befreien).

In den nun geposteten Videos wurde der Begleittext und das Anschlussvideo entfernt und die Videoqualität wurde verschlechtert, so dass etwa das Nummernschild nicht mehr eindeutig erkennbar ist. Was bleibt, sind Menschen mit schwarzen Haaren, die Steine auf einen Krankenwagen schmeißen. Dazu noch rassistische Schimpferei, und fertig ist die perfekte Vorlage für Hetze. Wozu muss man Fake-Videos nehmen, wenn man angeblich ein reales Problem beschreibt? Auch auf Twitter wurde das Video zahlreich mit falschen Behauptungen verbreitet, um Rassismus zu schüren.

Es gab natürlich echte Ausschreitungen zu Silvester und Angriffe auf Rettungskräfte (und echte Videos). Die Debatte im Nachgang zur Silvesternacht, ist jedoch mal wieder zu einem Lehrstück in rassistischer Diskursübernahme geworden. Rassisten nicht nur in der AfD versuchen, die Ausschreitungen für ihr rechtsradikales Weltbild zu instrumentalisieren und blanken Hass auf Menschen eines „Phänotyps“ oder mit „dunklerer Hautfarbe“ zu befeuern. Dazu greift man im Zweifel eben auch gern auf Fake-Videos zurück. Denn weder belegen die Statistiken die rassistischen Mythen, noch kann ein Video von einem Vorfall Millionen Deutsche unter Generalverdacht stellen.

Artikelbild: Screenshots