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Flügel-Auflösung: So reagieren AfD-Anhänger (& wir antworten ihnen)

von | Mrz 21, 2020 | Aktuelles

Mal wieder AfD

Corona beherrscht nun die Nachrichten. Und das nicht zu Unrecht, wie ich betonen möchte. Hier soll es zur Abwechslung aber mal nicht um das Virus gehen. Wir bleiben aber im Bereich hartnäckige Infektionen: Es geht um den „Flügel“ der AfD. Eine der wenigen Meldungen der letzten Tage, die nichts mit Corona zu tun hatten, war die, dass der AfD-Bundesvorstand beschlossen hat, dass sich der „Flügel“, also quasi diejenigen Rechtsextremisten in der AfD, die sich nicht einmal mehr die Mühe machen, ihre Gesinnung zu kaschieren, aufzulösen habe. Gerade erst verkündete Höcke die Auflösung. Auf der offiziellen AfD-Facebook-Seite lässt man dazu Folgendes verlautbaren:

Schauen wir uns die Meldung doch mal genauer an. Was zunächst auffällt, ist, dass die zweithäufigste Reaktion darauf ein wütendes Emoji ist. Konkret haben zum Zeitpunkt des Screenshots 274 Leute so reagiert. Zum Zeitpunkt der Aufnahme dieses Screenshots sind also 14,4 % der Rezipienten darüber empört, dass der Bundesvorstand diesen Schritt geht. Ich lasse das einfach mal so stehen.

Aber was wird hier eigentlich inhaltlich ausgesagt? Der Flügel soll sich auflösen. Okay, das erscheint mir sinnvoll, wenn man bedenkt, dass die AfD ja seit Jahren versucht, zu leugnen, dass man ein innerparteiliches Problem mit Rechtsradikalismus habe. Nun, da der Flügel offiziell ein „Beobachtungsfall“ für den Verfassungsschutz ist, reicht Leugnen eben nicht mehr aus. Also muss der Flügel weg*.

*Naja, also streng genommen soll er natürlich nicht weg, er muss nur … anders heißen. Beziehungsweise, er darf nicht mehr als solcher erkennbar sein. Der nächste Absatz lässt uns nämlich wissen, dass von diesem Beschluss weder Mitgliedschaften, noch Parteiränge und -ämter betroffen sind.

Was die “Auflösung” wirklich bedeutet

Um zu verdeutlichen, was diese Maßnahme also bedeutet, hier ein fiktiver Dialog:

Arzt: „Herr Patient, wir haben Ihren Tumor jetzt noch einmal untersuchen lassen und müssen leider resümieren, dass er doch sehr bedenklich ist. Nach den Laborergebnissen sei er nun als „Beobachtungsfall“ einzustufen.“

Patient: „Herrjemine! Dann hab ich also Krebs?“

Arzt: „Naja …“

Patient: „Können Sie den Tumor nicht operativ entfernen?“

Arzt: „Könnten wir schon, machen wir aber nicht. Damit würden wir ja offiziell anerkennen, dass Sie Krebs haben. Wir haben eine bessere Idee.“

Patient: „Welche denn?“

Arzt: „Der Tumor bleibt genau da, wo er jetzt ist. Unser Bundesvorstand hat aber beschlossen, dass Ihr Tumor sich ab kommendem Monat nicht mehr Tumor nennen darf.“

Patient: „Was!? Aber dann habe ich ja immer noch einen bedenklichen Tumor.“

Arzt: „Nein. Es ist ja dann kein Tumor mehr.“

Patient: „Das löst ja das Problem überhaupt nicht!“

Arzt: „Ihres nicht, nein.“

Raider heißt jetzt twix

Was hier stattfindet ist ein einfaches Umlabeln. Und es verwundert auch nicht. Die AfD hat schon immer dadurch geglänzt, sich bürgerlich präsentieren, gleichzeitig aber nie ihre rechte Wählerschaft verlieren zu wollen. Wir erinnern uns an die 14,4 %, denen selbst dieser inhaltlich völlig leere Schritt zu weit geht.

Und die Ankündigung selbst bedient auch ein altes AfD-Muster, nur läuft es diesmal andersherum. Während man üblicherweise irgendwelchen ultrarechten Mist von sich gibt und ihn hinterher halbherzig dementiert, um in erster Instanz die ultrarechten Wähler glücklich zu machen und in zweiter Instanz die gemäßigten Wähler zu beruhigen, ergreift man nun im Sinne der Letztgenannten einen Schein-Schritt und beruhigt hinterher die Ultrarechten, dass von der dunkelbraunen Bande ja niemand um seinen Posten zu fürchten braucht.

Kommentare

Wie üblich, wenn die AfD sich an Politik versucht, passiert einfach gar nichts. Aber das hält natürlich die treue Anhängerschaft nicht auf, sich fleißig darüber auszulassen.

Matze, das KOMMT von der Führung. Viel bedenklicher an deinem Kommentar ist allerdings, dass für dich der rechte Flügel scheinbar die einzige Daseinsberechtigung der AfD zu sein scheint. Warum bist du nicht einfach bei der NPD geblieben?

Ein Klassiker. Wenn du als Kind Mist gebaut hast, war deine Ausrede bestimmt auch immer „Aber die anderen haben auch Mist gebaut“, oder? Ja Linksextremismus ist auch ein Problem. Will ich gar nicht leugnen. Aber soweit mir bekannt ist, unterhält die Linke derzeit keinen ganzen „Flügel“ aus Linksextremen, auf den der Verfassungsschutz ein Auge geworfen hat. Ich bin sicher, sobald das geschieht, wird man da nicht so lange zögern, Schritte zu ergreifen, die entsprechenden Leute aus der Partei zu werfen.

Ruhig, Brauner. Da sieht man, was passiert, wenn diese Ich-lese-immer-nur-die-Überschrift-Mentalität sogar bei Schriftstücken der eigenen Gesinnungsgenossen angewandt wird. Also erstens geht das den Altparteien vermutlich ziemlich am Allerwertesten vorbei, ob Bernd Höckes Fanclub sich nun neue Hemdchen nähen lassen muss, weil der Name nicht mehr stimmt. Und zweitens ändert sich ja personell nichts. Der nationalistische Tuschkasten, den ihr Partei nennt, enthält weiterhin dieselben Brauntöne.

Ok, ich erkläre es dir gerne nochmal: Der Flügel soll sich auflösen, nicht die Thüringer AfD-Fraktion. Alle bleiben im Amt (genau das ist ja das Problem). Höcke und Konsorten können weiterhin ihre „tolle Arbeit“ leisten (man beachte die schier endlose Fülle an Beispielen hierfür).

Ach Max, du fürchtest um euer Aushängeschild, nicht wahr? Ich erkläre es jetzt aber nicht noch einmal. Deinen Kommentar habe ich ohnehin nur aufgenommen, weil ich den Begriff „gebrauchte Bundesländer” herrlich finde. Ich sehe schon Amazon damit werben, dass ich jetzt günstig gebrauchte Bundesländer in den Warehouse-Deals zu Spitzenpreisen ergattern kann.

Mit nur einem Flügel kann man sowieso nicht fliegen, Alexander …

Moment, jetzt habt ihr auf einmal doch zwei!? Wo ist der zweite Flügel? Wer ist da drin? Ist der noch weiter rechts? Und wenn ja, wozu braucht ihr beide Flügel? Hast du schonmal einen Vogel mit zwei rechten Flügeln gesehen? Genau, gibt es nicht. Wäre auch völlig nutzlos. Genau wie die AfD.

Kriegt eigentlich irgendwer aus eurem Fanclub mal einen sauberen Satz in deutscher Sprache hin? Ich meine, dafür dass euch „deutsche Kultur“ immer so wichtig ist, sind hier in den Kommentaren ganz schön viele, die schreiben, als wären sie noch in der Grundschule.

Jan ist wieder einer dieser Kandidaten, deren Intellekt gerade einmal für „Selber Nazi!“ reicht. Der arme Flügel wird jetzt vom Verfassungsschutz beobachtet, nur weil er für Deutschland ist? Ich hab Neuigkeiten für dich, Jan: Es geht hier um bundesdeutsche Politik, nicht um die Fußball-WM. Hier sind alle für Deutschland. Der Flügel wird auch nicht beobachtet, weil er Deutschland etwas Gutes tun will, sondern weil er, euphemistisch gesprochen, eine etwas eingeschränkte Definition davon hat, wer sich als „deutsch“ bezeichnen darf.

Bei „vorübergehende Empörung“ musste ich kurz lachen. Schon klar, Georgi, Höcke hat sich jahrelang als Bilderbuchdemokrat etabliert, aber kaum rutscht einem mal so etwas wie „1000 Jahre Deutschland“ raus, wird man gleich in die Nazi-Ecke gestellt, nicht wahr?

Und im zweiten Absatz haben wir sogar einen noch tolleren Satz: „Man kritisiert abweichende Meinungen nicht mehr, sondern hasst sie einfach.“ Hervorragendes Resümee, Georgi. Ersetze nun „Meinungen“ durch „Kulturen“ und du hast die AfD in einem Satz zusammengefasst.

Wenn es wenigstens so etwas wie der Ruhstorfer Abgrenzungsbeschluss wäre, bestünde ja sogar die Chance auf eine positive Auswirkung. Hier sind wir eher im Bereich „Raider heißt jetzt Twix“ unterwegs. Name anders, Inhalt bleibt gleich.

Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle nochmal den Satz „Die Fähigkeit, aus der Geschichte zu lernen, ist offenbar eine nicht zu unterschätzende Leistung des menschlichen Gehirns.“. Kenry, tu mir einen Gefallen und lass dir das auf ein T-Shirt drucken. Damit gehst du dann zum nächsten Flügel-Treffen. Mal sehen, ob dich jemand darauf anspricht.

Soweit mir bekannt ist, besteht bei keinem Lebewesen ein physiologischer Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Flügeln und dem Vorhandensein einer Stimme. Betrachte dich mal eingehend im Spiegel, vermutlich hast du auch keine Flügel und kannst dennoch sprechen.

Spaß beiseite, ich freue mich, dass die AfD nun offenbar einen Wähler weniger hat.

Jetzt mal im Ernst, wisst ihr Blaubraunen überhaupt, wozu Flügel da sind?

Aha. Was willst du denn damit sagen? Dass es okay ist, wenn man sich Rechtsextreme in der Partei hält, solange man es nach außen immer brav herunter spielt? Das macht die AfD doch schon seit Jahren. Was das Thema „nach außen darstellen“ angeht, könnt ihr euch ja vielleicht an folgendem Zeitungsausschnitt aus der taz von 2011 zur NPD orientieren.

Nein, das verstehe ich in der Tat nicht. SHAEF? Die hier? Keine Sorge, die haben rechtzeitig Bescheid bekommen, dass der Krieg vorbei ist.

Moment, vom „Rest“ der Regierung? Hat dir schon jemand gesagt, dass die AfD nirgends in Regierungsverantwortung ist? Wenn nicht, solltest du dich besser hinsetzen und anschließend mal kurz googlen.

Genau, es gibt nämlich nur „rechtsextrem“ und „rot-grün unterwandert“. Jede politische Ansicht lässt sich glasklar einem dieser Begriffe zuordnen, nicht wahr?

Und zum Schluss schließen wir dann doch nochmal den Kreis zu Corona:

Jetzt also auch noch parteiinterner Whataboutismus. Was, lieber Wolfgang, soll denn bei diesem „Hinterfragen“ rauskommen? Sind die Flüchtlinge wieder schuld, dass es Covid-19-Erkrankungen in Deutschland gibt?

Fazit

Zugegeben, es gab auch Kommentare, die den Schritt begrüßten, teils aus Pragmatismus, weil man sich zusätzliche Wähler davon verspricht, sich aber nicht von der rechtsextremen Gesinnung an sich verabschieden muss, aber auch einige wenige, die sich eine parteiweite Abkehr vom Rechtsextremismus erhoffen.

Aber der Großteil spricht sich klar gegen diesen Schritt aus. Und warum? Ganz einfach weil Nazis gerne Nazis wählen möchten. Ich kaufe mir ja auch kein Schokomüsli, wenn der Hersteller keine Schokolade mehr hinein packt.

Was den meisten AfD-Wählern eine Angst ist, gibt mir wiederum Hoffnung. Nämlich darauf, dass Höcke und seine Trabanten dies nicht kommentarlos hinnehmen werden. Dass sie sich abspalten werden. Wenn das passiert, scheitern im Idealfall beide Abkömmlinge künftig an der einen oder anderen 5 %-Hürde. Und das wäre doch mal etwas, was uns in der aktuellen Krise wirklich ein Lächeln ins Gesicht zaubern könnte.

Update:

Höcke dementiert: Der rechtsextreme „Flügel“ wurde NICHT aufgelöst



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