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Wie Klimawandelleugner ihre Desinformation in die Wissenschaft schleusen

von | Mai 11, 2023 | Analyse

Behauptungen von Klimawandelleugner:innen kursieren seit Jahrzehnten, gespickt mit Lügen und Fake News. Auch mit Taktiken der Desinformation wird häufig gearbeitet. So verdrehen sie beispielsweise Aussagen seriöser Studien und reißen sie völlig aus dem Kontext. Das passiert nicht immer nur aus „Dummheit“ oder Naivität. In vielen Fällen ist das Ziel auch ein ganz anderes. Sie wollen die Öffentlichkeit über das Ausmaß der Klimakrise belügen, damit ihre Geldgeber aus der fossilen Industrie länger Profit mit der Zerstörung unseres Planeten machen können.

Häufig setzen Klimawandelleugner:innen nun aber auf ein wissenschaftlicheres Gewand – und machen wissenschaftliche Fachzeitschriften zu ihrem Spielball. Denn wenn ich in einer renommierten Fachzeitschrift mit Peer-Review-Verfahren etwas vom ganz natürlichen Wandel des Klimas lese, dann kann es doch nicht falsch sein, oder? Oh doch. Nicht umsonst schlagen Forschende aktuell Alarm, hinterfragen gängige Peer-Review-Verfahren und kritisieren Fachzeitschriften, die sich für Veröffentlichungen bezahlen lassen. Veröffentlichungen von Klimawandelleugner-Desinformation.

So schaffen es Klimawandelleugner in Fachzeitschriften

Die Herangehensweise ist dabei immer dieselbe. Vermeintliche Wissenschaftler:innen wollen den menschengemachten Klimawandel und dessen Auswirkungen widerlegen und den Stand der Wissenschaft leugnen. Häufig sind diese gar nicht auf Klima spezialisiert. Besonders auffällig: Oft kommen sie aus Branchen, die von den Klimaschutzmaßnahmen betroffen sind. So beispielsweise Chemiker Fritz Vahrenholt, ehemaliger RWE-Manager. Der verweist auch gern mal auf Studien, deren Inhalt er offenbar ganz und gar nicht verstanden hat. Wir berichteten bereits über den Klimawandelleugner Vahrenholt:

Derzeit glänzt Vahrenholt, wie AFP berichtet, als Mit-Autor einer Studie, die im November 2022 in der Fachzeitschrift Journal of South American Earth Sciences erschien. Diese Studie ist offenbar genau so ein Fall von Desinformation in eigentlich seriösen Fachzeitschriften. Für die Veröffentlichung wurde vermutlich bezahlt (das ist gängiges Verfahren), aber ihr Inhalt sei alles andere als vertrauenswürdig.

Mit der Studie versuchen die Autoren Vahrenholt und Sebastian Lüning, wie Vahrenholt ebenfalls ehemaliger RWE-Manager, ein Paper von Wissenschaftler:innen der Oxford-University aus der Fachzeitschrift Nature Geoscience zu widerlegen. Dieses kam nämlich zu dem Schluss, dass der menschengemachte Klimawandel und die einhergehende Erwärmung für die Schmelze eines peruanischen Gletschers verantwortlich sind. Das machen sie offensichtlich nicht nur, weil sie den wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel leugnen wollen. Nein, es wird noch schlimmer.

EX-RWE-Manager tun ihrem Konzern Gefallen – unter Deckmantel der Wissenschaft

Tatsächlich ist genau diese Studie nämlich wichtiger Bestandteil der Klage eines peruanischen Landwirts gegen den deutschen Energieversorgungskonzern RWE. Ja, genau der Konzern, mit dem Vahrenholt und Lüning eine gemeinsame Vergangenheit haben. Und jetzt versuchen sie, die wissenschaftliche Faktenlage zu manipulieren, weil sie den Konzerninteressen im Weg steht? Ausgerechnet zwei ehemalige RWE-Manager entschließen sich also, die Studie von Forschenden der Oxford-University anzufechten, die im Gerichtsverfahren gegen die RWE als Beweisstück herangezogen wird. Zufall?

Das Journal of South American Earth Sciences, das Vahrenholts und Lünings Paper veröffentlicht, hatte zwar kurzzeitig diese Verbindung der Autoren zum RWE angemerkt, ließ es dann aber, wurde AFP mitgeteilt. Und nicht nur das: Die Redakteure der Zeitschrift waren zunächst unsicher, ob sie die Studie tatsächlich veröffentlichen sollen, hätten sich dann aber dafür entschieden, weil sie die Antwort der Autoren auf Ungereimtheiten zufriedenstellte.

Klimawandelleugner lassen Fakten weg und wiederholen immer gleiche, widerlegte Argumente

Es ist wohl nicht weiter verwunderlich, dass aus verschiedenen Richtungen vehemente Kritik an der Veröffentlichung der Studie laut wird. Schließlich sind Vahrenholt und Lüning nicht nur durch ihre RWE-Verbindung bekannt, auch als prominente Klimaskeptiker haben sie sich in den letzten Jahren einen Namen gemacht. Sie haben zum Beispiel ein Buch veröffentlicht, das buchstäblich im Titel „Warum die Klimakatastrophe nicht stattfindet“ im Namen hat. Autoren, deren Arbeiten in der genannten Studie zitiert wurden, melden sich zu Wort und weisen auf eine falsche Auslegung hin.

Ein zitierter Forschender hält die Arbeit laut AFP für „fehlgeleitet“ und hinterfragt die Entscheidung für die Veröffentlichung. Er wies darauf hin, dass durch die Klimawandelleugner seine Daten falsch dargestellt und Elemente weggelassen wurden. Eine typische Strategie. Ein weiterer sagt zu AFP, die Studie sei „voller Fehlinformationen, falscher Charakterisierungen und Voreingenommenheit“.

„Sie führen das immergleiche widerlegte Argument an: Da es im Mittelalter warm war, sei die jüngste Erwärmung nicht alarmierend. Der Großteil der Paläoklima-Community hat erkannt, dass die Gruppen, die versuchen, diesen Irrtum zu verbreiten, nicht mit soliden wissenschaftlichen Daten konkurrieren können.“

In anderen Fällen „werden die Klimaleugner sehr raffiniert. Sie fügen ihrer Studie eine Geschichte bei, die eigentlich nichts damit zu tun hat, damit sie später darauf verweisen können. Als Redakteur einiger Zeitschriften habe ich das schon mehrmals erlebt. Das ist sehr ärgerlich.“

PEER-REVIEW-VERFAHREN IN DER KRITIK

Tatsächlich musste die Studie von Lüning und Vahrenholt ein Peer-Review-Verfahren durchlaufen – das, wie bereits erwähnt, Zweifel im Redaktionsteam weckte. Doch auch Peer-Review-Verfahren lassen laut Expert:innen manchmal zu wünschen übrig, insbesondere dann, wenn die Fachzeitschriften sich für die Veröffentlichungen von Autor:innen bezahlen lassen, also letztlich von einem positiven Entscheid profitieren.

Gerade wenn ein Journal in kurzen Zeitabständen viel publiziert (wie bei sogenannten Megajournals der Fall), kann das Zweifel an der Präzision des Peer-Review-Verfahrens wecken. Dann bleibt Gutachter:innen unter Umständen zu wenig Zeit, Studien ordentlich zu prüfen. Auch sind diese Expert:innen teils nur für die Begutachtung bestimmter Inhalte einer Studie qualifiziert. Brian Nosek vom Center for Open Science gibt gegenüber AFP zu bedenken, dass eine solche Person kritische Details außerhalb ihres Fachgebiets womöglich übersieht. Auch Desinformation von Klimawandelleugner:innen kann sich so einschleichen.

Desinformation der Klimawandelleugner kursiert trotz Widerlegung jahrelang

Der Fall um Vahrenholts und Lünings Studie ist bei Weitem nicht der einzige, bei dem sich Desinformationen und falsch ausgelegte Daten in vermeintlich vertrauenswürdige Fachzeitschriften geschlichen haben. Die AFP zeigt in ihrem ausführlichen Faktencheck gleich mehrere Beispiele, bei denen eben solche Studien in Fachzeitschriften bestehen durften – trotz Kritik. Demnach kommen solche Fälle insbesondere auch in Zeitschriften vor, die gar nicht auf Klimaforschung spezialisiert sind. Die Gutachter:innen, die in solchen Fällen zum Peer-Review-Verfahren herangezogen werden, sind häufig gar nicht qualifiziert, über die Eignung der Studien zu entscheiden.

Und gerade das nutzen Menschen aus, die gezielt Desinformationen zum Klimawandel streuen möchten. Tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass in den letzten Jahrzehnten immer häufiger Studien zurückgerufen werden mussten – vorwiegend solche zu Themen, die wissenschaftlich und gesellschaftlich kontrovers diskutiert werden. Zu solchen Rückrufen kommt es häufig wegen fehlinterpretierten oder manipulierten Daten. Diese finden sich trotz Rückruf teils noch Jahre später in weiterführenden Metaanalysen wieder. Fake News in die Welt zu setzen ist eben um ein Vielfaches leichter, als sie im Nachhinein zu korrigieren.

Klimawandelleugner machen sich das Vertrauen in die Wissenschaft zunutze

Auch in die Köpfe vieler Menschen nisten sich solche Fehlinformationen häufig nachhaltig ein. So ziehen sich Klimaskeptiker:innen ganz bewusst eine Gefolgschaft Desinformierter heran. Davor ist nun wohl auch die Wissenschaft nicht weiter gefeit. Klimawandelleugner:innen haben offenbar erkannt, dass sie mit offensichtlicher Fehlinformation nicht allzu weit kommen. Also haben sie die Strategie geändert, wie wir sehen.

Anstatt mit der Verbreitung von Desinformation aufzuhören, schleusen sie sich in etablierte Fachzeitschriften ein und versuchen, die Wissenschaft auf diese Art zu manipulieren. Denn Studien in Fachzeitschriften erwecken zumindest den Eindruck, als sei ihnen eine gründliche Recherche vorangegangen, als seien sie von qualifizierten Forschenden verfasst und damit vertrauenswürdig. Umso gefährlicher sind die Auswirkungen klimafeindlicher Manipulationsversuche.

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