Abifete statt Klimademo: Alter Fake
Gastbeitrag von Clara Hoheisel
Auf den Fotos des Twitter-Posts ist eine Grünfläche mit angrenzendem Teich zu erkennen. Beides ist komplett vermüllt: Flaschen im Teich, Plastikbecher auf dem Rasen − angeblich die Überreste einer Fridays For Future-Demonstration. Doch: Die Bilder den Müll einer Abiturfeier im Frühjahr 2019. Die Party fand auf der „Ziegelwiese“ statt, einem Park im westlichen Teil der Stadt Halle (Saale). Nicht nur ist es eine dreiste, billige Lüge, um Klimaaktivismus schlecht zu reden, es ist auch völlig unoriginell: Der Fake ist bereits drei Jahre alt und kursierte damals bereits. Viele, die gegen Fridays For Future sind, wollen es trotzdem glauben und fallen naiv darauf herein.
Zwei der drei Fotos des ominösen Twitter-Posts stammen von der Website „Du bist Halle“. Im zugehörigen Beitrag, datiert auf den 06. April 2019, wurde die Stadt über die Aufräumarbeiten informiert. Es ist der exakt gleiche, dreiste Fake, der bereits vor fast genau drei Jahren gegen die Klimaaktivist:innen gestreut wurde:
Fake ist bereits 3 Jahre alt
Bereits 2019 kursierten Posts auf Twitter und Facebook, die Fridays For Future-Demonstrierende mit den Fotos des verschmutzen Parks als Klimaverschmutzer diskreditierten. Zwar hatte es im April 2019 tatsächlich eine #FFF-Klimademonstration in Halle (Saale) gegen. Diese fand jedoch später statt. Erst eine Woche, nachdem der Artikel über die Aufräumarbeiten bei „Du bist Halle“ veröffentlicht worden war (Quelle).
In der Meldung von „Du bist Halle“ wird explizit betont, dass die Verschmutzung 2019 viel geringer ausgefallen wäre, als in den Jahren zuvor. Möglicherweise könnte dies mit den neu installierten Mülltonnen im Park zusammen hängen, heißt es weiter. Demzufolge waren auch die von den Stadtwerken beauftragten Reinigungsmitarbeiter des GHS schnell vorangekommen: Sie benötigten nur eine halbe Stunde, um den gesamte Rasen um die Fontäne herum zu säubern (Quelle).
Hallenser Schüler*innen als Wiener #FFF-Demonstrierende
Die Fotos des Abfalls der feiernden Jugendlichen verbreiten sich nicht nur in Deutschland. So berichteten auch österreichische Medien Ende März 2022 von Postings mit ebendiesen Bildern. Eine Wienerin beschwerte sich beispielsweise über die angebliche Verschmutzung nach einer Klimademonstration im Stadtpark. Tatsächlich verlief die Route des Fridays For Future-Protestzugs in Wien aber gar nicht durch diese Grünfläche. Auch FPÖ-Politiker:innen verbreiten derartige Posts ungehemmt auf ihren Social Media Kanälen (Quelle).
Fridays For Future-Demos: So emissionsarm wie möglich
Beispiele für Fotos, die in den falschen Kontext gesetzt werden, existieren viele. So berichtete wir 2019 über eine ähnliche Begebenheit: Damals wurden Fotos der Vermüllung nach der Zurich Street Parade als #FFF-Demonstration in Köln ausgegeben.
Wir bearbeiteten die Fakes satirisch so:
Skandal! FridaysForFuture-Schüler vermüllen Augsburger Innenstadt!
Die Kritik an Fridays For Future ist keineswegs berechtigt. Viele der Organisator:innen machen sich im Vorfeld Gedanken über die Abfallentsorgung während der Kundgebungen. So werden die Teilnehmenden explizit gebeten, sämtlichen Müll wieder mitzunehmen. Außerdem schieben die Jugendlichen die Wagen selbst − immer mit dem Ziel, Emissionen zu vermeiden.
Ein unverschämtes Ablenkungsmanöver
Derart bewusste Fälschungen betreffen nicht nur Fridays For Future. So sind unter anderem Fälle zum Thema Geflüchtete bekannt, in denen Sachverhalte in einen anderen Kontext gesetzt, aus dem Zusammenhang gerissen oder ganz neu erfunden wurden. All diese Beispiele haben eins gemeinsam − abgesehen davon, dass die Anschuldigungen gelogen sind, handelt es sich um eine Form von „argumentum ad hominem“: Anstatt die Berechtigung der Proteste zu kritisieren, wird den Jugendlichen einfach Heuchelei vorgeworfen. Obwohl Umweltverschmutzung und Klimaschutz nicht einmal das gleiche sind. Man muss nicht mehr die Existenz der Klimakrise widerlegen, wenn man behaupten kann, die Protestierenden würden es nicht ernst meinen. Eine billige, unehrliche Strategie, auch ohne die drei Jahre alte Lüge.
Aus dem Kontext gerissene Inhalte haben Macht, sie können effektiv Menschen und deren Meinungen diskreditieren. Deshalb ist es unumgänglich, Postings zu hinterfragen! Mitunter kann schon eine einfache Bilderrückwärtssuche Licht ins Dunkel bringen.
Text: Clarar Hoheisel. Artikelbild: Screenshots
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