Warum ein Akronym nicht unsichtbar macht
Kolumne “Klare Verhältnisse”
“Feministischer Kampftag” oder “Weltfrauentag”? Wieder einmal ist die Empörung in manchen feministischen Kreisen groß. Dabei wird cis Frauen gar nichts weggenommen, wenn FLINTA*-Personen heute mitgedacht werden. Vielmehr können sie gemeinsam auf die patriarchale Diskriminierung aufmerksam machen. Ein Plädoyer.
Heute ist feministischer Kampftag. Heute bekommen weiblich gelesene Personen auf der Straße wieder Blumen in die Hand gedrückt und Gutscheincodes für Parfümerien in ihre Online-Postfächer gespült. So nervig – so bekannt. Es ist schließlich nicht neu, dass dieser Tag eine Farce an Lippenbekenntnissen und peinlichen Aktionen ist. Ein Tag, an dem diejenigen mit einem wohligen Grinsen erschöpft ins Bett fallen, die großzügig Blumen verteilt haben – ist schließlich auch anstrengend.
Wie gesagt: Das alles ist nicht neu. Es ist auch nicht neu, dass dieser Tag aus feministischer Perspektive nicht nur als sehr wichtig angesehen, sondern auch stark kritisiert wird. Eben aufgrund jener sich immer wiederholenden Lippenbekenntnisse. Neu scheinen aber die Parolen, die an diesem Tag aus einigen feministischen Kreisen geschrien werden. Denn die Empörung ist groß.
Es ist die Empörung darüber, dass am 8. März nicht mehr nur vom “Weltfrauentag”, sondern vom “feministischen Kampftag” gesprochen wird. Es ist nicht nur der Name, an dem sich echauffiert wird. Sondern die Tatsache, dass Feminismus – zumindest der Feminismus, für den Intersektionalität kein Fremdwort ist – an diesem Tag nicht nur an Frauen denkt. Denn wie kann ein Tag, der auf patriarchale Unterdrückung aufmerksam machen soll, all jene nicht mitdenken, die eben von genau dieser betroffen sind?
Feminismus muss intersektionell gedacht werden
Der feministische Kampftag will Sichtbarkeit schaffen. Sichtbarkeit für FLINTA*-Personen. Also sowohl für Frauen, als auch für Lesben, inter–, nicht binäre, trans* und agender und weitere Personen. Das Akronym umfasst all jene Gruppen, die von patriarchaler Diskriminierung betroffen sind. Diese Diskriminierungen können nicht für sich alleinstehend betrachtet werden. Denn sie verweben sich mit anderen Diskriminierungsformen. Sie sind intersektionell. Und auch Feminismus sollte intersektionell gedacht werden – immer. Weil nicht nur Frauen von patriarchaler Diskriminierung betroffen sind, auf die der 8. März aufmerksam machen soll.
Doch es ist leider wie so oft. Der Mensch hat Angst, dass ihm etwas weggenommen wird. Cis Frauen haben Angst, dass ihnen etwas weggenommen wird. So schreit es förmlich aus allen Poren von – vorwiegend weißen – Feministinnen: „Nicht mal heute kann es einfach um die Frau gehen.“ Vielleicht kann ich mit diesem Text nicht nur die Absurdität dieser Behauptungen aufzeigen, sondern auch Entwarnung geben. Entwarnung, dass hier niemandem etwas weggenommen wird – und schon gar nicht cis Frauen.
Das F in FLINTA* steht für Frauen
Denn – und jetzt gilt es, sehr gut aufzupassen – wenn von FLINTA* gesprochen wird, werden Frauen unausweichlich mit genannt. Denn das F in FLINTA* steht für Frauen. Doch das reicht scheinbar nicht. Der nicht intersektionelle Feminismus scheint aktuell wieder unaufhaltsam in ein infantiles „Mir hat jemand die Schaufel weggenommen“-Verhalten zu verfallen.
Und das, obwohl hier nichts weggenommen wird. Bleibt man bei der Metapher, wird deutlich, dass diese Art des weißen Feminismus erst gar nicht will, dass jemand anderes eine Schaufel besitzt. Hauptsache sie. Hauptsache sie ganz allein. Wenigstens am 8. März.
Die Angst davor, nicht mit gemeint zu werden, scheint groß. So erklärte mir auf Instagram eine Person, dass sie mehr als nur ein Buchstabe in einer Abkürzung sei. Sie bestand darauf, dass es um Frauen geht – nicht um Abkürzungen.
Heißt also: ein Buchstabe macht unsichtbar und vier Buchstaben – denn mehr hat das Wort Frau leider auch nicht – schafft absolute Sichtbarkeit?
Artikelbild: Sabrina Reiter
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