BILD und Christian Lindner verbreiten Falschdarstellungen über Lauterbach
SPD-Gesundheitsexperte und Gesundheitsökonom (mit Studienrichtung Epidemiologie) Karl Lauterbach hat sich in die Diskussion um die Verhinderung von Privatfeiern eingeschaltet. Zuvor hatte die FPD und CDU in NRW Begrenzungen von privaten Feiern komplett ausgeschlossen (Quelle). Im Öffentlichen Raum gibt es dagegen in NRW eine Begrenzung auf fünf Personen im Falle einer 7-Tage-Indzidenz über 50.
In den meisten Bundesländern gibt es allerdings solche Regeln auch auf privaten Feiern. Beispiel: Baden-Württemberg erlaubt 10 Personen oder zwei Hausstände, Bayern erlaubt nur noch 25 Personen bei Überschreiten der 7-Tage Inzidenz, Berlin ebenfalls nur 10 Personen (Quelle). Das heißt: Damit sich die Leute nicht einfach privat in riesigen Gruppen treffen und sich so womöglich ansteckend, gibt es in den meisten Bundesländern auch Begrenzungen für private Feiern, nur in NRW nicht.
Der essentielle Kontext der Aussage von Lauterbach
NRW-Minsterpräsident Laschet argumentiert, dass zur Durchsetzung dieser Regeln, wie sie in anderen Bundesländern bereits existieren, die Unverletzlichkeit der Wohnung gefährdet wäre.
IN DIESEM KONTEXT führte nun Lauterbach laut einer dpa-Meldung der Rheinischen Post an: “Die Unverletzbarkeit der Wohnung darf kein Argument mehr für ausbleibende Kontrollen sein.” und “Wenn private Feiern in Wohnungen und Häusern die öffentliche Gesundheit und damit die Sicherheit gefährden, müssen die Behörden einschreiten können.”
Lauterbach fordert also, dass auch NRW solche Kontaktbeschränkungen bei privaten Feiern einführen sollte, und dass die Unverletzlichkeit der Wohnung dabei kein Argument sei, um einfach GAR KEINE Regeln zu haben. Auf Twitter wird dieser Kommentar vielfach mit einer Kontrolle nach Ruhestörung verglichen. Die Polizei darf ja auch bei dir zu Hause klingeln, wenn du mitten in der Nacht laut Musik hörst.
Jetzt wird so getan, als würde der Rechtsstaat zertrümmert, wenn die Polizei wg. #Corona eine private Party beendet.
Schon mal erlebt, was passiert, wenn in einer privaten Wohnung nach 22.00 Uhr laute Musik läuft?#Lauterbach #WellenbrecherJetzt
— MvonMauschwitz (@MvonMauschwitz) October 28, 2020
Seltsamerweise gab es deswegen noch keinen Aufschrei von Bildzeitung und Co. Vor allem: Solche strengen Regeln für private Feiern GIBT ES SCHON LÄNGST. In den meisten anderen Bundesländern. Lauterbach hat also nur das für NRW gefordert, was für die meisten Deutschen ohnehin gilt.
BILD und Lindner reißen Zitat aus dem Kontext für Kampagne
Christian Lindner trat dabei mit einem Interview in der BILD eine Kampagne des Springer Verlags los und bezeichnete Lauterbachs Aussagen zuerst als eine Forderung nach “Kontrollen in Privatwohnungen” und sagte gar darüber, dass das Maßnahmen seien, die “schärfer sind als die bei der Terrorismusabwehr”. Nochmal: Über eine Forderung für NRW, die in Bayern, Berlin und Baden-Württemberg längst gilt.
Der Kontext, dass es sich um eine direkte Antwort auf Laschets Weigerung handelt, überhaupt private Feiern zu regulieren, wie es in anderen Bundesländern gemacht wird, wird einfach komplett ausgeblendet. Lauterbach stellt das sogar explizit klar: Natürlich hat er keine Kontrollen in Privatwohnungen gefordert.
Um es noch einmal für alle klarzustellen, weil es viel Kritik gibt: ich lehne es ab, dass Polizei oder Ordnungskräfte Wohnungen kontrollieren. Die Privatwohnung bleibt voll geschützt. Trotzdem müssen wir an Bürger eindringlich appellieren, jetzt jede private Feier zu vermeiden https://t.co/dq719ohfzJ
— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) October 28, 2020
Eine halbe Stunde DANACH lügt Christian Lindner immer noch auf Twitter, das Lauterbach das gefordert hätte, und wiederholt seine unsinnige Anschuldigung, dass dies “schärfer als Terrorismusabwehr” wäre.
Die #Unverletzlichkeit der #Wohnung ist ein #Verfassungsgebot. Herr #Lauterbach schlägt Maßnahmen vor, die schärfer sind als die bei der Terrorismusabwehr. Das kann ich nicht mehr als verhältnismäßig betrachten und das ist mit Sicherheit auch nicht mehr verfassungsgemäß. CL
— Christian Lindner (@c_lindner) October 28, 2020
Bewusst irreführendes Framing
Das ist bewusstes Framing und eine gezielte Kampagne – und es ist äußerst problematisch, dass viele Medienhäuser dieses irreführende Framing von Lauterbachs Aussagen aufgegriffen haben. Viele andere Medien reißen nach der dpa-Meldung das Zitat aus dem Kontext und titeln “Lauterbach fordert Kontrollen in privaten Wohnungen”. So kommt es, dass viele Medien auch in gutem Gewissen diese Falschdarstellung übernehmen. Für den durchschnittlichen Nachrichten-Leser entsteht dadurch selbstverständlich nicht der Eindruck, dass Lauterbach nur über NRW spricht und über eine Regelung, die es in vielen Bundesländern bereits gibt.
Lieber @c_lindner Sie wissen doch, dass ich an der Unverletzlichkeit der Wohnung nicht zweifele und das längst klargestellt habe. Missverständliche Äusserungen von Ihnen gab es auch schon und ich war meistens so fair, sie nicht auszunutzen. Danke dafür. https://t.co/dxpFtXya2x
— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) October 28, 2020
Zusätzlich zu der unerhörten Kommentierung Lindners, der sich wohl gerne für diese Kampagne hergibt, da sie dem politischen Widersacher schadet, entsteht der Eindruck, dass Polizist:innen laut Lauterbach anlasslose Hausdurchsuchungen machen sollten oder einen dergleichen Unsinn. Nichts ist ferner von der Realität, hier wurde mit einer bewussten Dekontextualisierung von Zitaten und bewusst geschürtem Framing Lügen über Lauterbach in die Welt gesetzt.
Was Satire-Seiten dazu meinen:
Zum Thema:
Irreführendes Framing: Warum der Lauterbach-Fake so extrem erfolgreich ist
Artikelbild: Bernd von Jutrczenka/dpa
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