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Spendengelder von Querdenker Schiffmann gesperrt: Jetzt Strafbestand Betrug erfüllt?

von | Aug 4, 2021 | Aktuelles

PayPal sperrt den Moneypool von Querdenker Schiffmann

Die Flutkatastrophe im Westen Deutschlands sorgte für viele politische Diskussionen, unter anderem über die Klimakrise, die derartige Unwetterkatastrophen häufiger werden lässt. Auch die im Niedergang befindliche Querdenken-Bewegung versuchte, aus dem Ereignis Kapital zu schlagen. Teilweise sogar buchstäblich. Man verbreitete wie üblich Fake News, verhöhnte die Opfer, inszenierte Hilfsaktionen – und sammelte Geld. Wir haben berichtet:

Querdenker instrumentalisieren Flut: Sie kassieren ab, verhöhnen Flutopfer & verbreiten Lügen

Besonders aktiv war wieder Verschwörungsideologe Bodo Schiffman; er rief zu einer PayPal-Spendenaktion PayPal auf. Dort sammelte er innerhalb kürzester Zeit 700.000€, hier ein Screenshot von einem Zwischenstand nach 6 Tagen:

Eine Spendensammlung für Flutopfer mag zwar erstmal löblich sein, doch bei dem professionellen Verschwörungsideologen war natürlich wie immer nicht alles sauber – und die Aktion diente offensichtlich allein der Profilierung und der Instrumentalisierung. Und bis heute – etwa drei Wochen später – sind nicht „100 %“ bei den Hochwasseropfern angekommen. Sondern gar nichts. Und das bleibt jetzt wohl auch erst einmal so, weil PayPal den privaten Moneypool von Schiffmann gesperrt habe. Dem Querdenker droht jetzt erst recht ein Verfahren wegen Spendenbetrugs.

Hintergrund: Spendenaufruf verpflichtet

Erstmal ist es wichtig zu wissen, dass man zwar „einfach so“ Spenden sammeln kann, es aber rechtliche Vorgaben gibt. Der Anwalt Chan-jo Jun hat es uns erklärt: „Eigentlich ist das Sammeln von Spenden sehr einfach, da man auf vorhandene und anerkannte Strukturen, wie Hilfsorganisationen oder Vereine zurückgreift. Schwierig wird es hingegen, wenn man einerseits die etablierten Strukturen aus Misstrauen umgehen will, andererseits aber den rechtlichen Anforderungen genügen muss.“ Wichtig ist, dass man genau das machen muss, was man beim Ausruf der Spenden angekündigt hat.

Hier hat sich Schiffmann das erste Problem eingebrockt. Er schrieb, das Geld würde zu „100 %“ an die Opfer gehen. Dadurch darf er kein Geld abzweigen für Spesen, Verwaltung oder Beratung. Jun weist ebenfalls darauf hin: „Noch wichtiger ist jedoch, dass das Geld nicht im Privatvermögen vereinnahmt werden darf, wo es Gefahr läuft, ausgegeben, vermischt oder gepfändet zu werden.“ Deswegen konnte Schiffmann es auch nicht 1:1 einer bestehenden Organisation geben, die einen Teil davon für interne Organisation verbraucht. Stattdessen hätte Schiffmann die Verteilung der Hilfsgüter vor Ort organisieren müssen. Das hat er zunächst auch versucht.

Keiner wollte das Geld von Querdenker:innen – wegen Erpressung?

Schiffmann hatte das zunächst mit Baumaschinen und Chemietoiletten versucht.

Er hat jedoch die Spenden an die unhaltbare Bedingung geknüpft, dass die empfangenden Organisationen ihre Fahrzeuge mit Querdenken-Werbung und illegalen Demonstrationsaufrufen pflastern müssten. „Entweder, wir kriegen jetzt Unternehmen und Bauleute, die kein Problem damit haben, dass sie mit Querdenker zusammenarbeiten. Und vielleicht ihre gesamte Baumaschine mit Querdenken plakatieren und mit einem Hinweis am 1.8. nach Berlin zu gehen. Und alle, die nicht dazu bereit sind, können es lassen“, erklärte er in einem Video auf Telegram.

Das wollte natürlich niemand mit sich machen lassen. Man lehnte es vor Ort „dankend ab“:

Jun erklärt, dass Schiffmann das Geld aber durchaus immer noch einfach hätte weiterleiten können: „Die Weiterleitung der Gelder an gemeinnützig anerkannte Vereine vor Ort mit entsprechenden Auflagen bei der Zuwendung wäre auch möglich gewesen, wurde aber erneut an die Bedingung einer Neugründung geknüpft. Selbst die Weiterleitung an Hilfsorganisationen wäre mit geringem Aufwand möglich gewesen.“ Warum der Querdenker das nicht gemacht hat, weiß er wohl nur selbst.

Weiter erklärte Schiffmann, sein Moneypool sei an die Bedingung geknüpft, die „Diskriminierung von Menschen die sich gegen eine Impfung oder das Tragen von Masken entscheiden“ zu beenden, was auch immer das heißen soll. Hierbei könnte es sich womöglich sogar um Erpressung handeln. Eine selbstlose Spendenaktion ist das nicht.

Schiffmann in juristischen Schwierigkeiten

Schiffmann blieb also erstmal weiter auf dem Geld sitzen – auch selbstverschuldet. Im folgenden Video beklagte er sich über „juristische Spitzfindigkeiten“, die ermüdend seien. Seine Fans warteten immer noch darauf, dass das Geld wie versprochen bei den Opfern ankommt. Schiffmann überlegte gar, das Geld wieder zurückzuzahlen.

Die Schuld suchte er überall, nur nicht bei sich selbst. Er beschuldigte sogar Anwalt Jun, der ihm sogar ernst gemeinte Ratschläge gab, auf unerklärliche Weise die Aktion allein durch das Hochladen seiner Videos zu behindern. In einem Video gab er völlig aus dem Nichts sogar uns vom Volksverpetzer die Schuld und wir hatten bis dato nicht einmal darüber berichtet. Aber genau so bösartig und unehrlich sind Verschwörungsideolog:innen nunmal.

https://twitter.com/FlugschuleE/status/1420041620381184005

Da Schiffmann also schon Wochen auf einer hohen Spendensumme saß, die „zu 100 %“ an Hochwasseropfer gehen sollte, aber noch immer auf seinem privaten Moneypool verweilte, gingen mehrere Anzeigen gegen ihn ein (Quelle). Uns liegt die Bestätigung der Staatsanwaltschaft Heidelberg vor, dass ein Verfahren wegen Betruges gegen Schiffmann eingeleitet worden ist.

Schiffmann versuchte es ein letztes Mal: Auszahlung an bis zu 3 Familien

Doch Schiffmann schickte das Geld immer noch nicht weiter. Zuletzt warf er mehrere umständliche Ideen in den Raum: So sollte extra ein Verein gegründet werden, dem er das Geld spenden wollte, oder lediglich zwei bis drei Familien würden das Geld erhalten. Beides hätte enorme Schwierigkeiten und Probleme mit sich gebracht. Anwalt Jun erklärte uns:

„Im Grundsatz ist es möglich, die eingegangenen Gelder schwerpunktartig zu verteilen. Die konkludente Erwartung am objektiven Empfängerhorizont erfordert jedoch, dass die Hilfen als Kompensation für erlittenen Schaden und nicht als bereichernde Belohnung gedacht waren. Würden jetzt zwei Familien jeweils 350.000,00 € erhalten, um sich ein neues Haus zu kaufen, wird man genau hinsehen, ob die Mittelverwendung vom ausgelobten Zweck gedeckt ist. Zusätzlich entsteht noch das Problem, dass die Opfer jenseits von 20.000,00 € Freibeträgen 30 % Schenkungssteuer bezahlen müssen, für die Herr Schiffmann mit haftet.“

Schiffmann stand also vor einem großen (selbstverschuldeten) Problem: Behält er das Geld ein, droht ihm eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren ohne Bewährung, sofern er nicht vorbestraft ist. Und nicht nur das. So Anwalt Jun:

„Große Spendensammlungen können die BaFin auf den Plan rufen. Wer für die Abwicklung einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb erfordert, braucht eine Genehmigung, um solche Finanzdienstleistungen abwickeln zu dürfen. Querdenker haben sich immer gesträubt, ihre Aktionen und Finanzen über gemeinnützige Körperschaften wie eingetragene Vereine oder Gesellschaften zu betreiben und lassen Spenden und Schenkungen über ihre privaten Konten laufen. Um dieses Thema kümmern sich die Finanzämter.“

Und Schiffmann hat es für sich sogar allein dadurch schlimmer gemacht, dass er die öffentlichen Ratschläge von Jun ablehnte. So kann er sich später in einem möglichen Verfahren nicht auf Unwissenheit berufen.

PayPal friert Moneypool ein

Die Zeit wird langsam knapp für Schiffmann: Wohl am Montag hat PayPal wegen unbekannten Gründen die Spendensammlung gesperrt.

Jetzt kann er es weder den Opfern zukommen lassen, noch zurückzahlen. Die möglichen Gründe für die Sperrung könnten sein, dass Schiffmann gegen die Bedingungen verstieß, oder viele Beschwerden eingingen. Auch eine Zweckentfremdung oder Gesetzesbruch könnten der Grund sein. Auch könnte die Staatsanwaltschaft involviert sein oder die BaFin. Die Verantwortung für das Geld liegt aber immer noch voll bei Schiffmann selbst, erklärt Jun hier in einem neuen Video:

YouTube player

Für den Querdenker wird es jetzt brenzlig: Irgendwie muss er sein 100%-Versprechen einhalten und die circa 700.000€ an Flutopfer zu kommen lassen – möglicherweise über Privatvermögen. Oder er muss mit möglichst allen Spender:innen eine Vereinbarung treffen. Ein Spender ist übrigens Jun selbst: „Ich hatte die Zahlung und das Schenkungsangebot mit der Auflage verbunden, bis zum 01.09.2021 vollständige Rechenschaft über die Mittelverwendung aus der gesamten Spendenaktion offen zu legen oder das Angebot durch Rückzahlung zurückzuweisen. Eine Rückzahlung ist bisher nicht erfolgt, sodass der Schenkungsvertrag unter Auflage wirksam geworden ist. Bis zur Fälligkeit des Auskunftsanspruchs ist noch Zeit.“

Aber durch das Sperren des Moneypools könnte jetzt wirklich der Strafbestand des Betrugs erfüllt sein. Wie es weitergeht, werden wir noch sehen. Die Umtriebe von Querdenken – und besonders das Missachten von allen Stimmen, die man nicht mag – könnten wieder einmal völlig nach hinten los gehen. Jun meint: „Die vollständige juristische Aufarbeitung von Querdenken wird uns vermutlich noch lange begleiten.“

Update:

Nach Sperrung: Querdenker setzen Kopfgeld auf PayPal-Beschäftigten aus

Artikelbild: Screenshots

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