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Umweltsau: Omas beleidigen geht nicht, aber Greta Thunberg schon?

von | Dez 29, 2019 | Aktuelles, Kommentar

Umweltsau ist für den WDR wohl schlimmer als Rassismus?

Der WDR hat nach nur einem Tag das Video mit der Liedzeile „Meine Oma ist ’ne alte Umweltsau“ aus der Mediathek gelöscht, um Entschuldigung gebeten und eine Sondersendung [1] gebracht, in der sich der „WDR 2“-Chef der Kritik aus dem Publikum stellt. Zuvor hat er schon erklärt, dass er “den Ärger und die verletzten Gefühle vieler Menschen nachvollziehen” [2] kann.

Wow.

Nun ist es ja lobenswert, wenn man transparent und souverän mit seinen Fehlern umgeht. Ein Geschmäckle bleibt allerdings, denn derart problembewusst ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht immer und nicht zu allen.

Beim MDR Sachsen zum Beispiel hielt man die Sendung “Darf man heute noch “Neger” sagen?” [3] für eine derart gute Idee, dass man gleich noch die ehemalige AfD-Vorsitzende Dr. Frauke Petry und das ZDF-Frontgesicht Peter Hahne als Interviewgäste einlud. Letzterer sollte wohl sein Buch mit dem Titel „Rettet das Zigeunerschnitzel“ [4] bewerben und Frauke Petry völkisch [5] zur Seite stehen.

Erst nach massiver Kritik wurde die Sendung in letzter Sekunde abgesagt.



Uwe Steimle, Dieter Nuhr

Derselbe MDR hielt trotz aller rassistischen, antisemitischen und fremdenfeindlichen Äußerungen an seinem Kabarettisten Uwe Steimle fest, weil der – kein Scherz – “beim Publikum beliebt” [6] war. Selbst als Steimle sich in einem schwarz-weiß-roten „Kraft durch Freunde“-T-Shirt ablichten lässt [7], stärkt der Sender ihm den Rücken und trennt sich erst von ihm, als Steimle den MDR selbst und seine Unabhängigkeit infrage stellt [8].

Und dann ist da noch Dieter Nuhr, der über mehrere Sendungen hinweg Greta Thunberg beleidigen und für den möglichen Ausbruch eines dritten Weltkrieges verantwortlich machen darf [9]. Auch hier stellt sich der Sender hinter seinen Kabarettisten, spricht von einem “hoch geschätzten Künstler” und sieht die Kritik an ihm als “öffentlichen Reflex” von Menschen, die das Konzept “Meinungsvielfalt” nicht verstanden haben [10].

“Neger”, “Kraft durch Freunde”, “Dritter Weltkrieg”. Nichts von alledem führte zu Brennpunkten, Sondersendungen oder gar persönlichen Einlassungen der Senderchefs.

Aber Omas beleidigen? Das geht nun wirklich nicht.

Doch nicht nur Omas stehen unter sakrosanktem Schutz, auch Menschen, die die öffentlich-rechtlichen Sender liebevoll als “Asylkritiker” [11] oder als “besorgte Bürger” [12] bezeichnen, haben einen besonders kurzen Draht in die Chefredaktion.

Auf Einladung der AfD machen beispielsweise die Chefredakteure von ARD und ZDF derselbigen ihre Aufwartung und erzählen auf einer AfD-Veranstaltung öffentlich und in aller Prominenz, dass ja “nicht jeder bei Pegida ein Nazi” sei, dass auch die “AfD Anspruch auf eine faire Berichterstattung habe”, dass man ja immer “beide Seiten hören” müsse [13].

Alles richtig und doch so falsch.

Wo war die Buße, die Reue, der Gang nach Canossa, als – auch öffentlich-rechtliche Medien – jahrelang den Rechtsextremismus unterschätzt und journalistisch insolvent von “Soko Bosporus“ und “Dönermorden” berichtet haben? Wann waren Intendanten und Chefredakteure beim ISD Bund e.V. Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, bei der türkischen Gemeinde, bei Migrantenverbänden, um für Verständnis zu werben oder wenigstens einfach nur zuzuhören?

Wie kommt eine Führungskraft des ZDF konsequenzlos auf die Idee ein Buch über “Zigeunerschnitzel” zu schreiben? Welcher Hirnamputierte kam beim MDR auf die Idee, eine Sendung über “Neger” zu machen? Und warum hat selbst das Tragen eines Nazi-T-Shirts keine Folgen für die Karriere im öffentlichen Rundfunk?

Während die Chefredakteure von ARD und ZDF mit der AfD Bier trinken und Selfies machen [14], erhält Georg Restle eine Morddrohung [15], erhält Dunja Hayali eine Morddrohung [16], erhalten WDR-Journalisten weißes Pulver zugeschickt [17]. Alles Journalisten des öffentlichen Rundfunks, alle aktiv im Kampf gegen Nazis.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll in seinen Angeboten die „demokratischen Bedürfnisse unserer Gesellschaft erfüllen“, den „gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern“, “die Würde des Menschen achten und schützen” und “die Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit, vor Glauben und Meinungen anderer stärken”. So steht es zumindest im Rundfunkstaatsvertrag [18].

Und damit sind nicht nur Omas gemeint.

Im Fall der großmütterlichen Umweltsau kann man verstehen, dass die Senderchefs nicht ausgerechnet ihre Hauptklientel vergraulen wollen, wenn das Durchschnittsalter ihrer ZuschauerInnen zwischen zwischen 60 und 64 Jahren [19] stagniert. Aber immer nur dann auf Kritik einzugehen, Verständnis zu zeigen und das Gespräch zur Bevölkerung zu suchen, wenn es eine ganz bestimmte, vom Sender auserkorene Zielgruppe betrifft, ist falsch, bedauerlich und gefährlich.

Denn auch ich, weder Oma noch AfD-Wähler, weder Trümmerfrau noch Umweltsau, zahle Rundfunkgebühren. Und ich zahle Sie gerne.

Noch.

Original-Beitrag auf Facebook, Artikelbild: Screenshot WDR2