Impfungen haben seit 2000 37 Millionen Leben gerettet
Seit Beginn der Pandemie ist das Thema Impfungen in aller Munde und stärker im globalen Bewusstsein verankert. Durch das Impfkonzept werden jedoch bereits seit Jahrzehnten viele schwerste, oft tödlich verlaufende Krankheiten bekämpft und in manchen Fällen sogar ausgerottet. Die Wirksamkeit von Impfungen ist tausendfach wissenschaftlich belegt und hat wahrscheinlich mehr Leben gerettet als jede andere medizinische Maßnahme (Quelle).
Vor allem in Ländern des globalen Südens gewinnen Impfungen seit mehreren Jahren stetig an Stellenwert, denn seit den 1980ern sind viele hundert Millionen Menschen auf der ganzen Welt geimpft worden und tödliche Krankheitsverläufe zurückgegangen. Nach der weltweiten Einführung der Masernimpfung etwa ist die Zahl der Erkrankungen drastisch gesunken. Noch 1980 starben der WHO zufolge rund 2,6 Millionen Menschen an der Viruskrankheit, 2016 waren es noch knapp 110.000 (Quelle).
Eine neue Studie, welche in The Lancet, eine der ältesten und renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften der Welt, publiziert wurde (Quelle), zeigt, dass Impfungen gegen insgesamt zehn wichtige Krankheiten seit der Jahrhundertwende den Tod von circa 37 Millionen Menschen in fast hundert Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMICs) verhindert haben. Bis 2030 könnte sich diese Zahl sogar verdoppeln, wenn die Impfbereitschaft hoch ist – denn aktuell zählt die WHO mangelnde Impfbereitschaft bereits zu den größten Gesundheitsrisiken der Welt (Quelle).
Impfungen können vielen kleinen Kindern das Leben retten
Ohne Zugang zu bestimmten Impfungen, die Menschen vor Krankheiten wie Masern, Rotavirus, HPV und Hepatitis B schützen, haben Kinder, die 2019 in Staaten mit mittlerem oder geringem Einkommen (LMICs) zur Welt gekommen und nicht geimpft sind, ein 45 Prozent höheres Risiko vor dem fünften Lebensjahr zu sterben als diejenigen, die eine Impfung erhalten haben, meinen Forscher:innen (Quelle).
Aber auch im Erwachsenenalter ist der Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften groß: Die Studie zeigt, dass Kinder, die 2019 in Ländern mit geringem oder mittlerem Einkommen geboren sind, im Laufe ihres Lebens eine 72 Prozent geringere Sterblichkeitsrate aufweisen werden, wenn sie gegen die zehn modellierten Krankheiten geimpft werden. Mit Impfraten über 95% würden sich Erkrankungen, bei denen der Mensch der Wirt ist, durch Unterbrechung der Übertragungskette (Herdenschutz) ausrotten lassen.
“Unsere Studie verdeutlicht den enormen Nutzen für die öffentliche Gesundheit, der durch Impfprogramme in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen erzielt werden kann”, sagt der Epidemiologe Neil Ferguson vom Imperial College London in Großbritannien.
Das neue Modell hat seine Grenzen
Das neue Modell hat seine Grenzen, vor allem, weil viele LMICs nicht über vollständige oder konsistente Daten zu Krankheitslast und Todesfällen verfügen. Dennoch ist es eine wertvolle Schätzung und die bisher größte Studie zu diesem Thema, die Impfprogramme gegen das Hepatitis-B-Virus, Influenza B, Gebärmutterhalskrebs, Japanische Enzephalitis, Masern, Meningitis, Streptokokken, Rotavirus, Röteln und Gelbfieber berücksichtigt.
Sechzehn voneinander unabhängige Forschungsgruppen lieferten modellbasierte Schätzungen der Krankheitslast unter einer Reihe von Impfschutzszenarien für zehn Krankheitserreger. Die Ergebnisse zeigen, dass im Laufe des Lebens der zwischen 2000 und 2030 Geborenen bis zu 120 Millionen Todesfälle durch Impfungen vermieden werden können, davon allein 96 Millionen durch den Masernimpfstoff und den Hepatitis-Impfstoff.
Diese Ergebnisse decken sich weitgehend mit früheren Schätzungen, wonach Impfstoffe seit 2001 das Leben von fast 20 Millionen Kindern in einigen der 73 ärmsten Länder der Welt gerettet haben. Kürzlich wurde festgestellt, dass allein der Masernimpfstoff seit Beginn des 21. Jahrhunderts mehr als 20 Millionen Todesfälle auf der Welt verhindert hat.
“Nach einer Schätzung, wie viel höher die Sterblichkeitsrate wäre, wenn es keine Impfprogramme gäbe, hat unsere Studie deutlich gemacht, wie entscheidend es ist, eine hohe Durchimpfungsrate aufrechtzuerhalten”, sagt Katy Gaythorpe, die am Imperial College London Public Health studiert.
Doch die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Impfstatus ist nur ein Teil der Aufgabe
Vor allem für einige der neueren Impfstoffe hat eine Ausweitung der Durchimpfungsrate Priorität. Wenn zum Beispiel genügend junge Menschen Zugang zu HPV-Impfprogrammen hätten, könnte Gebärmutterhalskrebs in den LMICs bis zum Ende des Jahrhunderts ausgerottet werden, glauben Expert:innen. Tatsächlich sagt das neue Modell voraus, dass die Erhöhung der HPV-Impfdichte bei Mädchen mehr Leben pro geimpfte Person retten würde als jede andere Impfmaßnahme. Impfprogramme zur Vorbeugung einiger Formen von Lungenentzündungen erwiesen sich ebenfalls als hochwirksam und könnten in ärmeren Ländern erfolgreich ausgeweitet werden. Die sogenannten PCV-Impfstoffe hatten den größten Einfluss auf den Rückgang der Pneumonie-Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren.
Sicher ist kritikwürdig, dass medizinische Produkte und Behandlungen marktwirtschaftlichen Interessen folgen und Pharmakonzerne privatisiert sind und profitmaximierend agieren sowie, dass Patente für Impfstoffe von ihren Herstellern nicht freigeben werden. Wenn es um Menschenleben geht, sollten Profitinteressen keine Rolle spielen. Dieses Problem sollte jedoch nicht die grundsätzliche Nützlichkeit und Wirksamkeit von Impfungen infrage stellen.
Impfungen dienen nicht nur dem Schutz der eigenen Gesundheit, sondern auch der der Gesellschaft. Manche Menschen können nämlich nicht geimpft werden, weil sie zum Beispiel zu alt, zu jung oder zu krank sind. Wenn jedoch mindestens 85 % einer Gemeinschaft geimpft sind, dann genießt auch der Rest der Gruppe den Impfschutz, da die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass die Krankheit überhaupt zu ihnen findet. Dies wird „Herdenschutz“ genannt, was Impfen zu einer solidarischen Angelegenheit macht. Die Studie zeigt: Impfprogramme funktionieren eindeutig. Jetzt muss nur noch dafür gesorgt werden, dass alle Menschen Zugang dazu haben.
Artikelbild: pixabay.com, CC0
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