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Neonazi in Afghanistan in Taliban-Haft, als er zeigen wollte, dass es dort sicher sei

von | Jun 20, 2023 | Aktuelles

Für Afghanistan besteht nicht umsonst eine Reisewarnung. Es ist auch kein Zufall, dass rund 2,1 Millionen Afghan:innen als Geflüchtete oder Asylsuchende verzeichnet sind. Bis zuletzt galt Afghanistan in Debatten der Asylpolitik nicht als sogenanntes ‚sicheres Herkunftsland‘. Ein österreichischer Neonazi hat es sich dennoch zur Aufgabe gemacht, es als solches zu deklarieren. Schließlich würde die Sicherheit Afghanistans bedeuten, dass es keinen Grund gebe, afghanischen Geflüchteten Asyl zu gewähren und man sie getrost abschieben könne. Ein Urlaub im Land sollte zeigen, wie sicher es vor Ort ist. Doch Herbert F. verdeutlicht unfreiwillig das glatte Gegenteil: Er wird von den Taliban festgenommen.

Wegen Spionage-Verdacht festgenommen

Der Hergang der Geschichte um Herbert F. trieft beinahe vor Sarkasmus – dabei ist es genau so passiert. Der ehemalige Lehrer ist heute 84 Jahre alt und fester Bestandteil der rechtsextremen Szene Österreichs. Gelegentlich veröffentlicht er Stücke in einem rechtsextremen Magazin. So auch kürzlich die Titelgeschichte „Urlaub in Afghanistan“. Sein Fazit: Afghanistan sie zwar „heiß umfehdet“ und „wild zerstritten“, aber angeblich sicher. Der Bericht führte F. im vergangenen Herbst nach Afghanistan. Nun war er wieder da, für einen weiteren „Urlaub in Afghanistan“ – und sollte am eigenen Leib feststellen, dass es dort so gar nicht sicher ist. Er wurde von den Taliban verschleppt. Der Vorwurf lautet Spionage. Laut der taz sitzt er jetzt seit einigen Wochen fest und wurde inzwischen in eine Einzelzelle verlegt.

Das österreichische Außenministerium ist bereits eingeschaltet und um Lösung bemüht. Allerdings seien „konsularische Hilfeleistungen in Afghanistan […] nur sehr beschränkt möglich“. Wie es also um F.s Freilassung steht, ist ungewiss. Klar ist derweil: F. hat eine Reisewarnung missachtet, die nicht ohne Grund besteht, um die vermeintliche Sicherheit eines Landes zu beweisen, das offensichtlich weder für die eigenen Einwohner:innen noch für Tourist:innen sicher ist. Anstatt Betroffenen Glauben zu schenken, fühlte sich F. in seinem rechtsextremen Weltbild offensichtlich so gestört von Asylsuchenden, dass er erst am eigenen Leib erfahren muss, was das Leben in einem Land wie Afghanistan bedeuten kann. Ob der Vorfall Einsicht bringt, bleibt abzuwarten.

EU möchte restriktive Asylreform

Während F. sich wohl eine härtere Asylpolitik herbeisehnt, sind viele aktuell damit beschäftigt, die angestrebte EU-Asylreform zu kritisieren. Denn Europa schottet sich weiter ab. Bedeutet im Klartext: Geflüchtete sollen an Außengrenzen abgefangen, Asylverfahren dort durchgeführt und Abschiebungen schneller möglich gemacht werden. Unter anderem 80 Grünen-Landtagsabgeordnete haben sich gegen den Vorschlag gewandt. In einem Brief an die Delegierten des kleinen Parteitags heißt es demnach, dass die Reform „eine weitere Verschlechterung der Rechte für Menschen, die sich auf der Flucht befinden“ darstelle.

Eine weitere Verschlechterung. Denn die Lage ist tatsächlich schon schlimm genug. Der Volksverpetzer berichtete bereits Mitte April in einer Analyse rund um die Asylpolitik von den menschenunwürdigen Zuständen, in denen Geflüchtete zurückgelassen werden. Ihre Schutzbedürftigkeit wird ignoriert oder gar gegen sie verwendet. Über tausend Migrant:innen werden seit Beginn des Jahres laut dem Missing Migrants Project im Mittelmeer-Raum vermisst. Das bedeutet in diesem Fall jedoch nicht, dass irgendwer nach ihnen sucht. Ganz im Gegenteil. Die Politik der EU nimmt das Leid Geflüchteter billigend in Kauf, nimmt auch Todesfälle in Kauf. Und fährt nun eine noch restriktivere Schiene.

Rechtsextreme kämpfen für menschenunwürdige Zustände für Geflüchtete

Herbert F.s Projekt ist ganz offensichtlich gescheitert. Das musste es, denn die Sicherheit Afghanistans ist aktuell nicht zu beweisen – Afghanistan ist schlicht nicht sicher. Anstatt dem Schicksal und den Geschichten von 2,1 Millionen afghanischen Geflüchteten zu vertrauen, muss Herbert F. das aktuell am eigenen Leib erfahren. Womöglich ist es ihm gar nicht bewusst, aber allein seiner Ideologie geschuldet, kämpft er gemeinsam mit Rechtsextremen der ganzen Welt dafür, dass Menschen weiterhin im Mittelmeer ertrinken, erfreut sich an restriktiven Asylreformen und hetzt gegen all jene, die es trotz all der (staatlichen und gesetzlichen) Grenzen tatsächlich nach Europa geschafft haben.

Artikelbild: Trent Inness