Moria: #WirhabenPlatz!
Erst diese Woche machten die Aktivisten der Seebrücke und von Sea-Watch mit ihrer Aktion #wirhabenplatz erneut auf die Situation in Moria aufmerksam:
„Wir haben heute 13.000 Stühle vor dem Reichstagsgebäude aufgestellt – so viele Menschen müssen in dem überfüllten Lager Moria unter unmenschlichen Bedingungen leben. Die Stühle symbolisieren: Wir haben Platz!“ Seebrücke Deutschland
#dreizehntause Menschen sitzen alleine in Moria fest. Wir haben für jeden Menschen einen leeren Stuhl vor den Bundestag gestellt. Warum nimmt Deutschland sie nicht auf? pic.twitter.com/yNJhbaNgxJ
— Seebrücke (@_Seebruecke_) September 7, 2020
Heute stellen wir 13.000 Stühle für 13.000 Menschen in Moria vor den Bundestag. Noch immer sind die Lager überfüllt und menschenunwürdig. Noch immer verweigert die Bundesregierung, dass Menschen dort angemessen geholfen wird. Wir haben Platz. #dreizehntausend #LeaveNoOneBehind pic.twitter.com/XGmEKEHQHk
— Erik Marquardt (@ErikMarquardt) September 7, 2020
Die Aktion #wirhabenplatz ging viral, wurde tausendfach in sozialen Netzwerk geteilt und rüttelte wohl einige Menschen auf, die das Elend in Moria verdrängen wollten. Dann, kaum zwei Tage später, brannte das Camp vollständig ab.
Moria brennt. Es gab immer wieder Feuer, aber das ist anders, #Moria brennt. Ich weiß nicht, wer die Feuer gelegt hat. Aber ich weiß dass viele wollen, dass dieser entwürdigende Ort nicht mehr existiert. Wir haben politisch versagt, jahrelang. Europa versagt. #leavenoonebehind pic.twitter.com/i2QYoO0OTU
— Erik Marquardt (@ErikMarquardt) September 8, 2020
The brutal reality of Europe is that I am sitting in the train station drinking coffee, while in the some place (the EU) people are forced to live in conditions unworthy of human beings with no safety for their lives.
Social inequality has never been greater than now. #Moria https://t.co/TAz9MaQPJR
— Carola Rackete (@CaroRackete) September 9, 2020
Und jetzt sind wir wieder bei der Frage was mit den Schutzsuchenden Menschen in Moria passieren soll. Monatelang wurde dieses Thema aufgeschoben: Jetzt wo das Lager abgebrannt ist und die Menschen nicht einmal mehr ein Zeltdach über den Kopf haben, muss endlich geklärt werden was mit den Menschen vor Ort passieren soll, die ohnehin schon zulange unter menschenunwürdigen Bedingungen überleben mussten. Die Debatte ist in vollen Gange, Parteien und Politiker positionieren sich und auch auf europäischer Ebene wird heiß darüber gestritten wie eine Verteilung erfolgen soll. Für viele im Land ist jedoch klar, dass JETZT gehandelt werden muss. In den sozialen Medien und auf Demos wird mobilisiert was in kürzester Zeit eben möglich ist. Wir zeigen euch hier die „treffendsten“ Statements zur Causa Moria.
Erstmal etwas Satire
Könnt ihr euch noch an den Brand von Notre Dame erinnern und die dazugehörige Welle an Solidarität für das Gebäude? Tja, von dieser Art der Solidarität für die Schutzsuchenden in Moria fehlt jegliche Spur:
Flüchtlinge in Moria wünschten, sie wären gotische Kathedrale #Moria #NotreDame https://t.co/CQbeNTYNkr
— Der Postillon (@Der_Postillon) September 9, 2020
Milliarden Euro Spenden für #Moria innerhalb weniger Stunden gesammelt, nachdem im Flüchtlingscamp eine alte französische Kathedrale entdeckt wird pic.twitter.com/alEO3rAlAE
— Der Gazetteur (@dergazetteur) September 9, 2020
Als 2019 in Frankreich die katholische Kathedrale Notre-Dame brennt:
• in weniger als drei Tagen werden Spenden über eine Milliarde Euro zugesichert
Als 2020 das seit Monaten hoffnungslos überfüllte Flüchtlingslager #Moria abbrennt:
• Grillen zirpen, ein Käuzchen ruft
— Kaffeecup (@kaffeecup) September 9, 2020
Der Europaabgeordnete machte darauf aufmerksam, dass das Parlament in Straßburg noch Menschen aufnehmen könne und bat auch gleich seine beiden Büros an:
In Straßburg steht ein ganzes Parlament leer und kann ein paar 1000 Menschen aufnehmen.
Ich gebe meine beiden Büros dort jedenfalls für die gesamte Legislaturperiode gerne her!
Wäre das nicht was, @EP_President?#Moria #WirHabenPlatz
— Nico Semsrott (@nicosemsrott) September 9, 2020
Die Satiresendung extra3 warf der EU vor zu pennen:
Die neue EU-Flagge. Aus Gründen. #Moria #Seehofer pic.twitter.com/o9GUUamiNS
— extra3 (@extra3) September 9, 2020
Und die heute-show, sowie Ralph Ruthe nahmen sich Kommentatoren vor, die keine Schutzsuchenden aufnehmen wollen, weil ein paar von 12.000 Tausend, den Brand anscheinend selbst gelegt haben. Dabei gibt es überwiegend Geflüchtete die jetzt Hilfe brauchen und nichts mit dem Brand zu tun haben:
Im Flüchtlingslager #Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist letzte Nacht ein Großbrand ausgebrochen.
Wer sich fragt, von wem das Feuer gelegt wurde, hat bereits zu null Prozent an der Problemlösung beigetragen. Respekt!— ZDF heute-show (@heuteshow) September 9, 2020
Es ist Silvester. Eine fremde Person rennt mit Verbrennungen an der blutenden Hand die Straße entlang. Jeder normale Mensch würde helfen wollen + die Person direkt ins Krankenhaus bringen.
Empathielose Arschlöcher fragen seelenruhig "Haben Sie den Böller selbst gebaut?" #Moria— Ralph Ruthe (@ralphruthe) September 9, 2020
Aber Spaß beiseite, die Kommentare auf den Sozialen Medien zur Thematik sind einfach nur hässlich und unwürdig:
Jeder (!) Artikel zu #Moria wird auf FB mit zynischem, überheblichem Dreck kommentiert. Nicht ein Fünkchen Anstand oder Würde.
Ein Teil der Deutschen ist einfach hässlich, emphatisch verkümmert bzw. nur dann bemüht, wenn es um sie selbst geht.
Hauptsache der Kaffee ist warm.
— Alex Urban 🇺🇦 (@aurban) September 10, 2020
Die treffendsten Statements
Einige bekannte Kommentatoren gingen auf die Pflichten der EU und auch von Deutschland ein:
13.000 Menschen aus den brennenden Lagern in #Moria erleben die Friedensnobelpreis-EU gerade vermutlich eher als etwas wie einen großen Arschlochverein. Es ist so absurd – #WirHabenPlatz und vor allem haben wir Pflichten. Und Menschen Rechte.
— Luisa Neubauer (@Luisamneubauer) September 9, 2020
Wer Deutschland verteidigen will, muss zu allererst die Menschenwürde verteidigen wollen. #moria
— Jan Böhmermann 🤨 (@janboehm) September 9, 2020
https://twitter.com/alicehasters/status/1303633001688031232
https://twitter.com/LaVieVagabonde/status/1303585229567864832
Empathie bedeutet: das könnte ich sein. Eingesperrt auf engstem Raum mit 13000 Menschen und einer tödlichen Seuche. Kaum Nahrung, kein fließend Wasser, kaum Medizin. Diese humanitäre Katastrophe war schmerzhaft vorhersehbar und seit März wurde gewarnt. #Moria
— Marina Weisband (@Afelia) September 8, 2020
Der EU werden direkte Vorwürfe gemacht, warum sie nicht schon längst gehandelt hat:
Wer sich über die Flammen in #moria wundert, hat die vergangenen Monate weggeschaut. Die Zustände waren schon vorher menschenunwürdig. Was taugt Europa, wenn es das duldet?
— C_Emcke @[email protected] (@C_Emcke) September 9, 2020
Alles, was in #Moria gerade passiert, ist von den EU-Staaten politisch gewollt.
— Hanning Voigts (@hanvoi) September 9, 2020
Sarah Bosetti warf eine treffende Frage auf:
Sind die Leute, die finden, 12600 Flüchtlinge zusammengepfercht auf den Platz von 2800 sollen sich nicht so anstellen, eigentlich dieselben, die es absolut unzumutbar finden, im Supermarkt zehn Minuten Maske zu tragen? #Moria
— Sarah Bosetti (@sarahbosetti) September 9, 2020
Die Abgeordnete Anke Domscheit-Berg regt sich völlig zurecht über die AfD auf, die eine aktuelle Stunde zu Moria im Bundestag verhindert hat:
🤢🤮🤮🤮
Die @Linksfraktion hat heute eine Aktuelle Stunde zu
🔥#Moria 🔥beantragt. Die #noAfD hat dies mit ihrer Gegenstimme verhindert. Deshalb wird #LeaveNoOneBehind heute nicht im Bundestag debattiert! Ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr ich diese Truppe verachte!— Anke DomscheitBerg @[email protected] (@anked) September 9, 2020
Die Grünen Politiker Belit Onay und Aminata Toure machen beide auf den Fakt aufmerksam, dass es genug Länder und Städte gibt, die allemal dazu bereit sind Schutzsuchende bei sich aufzunehmen:
Es brennt in #Moria! Ich fordere die Bundesregierung daher auf, den in Not geratenen Flüchtlingen zu helfen. Wir müssen schnell handeln. Die Landeshauptstadt Hannover ist bereit, Menschen aus dem Lager auf Lesbos aufzunehmen. Hannover übernimmt Verantwortung. #WirHabenPlatz
— Belit Onay (@BelitOnay) September 9, 2020
Genügend Kommunen/Bundesländer sind aufnahmebereit. Es ist der Bundesinnenminister, der sich verdammt nochmal bewegen muss. Es ist die GroKo, die einen Bundesinnenminister zum Handeln bringen kann. Es sind wir Bundesländer, die nochmal und weiterhin Druck ausüben müssen.#Moria
— Aminata Touré (@aminajxx) September 9, 2020
Die SPD meint es soll was getan werden, sitzen aber selbst in der Regierung und könnten was tun
SPD Politiker äußern sich natürlich auch zu Moria und zeigen sich betroffen:
In 16 Bundesländern gibt es 174 Kommunen, die sich zu sicheren Häfen erklärt haben, die bereit sind Gefüchtete aufzunehmen, die sich klar gegen eine Abschottungspolitik gestellt haben. #Seehofer blockiert diese Initiative. Wir müssen jetzt handeln. #Moria
— Serpil Midyatli (@SerpilMidyatli) September 9, 2020
https://twitter.com/EskenSaskia/status/1303600806059483136
https://twitter.com/KuehniKev/status/1303581372393627648
Blöd nur, dass sich die SPD mehrheitlich bei der letzten Abstimmung zu Moria dagegen ausgesprochen hat den Menschen zu helfen:
135 von 137 Abgeordneten der SPD stimmten gegen den Antrag besonders schutzbedürftige Menschen aus Moria aufzunehmen. Unter ihnen auch Saskia Esken, Heiko Maas und Lars Klingbeil (und wer sonst noch heute plant Krokodilstränen zu twittern).https://t.co/9VuHu4eu5c
— Johann van de Bron (@Johann_v_d_Bron) September 9, 2020
Außerdem könne man nach solchen Äußerungen denken, die SPD säße in der Opposition. Dabei regiert sie aktuell und kann entsprechend Druck machen.
Dazu passt auch dieser Tweet einfach sehr gut:
Geil wie auch die Regierungsparteien alle jetzt so "ES MUSS DRINGEND ETWAS GETAN WERDEN" Richtung Moria rufen das ist ungefähr so als würde ich in meiner Küche stehen und rufen "JEMAND MUSS DRINGEND WAS KOCHEN"
— Pixie Apfelbaum (@pixieapfelbaum) September 9, 2020
Demonstrationen in ganz Deutschland noch am selben Tag
Kaum ging die Nachricht von den brennenden Camps und Moria durch die Republik wurde noch am selben Tag zu Demonstrationen mobilisiert. Danke an alle die dafür kurzfristig auf die Straße gegangen sind:
Wow! Tausende Menschen demonstrieren vor dem Berliner Hauptbahnhof für die Evakuierung der Menschen in #Moria. #LeaveNoOneBehind pic.twitter.com/V1ZcMuaQMT
— Erik Marquardt (@ErikMarquardt) September 9, 2020
https://www.facebook.com/ZDFheute/posts/10158925309040680
Horst Seehofer und Armin Laschet machen weiterhin dicht
So und warum passiert am Ende nichts? Weil sich Unionspolitiker weiter dagegen sperren den Menschen direkt zu helfen und man sich hinter der „Wir suchen nach einer europäischen Lösung“ Argumentation versteckt die wir seit Jahren zu hören bekommen. Hier Kanzlerkandidat Armin Laschet:

Screenshot Westdeutsche Zeitung (Quelle)
Und hier unser stets beliebter Innenminister Horst Seehofer:

Screenshot taz (Quelle)
Das man mit der „europäischen Lösung“ einfach nur Zeit gewinnen will und ablenken möchte belegt dieser Tweet:
https://twitter.com/LibanFa/status/1304033958867410952
Der bayrische Ministerpräsident Söder hingegen zeigt sich offen, Menschen in Bayern aufnehmen zu wollen. Von Kevin Kühnert wird er darauf aufmerksam gemacht, dass er sih doch auch bei Horst Seehofer melden könne, wenn er es wirklich ernst meint:
https://twitter.com/KuehniKev/status/1303708152119132169
Abschließen kann man das Verhalten der CDU wohl mit diesem Tweets:
#Moria – was für eine verlogene Debatte! Wer in diesen Tagen von einer „europäische Lösung“ redet, will keine Menschen aufnehmen. Weil klar ist, dass es keine beherzte EU-Hilfe geben wird. Weil es viele Länder gibt, denen das Schicksal der Flüchtlinge am Allerwertesten vorbeigeht
— Markus Feldenkirchen (@MFeldenkirchen) September 10, 2020
Wie kann man weiter flüchtlingsfeindliche Politik machen und gleichzeitig so tun als sei man solidarisch und hilfsbereit?
Eine „europäische Lösung“ fordern (die es nie geben wird) #cdu #csu #moria
Lasst euch nicht verarschen.
— Tilo Jung (@TiloJung) September 10, 2020
Die Situation vor Ort
Mission Lifeline, die vor Ort sind machen die Öffentlichkeit auf die schrecklichen Umstände vor Ort aufmerksam:
+++ EIL +++
Die griechische Polizei beschießt die jetzt obdachlosen Menschen bei #Moria mit Tränengas.
— MISSION LIFELINE (@SEENOTRETTUNG) September 9, 2020
+++ UPDATE +++
Die griechische Polizei verhindert die Versorgung der Opfer der Katastrophe in #Moria. NGOs, die Wasser und Nahrungsmittel bringen, werden nicht zu den Geflüchteten gelassen. An Supermärkten verhindert die Polizei, dass NGOs einkaufen können.
— MISSION LIFELINE (@SEENOTRETTUNG) September 9, 2020
Hier Aufnahmen der aktuellen Situation vor Ort:
Sie haben keinen Ort, an den sie gehen können. Hinter ihnen das Feuer, vor ihnen Tränengas. Menschen, die Krieg und Elend entronnen sind, finden in Europa nichts als Verachtung und eine Geringschätzung ihres Lebens, die beschämen muss. #Moria https://t.co/4EWF2x9TLT
— medico international (@nothilfe) September 9, 2020
https://www.facebook.com/tagesschau/posts/10158996934114407
Es muss JETZT gehandelt werden
Zum Abschluss noch meine eigene Haltung zum Thema Moria: Wir können und müssen den Menschen JETZT helfen. Nicht erst wenn alle EU- Staaten sich abgesprochen haben. Nicht erst wenn alle politischen Fragen abgewogen und kalkuliert wurden. JETZT!
Die Würde des Menschen ist und bleibt unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist die Verpflichtung von uns allen.
Meiner Meinung nach ist es im Moment nicht entscheidend, was die anderen europäischen Länder machen. Die können sich von mir aus noch Wochen zanken. Aber wir als deutsche Gesellschaft können JETZT ein Zeichen in die Welt senden, dass selbst in Zeiten einer weltweit stattfindenden Pandemie, die Menschlichkeit noch nicht tot ist. Wir können JETZT tun was die Situation von uns fordert: Anderen Menschen helfen die in diesen Augenblicken in schwerer Not sind.
https://twitter.com/BerlinerNotizen/status/1303944704237744129
Artikelbild: pixabay.com, CC0
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