19.010

Eingeständnis: Selbsterklärte Partei „Widerstand2020“ hat nur 50 Mitglieder

von | Mai 23, 2020 | Aktuelles, Bericht, Corona

Massive Täuschung der Verschwörungspartei?

Vor zwei Wochen veröffentlichten wir bereits eine Analyse über die selbsternannte Partei „Widerstand2020“. Darin untersuchten wir die fehlenden wissenschaftlichen Erklärungen für viele Corona-Verharmlosungen durch Partei-Gründer Dr. Bodo Schiffmann sowie die dubiosen Hintergründe über die angeblich so hohen Mitgliederzahlen. Nach Parteienrecht ist Widerstand2020 wohl (noch) keine Partei, denn eine Partei im Sinne des Parteigesetzes braucht ein Mindestmaß an politischem Programm – das bisher nicht existiert. Der Bundeswahlleiter hatte (Stand 5. Mai) auch noch keine eingereichten Unterlagen zu der selbsterklärten Partei erhalten.

Die „Partei“ will laut Satzung nur anonyme Spenden annehmen. Und das ist höchst problematisch, da Spenden über 500€ nicht anonym getätigt werden dürfen (mehr dazu). Die Partei will demnach nur Spenden bis 200€ annehmen (Quelle). Link:

Widerstand2020 – Verschwörungstheoretiker vereinen sich zu selbsternannter Partei

Die Pseudo-Partei, gegründet von dem Sinsheimer Schwindel-Arzt Bodo Schiffmann, verbreitet massiv Fake News und Verschwörungsmythen über die Corona-Krise. In einem Video, welches mittlerweile über 200.000 Aufrufen hat, redet er über „geringe Sterberaten“ von COVID19, angeblicher „aktiver Sterbehilfe“ bei über 80-Jährigen und einer „Massenpanik, die […] Menschen wie Prof. Drosten“ verursachen würde. Seiner Darstellung nach führe erst die Berichterstattung über das Coronavirus zu einer Massenpanik und damit zur Überlastung unserer Krankenhäuser. Nur dadurch und nicht durch das Virus selbst käme es demnach zu mehr Toten (vgl. Video Minute 2:30 – 8:00).

Die Ausführungen des Experten für Schwindel-Anfälle sind nicht alle grundsätzlich falsch, jedoch beinhalten sie Übertreibungen, gefährliche alternative Denkansätze und irreführende Vergleiche. Einige Aspekte der Ausführungen basieren sogar auf Verschwörungsmythen. Es ist eine gefährliche Mischung aus Tatsachen mit Auslassungen und Falschbehauptungen. Ein Vergleich mit der Grippe ist in vielerlei Hinsicht falsch und vielfach widerlegt (Quelle, Quelle, Quelle). Hier ein Faktencheck der falschen Behauptungen des Schwindel-Experten (Quelle).

Unterwandert durch Rechtsextreme?

Schnell nach Gründung fiel vielen auf, dass die selbsterklärte Partei „Widerstand2020“ die gleiche Adresse im Impressum aufweist wie die der AfD Niedersachsen.

Dies ist wahrscheinlich jedoch nur Zufall. Unter dieser Adresse werden wohl einfach preiswerte Büros vermietet (Quelle). Unter der gleichen Adresse findet man auch zum Beispiel eine Lasertag-Halle (Quelle). Das muss nicht heißen, dass Widerstand2020 von Lasertag-Spieler*innen gegründet wurde. Anfragen an die AfD Niedersachsen dazu bleiben jedoch unbeantwortet (Quelle). „Widerstand2020“ scheint kein rechtsextremes U-Boot zu sein. Rechtsextremes Denken sowie eine fehlende Abgrenzung zum Rechtsextremismus scheint jedoch in besorgniserregender Weise gegeben zu sein:

Es sieht jedoch so aus, als gäbe es bei Widerstand 2020 ideologisch wenig Berührungsängste zu Rechtspopulismus und -extremismus. Schiffmann scheint auch keine Probleme darin zu sehen, dem Rechtsextremisten Martin Sellner ein Interview zu geben, der unter anderem eine Spende von dem Christchurch-Attentäter erhalten hatte (Quelle). Seine Gruppierung wird in Deutschland vom Verfassungsschutz überwacht. Auch Co-Parteigründerin Victoria Hamm, die inzwischen bereits wieder zurückgetreten ist (Quelle), äußerte auf ihrem Profil Sympathien für den rechtspopulistischen österreichischen Politiker Herbert Kickl, der bereits bei rechtsextremen Kongressen auftrat (Quelle).

Auf ihrem Profil teilte sie anscheinend darüber hinaus verschwörungsideologische Beiträge über 9/11, die NWO, die antisemitische Verschwörungstheorie über George Soros und rechtsextreme Mythen über „Asyl-Invasoren“.

Ein enger Vertrauter einer der Parteigründer*innen soll auch Sympathien für Neonazis haben:

Bereits bei den Parteigründer*innen und ihrem Umfeld fanden sich Sympathien für Rechtsextremist*innen und fehlende Abgrenzung von ihnen, aber auch Links zu problematischen, verschwörungstheoretischen Webseiten und der Video-Plattform „Klagemauer TV“ des Schweizer Sekten-Predigers Ivo Sasek (Quelle).

Ist Widerstand2020 eine AfD 2.o?

Widerstand2020 ist anscheinend eher Konkurrenz zur AfD insoweit, als sie in den gleichen „alternativen“ Realitäten und Netzwerken voller Verschwörungsmythen und Fake News fischen. In dieser Noch-Nicht-Partei sammelt sich jetzt alles, was parteiübergreifend gegen die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie ist und anfällig für verschwörungsideologisches Denken. Sie bedienen ähnlich populistische Muster wie die AfD und verbreiten auch rechtspopulistische und antisemitische Fake News. Wie eine Forderung nach einer ‚wahrhaftigen Demokratie‘ und die Behauptung, dass das „Volk“ angeblich unterdrückt werde und man – wie der Name schon sagt – Widerstand leisten müsse.

Corona-Querfront: Einige deiner Freunde könnten demnächst Nazis werden

Diese neue Corona-Querfront wildert aber Sympathien im gleichen Milieu wie die AfD, wie wir bereits in der Vergangenheit analysiert haben. Die Verunsicherung und Unentschlossenheit der AfD, am Anfang der Pandemie vernünftige Politik zu machen oder doch zu realitätsferner Fundamentalopposition zu wechseln wie die bisherigen Jahre schon, hat dort ein Vakuum hinterlassen. Verschwörungsideolog*innen können per Definition nicht anders, als gegen alles zu sein, was die Mehrheit für richtig hält oder auch nur annähernd dem Kurs der Regierung entspricht.

Deshalb gab es einen Bruch der alternativen Verschwörungsfilterblase mit der AfD, die zumindest teilweise versucht hat, ausnahmsweise während Corona vernünftige Politik zu machen. Sie steht vor der Wahl, entweder bürgerliche Politik zu machen, sich von den Rechtsextremist*innen zu trennen und quasi bedeutungslos zu werden oder wieder ganz auf die Verschwörungsideologie umzuschwenken und sich weiter für alle normalen Wähler*innen unwählbar zu machen.

Zusammenarbeit?

Zwar hat sich Mitgründer Dr. Bodo Schiffmann für Migration ausgesprochen („Wenn wir alle Einwohner von Afrika in ein Bundesland von uns setzen würden, hätten wir anschließend noch Platz.“), die Facebook-Seite von Widerstand2020 hat sich davon jedoch schnell wieder distanziert, da diese Aussage bei ihrem Klientel wohl nicht so gut ankam. Was das über ihr Klientel aussagt, darf jede*r für sich beantworten.

Die AfD hat auch geäußert, sie könne sich außerparlamentarische Zusammenarbeit mit Widerstand2020 vorstellen (Quelle). Expert*innen sind jedoch der Ansicht, dass diese Noch-Nicht-Partei wahrscheinlich nur kurz existieren wird, bis die Corona-Maßnahmen wieder weiter zurückgenommen werden. In Sachsen wurde von zwei Politikern, die jeweils zuvor der AfD und den Republikanern angehört hatten, auch ein Landesverband für Widerstand2020 angestoßen (Quelle).

Täuschung über Mitgliederzahlen?

Bereits ganz am Anfang waren die tatsächlichen Mitgliederzahlen von „Widerstand2020“ höchst zweifelhaft. Es stellte sich nämlich schnell heraus, dass man bereits als „angemeldetes Mitglied“ zählt, wenn man einfach nur ihre Website besucht.

Screenshot Stand 5.5.

Auch scheint nicht überprüft zu werden, wer sich als Parteimitglied registriert: Ein AfD-Politiker aus Baden-Württemberg hat seinen Hahn erfolgreich als Parteimitglied registriert (Quelle). Widerstand2020 erklärte, dass es sich tatsächlich um ihre Mitgliederzahl handeln solle. Die Partei gab an, dass die Anmeldungen noch verifiziert werden müssten, man schätze aber die Fake-Anmeldungen auf lediglich 10%. Kritiker*innen gingen eher von 95% aus (Quelle).

Wie Schiffmann vor wenigen Tagen in einem Zoom-Interview erklärte, hatte die Zahl jedoch wirklich nichts mit der Realität zu tun: Es sei „nicht möglich, mit diesen Daten sauber zu arbeiten“ und man habe „Fehler gemacht“. Die Online-Anmeldungen/Seiten-Besuche könnten vollständig nicht gebraucht werden, weil es komplett nicht bestätigte Anmeldungen seien. Letztlich bleiben „dreißig bis fünfzig“ tatsächliche Anmeldungen und damit tatsächlichen Mitglieder übrig. Die Partei scheint demnach also weder ein Programm, noch viele Mitglieder zu haben – hingegen bereits jetzt Probleme mit der Abgrenzung zum Rechtsextremismus.

Expert*innen sagen über die Gruppierung, sie sei ein „diffuses Sammelbecken: Wissenschaftsfeinde treffen auf Verschwörungstheoretiker, Rechtspopulisten und linksesoterische Impfgegner.“ Soziologe Matthias Quent legt ihnen unmissverständliche Distanzierungen und den Ausschluss von Personen und Gruppen nahe, die antisemitische und rechtsextreme Positionen, Medien und Quellen verbreiteten (Quelle).

Zum Thema (Link):

Impfgegner, die sich mit Juden vergleichen: Ihr seid widerliche Holocaust-Relativierer!



Artikelbild: Screenshot twitter.com