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Desiderius-Erasmus-Stiftung: Warum sie gefährlich ist & keine staatlichen Gelder bekommen darf 

von | Feb 7, 2022 | Aktuelles

Desiderius-Erasmus-Stiftung: Warum sie gefährlich ist und sie keine staatlichen Gelder bekommen darf 

Gastbeitrag von Julia Segantini

Die der AfD parteinahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) könnte bald staatliche Förderung in Millionenhöhe erhalten. Wir haben uns angeschaut, was für Menschen hinter der moderaten Fassade stecken und welche Ziele die DES verfolgt. Außerdem geben wir ein Update zu den Bestrebungen, die staatliche Unterstützung zu verhindern. 

Im April letzten Jahres titelte der Volksverpetzer: „Wir sind kurz davor, 70 Mio € Steuergelder für Rechtsextremismus-Förderung auszugeben“. Schon damals rückte eine staatliche Finanzierung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) in bedrohliche Nähe. Um die möglichen Gefahren durch die DES besser nachvollziehen zu können, muss man ein paar Basics zu parteinahen Stiftungen verstehen. Alle parteinahe Stiftungen sollen die politische Bildung fördern. Dafür bezuschusst sie der Bund jährlich mit dreistelligen Millionenbeträgen, die unter den Stiftungen aufgeteilt werden. Die DES gibt es seit 2017, seit 2018 ist Erika Steinbach Vorsitzende.

Wir sind kurz davor, 70 Mio € Steuergelder für Rechtsextremismus-Förderung auszugeben

Die (in)offizielle Stiftung der AfD

Wie alle parteinahen Stiftungen ist die DES ein eingetragener Verein und damit zumindest theoretisch „institutionell selbständig und von den politischen Parteien unabhängig“. Trotzdem sind Partei und Stiftung miteinander verbunden. Jede Partei profitiert von den staatlichen Zuschüssen an ihre Stiftung, weil sie darüber quasi Parteiarbeit leisten kann und Geld für Förderprogramme, politische Bildung und weitere Parteiziele sparen kann (Quelle). „Man kann sogar noch einen Schritt weiter gehen und die Stiftungen als rechtlich verselbständigte Teilorganisationen der Partei einstufen“, schreibt die Legal Tribune Online.

Außerdem hat die Partei so die Möglichkeit, ihren Mitgliedern mehr Geld zukommen zu lassen. Die Stiftungen können von den Geldern nämlich auch ihre Vorstände bezahlen. Im Falle der DES heißt das also, dass AfD-Politiker:innen aus einer weiteren Quelle, der Stiftung, Geld bekommen, weil es genau wie bei anderen parteinahen Stiftungen zahlreiche personelle Überschneidungen gibt. Von den Geldern können Stiftungen außerdem Stipendien oder Forschungsaufträge vergeben und Seminare und Vorträge organisieren.

Eine Stiftung für Forschung und Kultur?

Prinzipiell hat die DES Anspruch auf diese Zuschüsse in Millionenhöhe. Das Erreichen der zweiten Legislaturperiode ist das einzige Kriterium für das Recht auf Finanzierung. Auch ansonsten genießen die parteinahen Stiftungen große Freiheiten. Es gibt zum Beispiel kein Gesetz, das die Stiftungen an eine Art Transparenzklausel bindet. Sie müssen also nicht offenlegen, wofür sie die Millionenbeträge genau ausgeben. Allerdings müssen sich parteinahe Stiftungen an die freiheitlich-demokratische Grundordnung halten. „Staatliche Zuschüsse dürfen deshalb nur zu verfassungsmäßigen Zwecken verwendet werden“, sagt das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI). Würde sich die Desiderius-Erasmus-Stiftung also als verfassungsfeindlich erweisen, würde sie keine staatlichen Gelder bekommen. Die Frage, ob das der Fall ist, lässt sich hier nicht leicht beantworten. Schauen wir uns zunächst die Ziele der Stiftung an.

Ihre Aufgaben formuliert die Stiftung selbst so: Sie wolle „das demokratische Staatswesen fördern und staatsbürgerliche Bildung vermitteln, Wissenschaft und Forschung fördern, insbesondere durch Vergabe von Forschungsaufträgen, sowie die wissenschaftliche Aus- und Fortbildung begabter junger Menschen fördern“. Außerdem unterstütze sie „die internationale Gesinnung, die Völkerverständigung, die Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens“ und fördere Kunst- und Kulturprogramme.

Auf der Veranstaltungsseite finden sich unter anderem ein Vortrag vom rechten Journalisten Matthias Matussek und ein Seminar zu den „geistigen Wurzeln des Abendlandes“. Dabei verzichtet die DES bewusst auf zu reißerisch klingende Programmpunkte, von rechtsextremen Positionen ist auf dem ersten Blick nichts zu sehen. „Radikales, rassistisches und extremistisches Gedankengut, gleich welcher Richtung auch immer, hat in unserer Stiftung keinen Platz“, versicherte ausgerechnet Erika Steinbach in einer Pressekonferenz im Juli 2021.

Quelle: Screenshot Desiderius-Erasmus-Stiftung

Die menschenfeindliche und geschichtsrevisionistische Weltanschauung der DES-Mitglieder

Bei genauerem Hinsehen sind ihre Worte jedoch unglaubwürdig. Auf der gleichen Pressekonferenz hieß sie zum Beispiel den Faschisten Björn Höcke in der Stiftung willkommen. Auch andere halten Steinbach und ihre Arbeit für fragwürdig und unglaubwürdig. So kritisiert Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank (BSAF) Steinbach schon lange. Mendel verurteilte revisionistische und antisemitische Aktionen und Äußerungen Steinbachs; kritisierte sie unter anderem für diverse Tweets, in denen sie den Holocaust verharmloste, als sie Kinder von AfD-Mitgliedern mit „Judenkindern“ verglich.

Unvergessen bleibt auch ihr Tweet aus dem Jahr 2012, in dem sie die NSDAP als „linke Partei“ bezeichnete. „Und das wäre blauäugig zu glauben, dass sie dann in ihrer Tätigkeit innerhalb der Desiderius-Erasmus-Stiftung diese Ideologie komplett ablegen“, so Mendel gegenüber dem Deutschlandfunk. Die „moderaten“ Akteur:innen der DES setzen auf eine Strategie zur „Normalisierung, ein Schwimmen mit dem akademischen Strom aktueller liberalbürgerlicher Diskurse, im Sinne des Narrativs: ‚Die AfD ist eine normale Partei mit einer normalen Stiftung‘“, schreibt die BSAF auf ihrer Kampagnen-Webseite zum „Stiftungstrick“.

Quelle: Twitter/SteinbachErika

Auch für andere geschichtsrevisionistische Positionen ist bei der DES Platz

Auf  dem DES-Kongress „100 Jahre Ende des Ersten Weltkrieges“ im November 2018 behauptete der Referent Dr. Stefan Scheil (AfD-Politiker in in Rheinland-Pfalz und Historiker), Deutschland habe den ersten Weltkrieg in gewisser Weise gewonnen. Mehrmals auffällig wurde auch DES-Kuratoriumsmitglied und AfD-„Parteiphilosoph“ und Bundestagsabgeordneter Dr. Marc Jongen. Im „Gutachten zu tatsächlichen Anhaltspunkten für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung in der ‚Alternative für Deutschland‘ (AfD) und ihren Teilorganisationen“ taucht er mehrmals auf. Grund dafür sind Aussagen von ihm wie: „Der Pass alleine macht noch keinen Deutschen. Als AfD sind wir deshalb dafür, das sogenannte Abstammungsprinzip […] wieder einzuführen.“ Es ist wohl kein Zufall, dass das stark an dem aus dem Nationalsozialismus bekannten „Arier-Nachweis“ erinnert.

„Migrationshintergrund“: Ariernachweis Reloaded?

Er referierte auch beim „Institut für Staatspolitik“ (IfS), das vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird. Nicht die einzige Verbindung zwischen Desiderius-Erasmus-Stiftung und IfS. Gegründet wurde das „Institut“ unter anderem vom Neurechten Dr. Karlheinz Weißmann, der in der DES einen Posten als Vorstandsvorsitzender des Kuratoriums bekleidet. Ein anderes Vorstandsmitglied, Dr. Hans Hausberger, selbst schon lange in der rechten Szene aktiv, gab für die Stiftung zudem Seminare dazu, wie man als rechte:r Aktivist:in der Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes entgeht (Quelle). Weitere DES-Vorstandsmitglieder teilen die menschenfeindliche und geschichtsrevisionistische Weltanschauung der AfD, wie die BSAF dargelegt.

Der Drahtzieher hinter der AfD & der rechtsextreme Plan zur Machtergreifung

Studie bestätigt: DES ist ein wichtiger Baustein für die Neue Rechte

Dass die DES ein wichtiges Element für die gut vernetzte Neue Rechte ist, um „in Deutschland Hegemonie im vorpolitischen Raum zu erlangen“ zeigte eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung. Sie stellt fest: „Die teilweise langjährige Verbindung einzelner Akteur*innen  der  DES  in  diese  Strukturen  kann  die  Ausrichtung  der  gesamten Tätigkeiten  der Stiftung  beeinflussen.  Die  DES  ist  nicht  automatisch  als  Ganzes  Teil  der  Neuen  Rechten, zentrale Akteur*innen allerdings schon.“ Die DES habe viele Berührungspunkte mit rechtsextremen Personen und Vereinigungen.

„Wir gehen  daher  davon  aus,  dass  die  DES,  wenn  sie ausreichend Ressourcen hat, zum zentralen Anlaufpunkt für neurechte Tätigkeiten werden wird. […] Das bisherige  Programm  der  politischen  Bildung  sowie die  Publikationen  der  DES  deuten  darauf  hin,  dass  die  von  zentralen  Akteur*innen  der  Stiftung  seit  Jahrzehnten  praktizierte  systematische Verankerung neurechter Positionen in der Gesellschaft auch durch die Stiftung vorangetrieben werden wird.“

Indirekt bestätigt das sogar die DES selbst.  Die Stiftung sei wichtig für die politische Bildung, „weil langfristig gesehen Politische Bildung auf die öffentliche Meinungsbildung tiefer und stärker wirkt als jeder Wahlkampf und jede Wahlkampfpropaganda“. Das schreibt die DES in ihrem ersten Rundbrief. Auch Ex-Co-Parteichef Jörg Meuthen lobte die Arbeit der Stiftung und erhoffte sich „auf einer Meta-Ebene einen intellektuellen Überbau zu schaffen.“ Er wolle eine Alternative zum rechten Thinktank IfS, welches er kritisch betrachte.

Wer kann die Finanzierung noch verhindern?

„Jährlich bis zu 70 Millionen Euro will die AfD für ihre Parteistiftung aus Bundesmitteln haben. Hat sie damit Erfolg, kann die DES mit unseren Steuergeldern den Ausbau rechter Strukturen vorantreiben und öffentliche Diskurse massiv beeinflussen“, heißt es in einem Online-Appell, an dem unter anderem die BSAF und die Initiative Kein Bock auf Nazis mitwirken. Absurd: Gleichzeitig gibt der Staat Geld für Projekte gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus und vor allem für die Förderung der Demokratie aus.

In einem „Manifest der Zivilgesellschaft“ forderte die BSAF die Fraktionen im deutschen  Bundestag deshalb zum Handeln auf. 13 zivilgesellschaftliche Organisationen unterzeichneten die Aufforderung, darunter die Amadeu Antonio Stiftung, campact, DGB, Fridays for Future und der Zentralrat der Juden in Deutschland. Zudem konzipierte sie mit dem Grünen-Politiker Volker Beck bereits einen Gesetzesvorschlag für ein „Wehrhafte-Demokratie-Gesetz“. Dieses soll „die politische Bildungsarbeit und Demokratieerziehung der Bundeszentrale für politische Bildung“ und der parteinahen Stiftungen sowie „die Förderung der politischen Bildungsarbeit und Demokratieerziehung einschließlich der Extremismusprävention durch die Zivilgesellschaft“ gesetzlich regeln. Dieses Stiftungsgesetz soll parteinahe Stiftungen auch auf ihre Demokatietauglichkeit hin prüfen.

Die Gesetzesinitiative gibt es seit April 2021, trotzdem hat die Politik bisher nicht gehandelt

Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung heißt es lediglich: „Die Arbeit und Finanzierung der politischen Stiftungen wollen wir rechtlich besser absichern. Dies soll aus der Mitte des Parlaments geschehen unter Einbeziehung möglichst aller demokratischen Fraktionen.“ Bisher ist also unklar, wie die Politik mit der Desiderius-Erasmus-Stiftung verfahren wird.

„Da die Regierung lediglich eine Bearbeitung des Themas in Aussicht gestellt hat, die Formulierung allerdings wenig konkret daherkommt, bereiten wir gerade weitere Aktivitäten vor, um sicherzustellen, dass zu den entsprechenden Anlässen (Abstimmung Haushalt 2022 im Bundestag) die richtigen Schritte passieren“, heißt es auf Anfrage des Volksverpetzers von der BSAF.

Man arbeite dazu mit den Organisationen Campact, DefundDES und Omas gegen Rechts zusammen. „Die wichtigste Botschaft lautet also, dass wir dran sind“, verspricht die BSAF.

Artikelbild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

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