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Veranstalter der Berlin-Demos: Ist „Querdenken“ verfassungsfeindlich?

von | Sep 4, 2020 | Corona, Hintergrund

Ist Michael Ballwegs Organisation „Querdenken“ verfassungsfeindlich?

Wieder einmal ging ein Aufschrei durch die Republik, nachdem die Pandemie-Leugner:innen Seite an Seite mit Nazis in unserer Hauptstadt aufmarschiert sind. Ein Name wird in Zuge der Demo in Berlin nun immer öfter in der Öffentlichkeit genant: Michael Ballweg, der IT-Unternehmer, Oberbürgermeister-Kandidat für Stuttgart (Quelle), Kopf hinter „Querdenken 711“ und Anmelder beider Berliner Demos vom 01.08 und 29.08.

Nachdem zuhauf über den versuchten „Sturm“ auf den Bundestag von Rechtsextremisten berichtet und diskutiert wurde, und klar ist, was diese von unserer Verfassung halten, geistert aber auch ein andere Frage umher: Was will die Organisation von Michael Ballweg, „Querdenken 711“, eigentlich? Eine Richtung gibt der Tagesspiegel mit folgender Headline vor:

Screenshot Tagesspiegel (Quelle)

Ballweg ein Verfassungsfeind? Hier seine Aussagen zum selbst beurteilen:

Was sind die Pläne Michael Ballwegs und seiner Bewegung „Querdenken 711“? (711 steht übrigens für die Telefonvorwahl von Stuttgart, da die Organisation dort ihren Ursprung hat und dort die ersten Corona Demos organisiert hat.) Schauen wir uns doch mal an, was Herr Ballweg selbst in seiner Eröffnungsrede vom 29.08. so erzählt. Abgesehen davon, dass er forderte, dass sämtliche Corona-Maßnahmen der Regierung zurückgenommen werden, die Regierung abdanken solle und der Berliner Bürgermeister Müller, sowie der Innensenator Geisel, zurücktreten sollen:

Screenshot Youtube Video „Michael Ballweg | Eröffnungsrede | Demo 29.08.20 | #Berlin“

Hier der Auszug aus seiner Eröffnungsrede:

„Es gibt im Grundgesetz einen wichtigen Artikel, der bezeichnender weise auch der letzte Artikel im Grundgesetz ist. Es ist Artikel 146 „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ Deshalb starten wir heute damit uns eine eigene Verfassung zu geben, die diese Schwächen behebt und die Macht an uns die Menschen zurückgibt.

Die Verfassung soll sich der Souverän geben und nicht der Bundestag oder Bundesrat. Ich habe das noch nie gemacht, ich habe in den letzten Wochen gelernt, dass meine Stärke darin liegt, Menschen zu vereinen. Deshalb bin ich frohen Mutes, dass wir das gemeinsam hinbekommen. Ihr steht heute hier, weil ihr euch nicht mehr sagen lassen wollt, wie ihr zu leben und zu denken habt. Und wir sind die verfassungsgebende Versammlung. Ich rufe alle Menschen bundesweit auf nach Berlin zu kommen und gemeinsam mit uns an einer neuen Verfassung zu arbeiten.

Er persönlich erklärt also ganz offen, dass er unsere Verfassung abschaffen und ersetzen will. Hier Aufnahmen der Rede, die ich vor Ort aufgenommen habe und die über mehrere Lautsprecher auf der Straße des 17.Juni übertragen wurde. Solche Reden und Andeutungen zur Ausgestaltung einer neuen Verfassung hörte man von mehreren Redner:innen an diesem Tag. (Man beachte auch die Reaktion der Menge auf seine Rede):

Keine „Kritik“ an Maßnahmen – Sturz der Regierung & neue Verfassung

War das schon die ganze Zeit der Plan dieser Bewegung? Wer dachte, bei „Querdenken“ ginge es darum, die Regierung wegen ihrer Reaktionen auf die Pandemie (scharf) zu kritisieren, dem sei gesagt: Es geht laut eigenen Aussagen in Wahrheit wohl eher darum, eine neue Verfassung für Deutschland „auszuarbeiten“. Auf ihrer eigenen Seite haben sie auch ein „Manifest“ veröffentlicht:

Ging es nicht eigentlich mal um Corona-Maßnahmen?

Da steht eigentlich nirgendwo, dass man eine neue Verfassung ausarbeiten will. Aber nicht nur das: Der Pressesprecher von „Querdenken“ meinte ja auch, unser Grundgesetz wäre immer noch ein „Besatzungsrecht“ (Quelle). Das ist wohl als Anspielung an den rechtsextremen Reichsbürger-Mythos zu verstehen, der besagt, dass Deutschland seit Ende des zweiten Weltkrieges immer noch ein von den USA und Russland besetztes Land sei.

Deshalb wird in diesem Kontext auch oft von der Souveränität Deutschlands gesprochen und Verschwörungsideologen und Reichsbürger skandierten deshalb vor der US-amerikanischen und russischen Botschaft, dass sie einen „Friedensvertrag“ haben wollen. Weil sie glauben, es gibt noch keinen (Gibt es aber seit 30 Jahren). Das ist genau die gleiche rechtsextreme Verschwörungstheorie, wie sie die Rechtsextremen geglaubt haben, die den Reichstag „stürmen“ wollten, aber genau so äußert sich auch der Pressesprecher von „Querdenken“, Stephan Bergmann (Quelle):

„Dafür kündigt ihr Pressesprecher etwas Großes an, das die Bundesrepublik radikaler verändern würde als die Erstürmung eines Gebäudes: In den kommenden zwei Wochen wolle man eine eigene Verfassung ausarbeiten.

Ziel sei es, das deutsche Grundgesetz zu ersetzen. Dieses solle künftig nicht mehr gelten, es sei lediglich „Besatzungsrecht“.“

Meine Meinung dazu: Wer unser Grundgesetz, durch eine neue Verfassung ersetzen will, ist buchstäblich ein Feind unserer Verfassung. Hallo, wach, Verfassungsschutz?

https://www.instagram.com/p/CEo1urYKX4Q/

Zum Pressesprecher von Querdenken später mehr. Schauen wir mal, wie Ballweg versucht, sich in der Öffentlichkeit von Rechtsextremisten zu distanzieren.

Ballweg muss dem Anschein entgegenwirken, dem rechtsextremistischen Lager zu nahe zu stehen und handelt

Natürlich war der öffentliche Druck auf Ballweg und Querdenken enorm nach diesem Wochenende. Der offensichtliche Eindruck des Ganzen war, dass Verschwörungsideologen und Nazis gemeinsame Sache machten, um möglichst viele Leute auf die Straße zu bekommen. Und die Regierung und unsere Verfassung zu stürzen. Dem musste natürlich entgegengewirkt werden und der Öffentlichkeit dargelegt werden, man würde sich ausreichend von Rechtsextremisten distanzieren. Dazu nutzten sie zwei Strategien:

  1. Ballweg gibt eine handvoll Interviews, in denen er sich von Rechtsextremismus verbal distanziert
  2. Der Ort der nächsten Großdemo soll „anscheinend“ nach Konstanz an den Bodensee verlegt werden, um auch eine räumliche Distanz zu Rechtsextremisten zu zeigen

Interviews von Ballweg nach der Demo – Ballweg versucht so zu wirken, als würde er sich von Nazis zu distanzieren

Schauen wir uns also kurz ein paar der Äußerungen an, die Herr Ballweg nach diesem skandalösem Wochenende getätigt hat und fangen mal hier beim RBB (hier könnt ihr euch die ganze Sendung anschauen) an:

Auszug aus dem Fernsehauftritt beim RBB (Quelle): 

„Sie sind das Bündnis eingegangen mit Rechtsextremisten, nutzen deren Stärke – im Prinzip haben Sie so ein bisschen das AfD-Problem“, sagte Sundermeyer an Ballweg gerichtet. „Die ist stark geworden, weil die radikalen Kräfte im Prinzip für Wahlerfolge gesorgt haben, weil sie die Partei größer gemacht haben, und jetzt merkt man, dass es kippt: Man kann die radikalen Kräfte nicht mehr kontrollieren.“

Ballweg erwiderte, er lasse sich nicht vor den rechtsextremen Karren spannen. Die Versammlung vor dem Reichstag sei nicht von ihm organisiert gewesen, auch die Rednerin dort habe mit „Querdenken“ nichts zu tun. „In jeder meiner Rede ist ein Passus eingebaut, wo wir sagen, von rechtsradikalem, rechtsextremem, linksextremem, linksradikalem, gewalttätigem, antisemitischen Gedankengut distanzieren wir uns.“

Soweit so gut, eine einfache, verbale Distanzierung. Er wiederholt dieses Narrativ immer wieder von wegen „Ja, ich distanziere mich auf den Demos doch von denen“. Trotzdem sind enorm viele rechtsextremene Personen und Organisationen da gewesen und wurden nicht der Demo verwiesen.

So rechtsextrem war Berlin: AfD, NPD, III. Weg, Identitäre, Holocaustleugner, Gewalt

Bloße Durchsagen mit ein paar vagen Aussagen am Demotag reichen offensichtlich nicht aus, damit sich die Nazis entfernen oder unerwünscht fühlen. Schauen wir uns als nächstes das Interview mit dem SWR an (Quelle): 

Auszug aus dem Interview mit dem SWR (Quelle): 

Ballweg: „Gut, aber jetzt auch die Frage der Reichsflagge. Es wird behauptet, es wäre rechtsextrem. Wenn sie rechtsextrem wäre, dann wäre sie so klassifiziert. Es gab gestern (Montag, Anmerkung der Redaktion) eine klare Ansage der SPD, man würde sie nicht verbieten wollen. Das heißt: Sie ist nicht verboten. Das heißt, auch die Polizei geht natürlich gegen verbotene Symbole vor. Aber jetzt einfach zu sagen: Diese Flagge bedeutet, jemand ist rechtsextrem, finde ich falsch, weil wenn es so wäre, dann gäbe es eine offizielle Bestätigung davon vom Verfassungsschutz oder sie wäre verboten.“

SWR: Ab wann würden Sie dann sagen, dass Rechtsextreme auf Ihrer Demo gewesen wären? Woran machen Sie das fest?

Ballweg: „Sie können sich ja darüber informieren, was rechtsextreme Symbole sind, welche verbotenen Symbole es gibt. Wenn diese in einer Häufung auftreten würden – da würde mir auch schon einer reichen – die würden wir dann natürlich sofort der Versammlung verweisen. Aber da würde auch die Polizei aktiv werden, vermute ich jetzt mal, wenn einer mit einem Symbol aus der NS-Zeit rumlaufen würde. Es ist ja dann auch Aufgabe der Polizei, das zu tun. Ich kann ja schlecht als Versammlungsleiter alle Teilnehmer selbst kontrollieren und auf die einwirken.“

Anscheinend will Ballweg kaum Nazis auf seiner Demo gesehen haben und er scheint auch die Reichsflagge nicht als Erkennungszeichen von Rechtsextremen anzuerkennen. Hier eine kurze Nachhilfe in der Sache: Die Reichsflagge hat eine lange Geschichte. Wer sie trägt, sollte wissen, was er tut – und darf sich nicht beschweren, mit Rechtsradikalen gleichgesetzt zu werden.

Geschichtsnachhilfe: So rechtsradikal ist die schwarz-weiß-rote Reichsflagge

Kurzer Auszug aus dem bei uns erschienen Gastbeitrag:

“Schwarz-Weiß-Rot bis in den Tod!“ war ein beliebter Spruch unter damaligen Rechtsradikalen und nationalistischen Kriegsveteranen. Dazu ein Gedicht aus dem Stahlhelm von 1927:

„Wir führen die Kampfflagge Schwarz-Weiß-Rot, um die uns die Welt einst beneidet,
Wir heben die Krone aus Weichsel und Rhein
von den’n uns der Teufel nicht scheidet.
Wir kämpfen für Freiheit, für Volk und für Gott,
Ein Heil unsrer Kampfflagge ‚Schwarz-Weiß-Rot‘!“

1926 forderte Reichskanzler Hans Luther, die SRG Flagge gleichberechtigt neben der Handelsflagge zu etablieren und wurde von seiner rechtskonservativen Regierung per Misstrauensvotum abgesetzt. Seinem Nachfolger Wilhelm Marx passierte dasselbe acht Monate später durch die SPD.

REICHSFLAGGE NACH DER MACHTERGREIFUNG DER NAZIS GEHISST

Schon am 7. März 1933, zwei Tage nach der Reichstagswahl, die die spätere Gleichschaltung durch die Nazis ermöglichte, ließ Reichspräsident Hindenburg wieder SWR hissen – bezeichnenderweise zum Volkstrauertag. Die Ironie dabei: unter Konservativen kam das nicht wirklich gut an. So schrieb der Stahlhelm: “Die stolze Fahne Schwarz-Weiß-Rot ist wahrlich nicht von einer Partei gepachtet, sie gehört dem ganzen deutschen Volke”. Man fürchtete eine Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten, denen man weiterhin misstraute.

„Die eine oder andere Reichsfahne war zu sehen“

Die Schwarz-Weiß-Rote Flagge ist selbstverständlich als Erkennungszeichen der Nazis zu verstehen. Tut Ballweg mit Absicht so, als würde man sowas nicht wissen? Aber machen wir mal weiter und schauen uns das Interview an, dass Herr Ballweg dem Deutschlandfunk gegeben hat:

Screenshot Deutschlandfunk (Quelle)

Die „eine oder andere Reichsfahne“ sei also zu sehen gewesen sein. Ein dezente Untertreibung, wenn man bedenkt, dass der 29.08. mit der Mobilisierung der gesamten rechtsextremen Szene quasi eine der größten Nazi-Ansammlungen der letzten Jahre gewesen ist. Wir erinnern weiter gern an unsere „kleine“ Recherche: 

So rechtsextrem war Berlin: AfD, NPD, III. Weg, Identitäre, Holocaustleugner, Gewalt

Aber der Knaller kommt noch. Hier ein Auszug aus dem Interview mit Deutschlandfunk(Quelle): 

May (Deutschlandfunk): „Jetzt war aber genau das, was Sie beschreiben, im Vorfeld erwartet worden, weil einschlägige rechte bis rechtsextreme Organisationen auch zur Demonstration in Berlin aufgerufen haben, dass sich das vermischt. Reicht es da, sich mit ein, zwei, drei Sätzen von Extremisten während Ihrer Veranstaltung zu distanzieren?“

Ballweg: „Das ist nicht immer nur während der Veranstaltung gewesen, sondern wir haben auch vorab ein Video noch gedreht, was auf unserem YouTube-Kanal „Querdenken-711“ ist. Von daher: So eine Versammlung, die war ja auch räumlich getrennt. Wir waren auf der Straße des 17. Juni. Es gab wie gesagt noch hundert andere Versammlungen an dem Wochenende in Berlin und von daher war ja eine räumliche Trennung da. Wir hatten eine große friedliche Demonstration mit einem großen Lichtermeer am Abend in der Dunkelheit, wo alle Teilnehmer ihr Handy eingeschaltet haben, wo wir tolle Bilder produziert haben.“

May (Deutschlandfunk): „Aber auch bei Ihrer Veranstaltung waren Reichsfahnen zu sehen.“

Ballweg: „Ja, da war die eine oder andere zu sehen. Das stimmt. Da haben wir dann die Deeskalationsteams hingeschickt und haben die Teilnehmer dann gebeten, die Kundgebung zu verlassen, wobei die Deeskalationsteams mir auch zurückgemeldet haben, dass die Fahnen wohl irgendwo verteilt wurden und die Teilnehmer teilweise gar nicht wussten, was das für eine Fahne ist.“

Typisch „querdenken“: Sogar verschwörungserzählung über Große Anzahl an Reichsflaggen

Ballweg behauptet allen Ernstes ohne Belege, dass irgendwer (Wer?) Flaggen irgendwo verteilt und die Leute gar nicht wussten, was die da in die Luft heben sollten. Ist klar, ich nehme auch Flaggen von wildfremden Leuten auf Demos an ohne zu hinterfragen. Nicht. Wie viele selbsterklärte Rechtsextreme da waren haben wir ja zu genüge belegt. Wer soll das glauben?

https://www.instagram.com/p/CEj4pIAqaow/

Was ich von diesen ganzen, vagen Distanzierungen von Rechts halte Garnichts. Meint auch der Antisemitismusbeauftragte Baden-Württembergs (Quelle):

Screenshot SWR (Quelle)

Michael Ballweg von „Querdenken 711“ distanziert sich am Anfang seiner Ansprachen von Extremismus von Rechts und von Links. Nehmen Sie ihm das ab?

„Nein. Das ist ein ganz einfacher Trick, den die sogenannten Querdenker gerne machen. Sie behaupten, sie wären ja gegen jeden Extremismus und letztlich seien die eigentlichen Verschwörer die Antifa, seien die Linken, sie würden ja nur bedroht, sie würden sich ja nur wehren. Sie könnten ja nichts dafür, dass Leute mit der Reichsbürgerfahne da herumlaufen. Dazu von mir eine klare Ansage: Lassen Sie sich nicht täuschen. Michael Ballweg und andere Leute verdienen ihr Geld damit, die nehmen Sie aus, die arbeiten mit Rechtsextremen zusammen. Sie laufen nicht zufällig mit den Rechtsextremen daher, sondern das ist eine Querfront mit einem Feindbild: Das sind die Juden, Frauen und Demokraten.“

Was ist Ihr Vorwurf an Michael Ballweg?

„Ich finde es unverantwortlich, dass Michael Ballweg den Menschen einredet, sie müssen sich nicht an Corona-Schutzmaßnahmen halten. Dass der Eindruck erweckt wird, dass man gegen Verschwörer anrennen könnte, anstelle sich dem Virus zu stellen. Und ich muss auch ganz klar sagen: Wer Ken Jebsen nach Stuttgart holt, und es erlaubt, dass er dort gegen die Demokratie hetzt und die Leute um Geld anpumpt, der braucht mir nicht erzählen, dass er seriös wäre. Die „Querdenker“ haben sich mit Antisemiten verbündet und das muss man auch mal in aller Deutlichkeit sagen.“

Dem kann ich nur beipflichten: Lasst euch nicht täuschen!

Die Sache mit der Demo Verlegung nach Konstanz

Kurz auch noch zur Demo-Verlegung von Berlin nach Konstanz. Ballweg kündigte ja auch an, diese Maßnahme durchzuführen, um eine räumliche Distanz zu den Nazis zu gewinnen und es den Medien leichter zu machen, eine Unterscheidung zwischen seiner Demo und welcher von Rechtsextremen machen zu können.

Screenshot Welt (Quelle)

Mir kommt das wie eine PR-Nummer für die Öffentlichkeit vor, um eine räumliche Distanz zu schaffen, wo sie ideologisch nicht existiert. Der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt äußerte sich aber bereits dahingehend, dass ihm keine Anmeldung für den 3. Oktober vorliege und dass bereits sechs Demonstrationen angemeldet wurden für den Tag der deutschen Einheit und es daher schlecht aussehe, eine derartige Demo in Konstanz zu veranstalten (Quelle). Außerdem Ballweg im Interview mit dem SWR (Quelle):

SWR: Die Stadt Berlin hat eine Maskenpflicht ab 100 Teilnehmenden beschlossen. Wäre das ein Grund, die nächste Demo wieder in Stuttgart zu machen?

Michael Ballweg: „Wir haben jetzt zwei große Demos in Berlin gemacht. Wir sind eigentlich „Querdenken-711“, also die Organisatoren für Stuttgart, und von daher haben wir jetzt eh schon beschlossen, dass wir vorerst keine Demo mehr in Berlin machen, sondern dass wir wieder in die Heimat zurückgehen und dann dort wieder die Demos machen.“

Wovon machen Sie diese Entscheidung abhängig ob Sie in Berlin oder Stuttgart sind?

„Es war so: Die Berliner Querdenken-Bewegung hat noch ein bisschen Zeit gebraucht, bis die auch letztendlich größere Demos machen können. Diese sind jetzt in der Lage, haben auch heute beschlossen, dass sie da aktiv werden und jetzt die Demos in der Hauptstadt wieder übernehmen als Querdenken-30. Damit können wir uns wieder auf unseren Ursprung zurück beziehen und wieder mehr in Stuttgart aktiv werden.“

Das nenne ich doch mal eine geschickte Täuschung der Öffentlichkeit: Nach außen hin will sich Ballweg in den Süden zurückziehen, um sich optisch von Rechts zu distanzieren, dabei wird der Berliner Ableger von Querdenken – also die gleiche Bewegung –  weiter aktiv an den Demos in der Hauptstadt mitwirken.

Also nochmal ganz deutlich: Querdenken und seine Organisatoren werden weiterhin in Berlin an Pandemie-Leugner:innen Demos mitwirken.  

Sind die Distanzierungen von Ballweg glaubwürdig?

Im folgenden führe ich drei Argumente an, die Ballwegs Distanzierungen vom Rechtsextremismus in meinen Augen unglaubwürdig erscheinen lassen:

  • Ein Demo-Veranstalter hat jederzeit die Möglichkeit, Hausrecht geltend zu machen und unliebsame Personen und Gruppen der Demo zu verweisen und diese von der Polizei entfernen zu lassen. AfD, NPD, „Die Rechte“, III. Weg, Holocaustleugner und viele mehr waren deutlich sichtbar vor Ort und hatten schon zuvor ihr Erscheinen angekündigt (mehr dazu). Querdenken hat diese Personen und Gruppen nie entfernen lassen oder erklärt, sie seien unerwünscht gewesen.
  • Warum pflegen Mitglieder aus dem Veranstalter-Team Kontakte zum rechtsextremen Holocaust-Leugner Nikolai Nerling, alias „Der Volkslehrer“? (Mehr zum Volkslehrer) 
  • Warum ist Stephan Bergmann, der laut Tagesspiegel via Facebook rassistisches Gedankengut weiterleitet oder empfiehlt, immer noch Pressesprecher von Querdenken?

Warum werden Nazis nicht von der Polizei entfernt?

Ich habe hier bereits beschrieben, was man tun könnte, um sich in Zukunft glaubhaft von Rechts zu distanzieren:

Nazis wollten den Bundestag „stürmen“: Das dürfen wir nicht mehr kleinreden!

Man kann Rechtsextreme, die Reichsflaggen auf Demos schwingen, von der Polizei entfernen lassen. Das bedeutet, dass man erstmal nett zu den Leuten hingehen kann und sie bitten kann, sich zu entfernen. Folgen die Personen diesen Aufforderungen nicht, kann man diese als Veranstalter:in von der Polizei entfernen lassen. Man hat als Veranstalter:in einer Demo das Recht, der Polizei mitzuteilen, wer an der Demo teilnehmen darf und wer nicht.

Das können auch die jeweiligen Ordner:innen vor Ort machen. Das Entscheidende: Man muss es halt tun. Michael Ballweg, der mit seinen Anwälten Klagen bis vor das Bundesverfassungsgericht führt, kann mir nicht erzählen, dass er diese Option nicht kennen würde. Eher muss ich davon ausgehen, dass er keine Lust auf die Konflikte hat, die durch Ziehung dieser Option entstehen würden.

Querdenken könnte sich in Zukunft also glaubhaft nach Rechts distanzieren, wenn man Nazis und bekannte verfassungsfeindliche Organisationen von den Demos durch die Polizei entfernen lässt.

Warum pflegt man Kontakte zum rechtsextremen Holocaust Leugner Nikolai Nerling, alias Der Volkslehrer?

Erst kürzlich sprach der rechtsextreme Volkslehrer selbst davon, ein Treffen mit Ballweg gehabt zu haben. Grillen soll man zusammen gewesen sein:

Beim RBB meinte Ballweg dann, dass diese Informationen nicht stimmen würden.

Warum gibt es dann aber Aufnahmen, die belegen, dass Herr Ballweg sich mit dem „Volkslehrer“ auf einer Pandemie-Leugner Demo ausgetauscht hat?

Und warum ist dokumentiert, dass Pressesprecher Stephan Bergmann sich ebenfalls mit dem Volkslehrer ausgetauscht hat?

Diese Belege  deuten auf die Nähe von „Querdenken“ zu einem behördlich bekannten und verurteilten Holocaust-Leugner. Will man sich hier auch dumm stellen und von nichts gewusst haben?

Man möchte fast meinen, dass Querdenken ihre Anhänger:innen und die Öffentlichkeit darüber belügen, was ihre Kontakte zu einem bekannten Rechtsextremen angeht. 

Warum ist Stephan Bergmann immer noch Pressesprecher von Querdenken?

So, kommen wir nun zum meinem Hauptargumentationspunkt, warum ich die Distanzierungsversuche von Ballweg unglaubwürdig finde, dem Pressesprecher von „Querdenken“, Stephan Bergmann. Ich habe in diesem Artikel ja bereits erwähnt, dass er unser Grundgesetz für „Besatzungsrecht“ hält. Woher das kommt? Dazu gibt die folgende Recherche Auskunft:

Hier ein Auszug aus der ZVW (Quelle):

„Der Mann im roten Shirt“ und die rechtsextremen Reichsbürger

Dabei beschäftigt „Querdenken711“ einen Mann als Sprecher, der in der Vergangenheit im rechtsextremen Reichsbürger-Milieu aktiv war: Stephan Bergmann aus Althütte. Bergmann ist einer Liste zufolge Gründungsmitglied des Schorndorfer Vereins „Primus inter Pares“. Diese Liste liegt unserer Redaktion vor. Der Verein, der nach eigenen Angaben humanitäre Hilfe leistet, wird vom Landesamt für Verfassungsschutz dem rechtsextremen sowie dem Reichsbürger-Milieu zugeordnet. In der Vergangenheit hatten wir über die Pläne des Vereinsvorsitzenden berichtet, eine völkische Siedlung in Ungarn zu errichten.

Von „Primus inter Pares“ habe er „seit vielen Jahren nichts mehr gehört“, schrieb Bergmann auf Nachfrage unserer Redaktion bereits vor einigen Wochen. Von seinem Engagement für den Verein distanzierte er sich uns gegenüber nicht. Weitere Anfragen ließ der „Querdenken711“-Sprecher unbeantwortet. Dafür meldet er sich regelmäßig über diverse Youtube-Kanäle zu Wort.

Dem AfD-Politiker Stefan Bauer sagte Bergmann im Vorfeld der Berlin-Demonstration in einem Interview auf dessen Kanal: „Was ich schon oft gehört habe von verschiedenen Sehern und von verschiedenen Prophezeiungen: Dass das deutsche Volk, also wahrscheinlich ist das deutschsprachige Volk insgesamt gemeint, dass von diesem Gebiet aus und von dieser, ja, Menschenseele, dass da die Befreiung der Welt geschehen wird.“

Das ist aber noch nicht alles, was man über den Pressesprecher von Querdenken wissen sollte. Stephan Bergmann verbreitete früher, unter anderem, Warnungen vor einer „Vermischung der Rassen“ auf seinem Facebook Kanal:

Screenshot Tagesspiegel (Quelle)

Wie kann so jemand Pressesprecher einer Organisation sein, die von sich selbst behauptet, sie würde sich von rechts distanzieren? Das ist glasklar rassistisch. Müsste eine solche Organisation sich nicht eigentlich von einer solchen umstrittenen Person trennen, Herr Ballweg? Natürlich wurde der Kopf von „Querdenken“ auch auf die Persona Bergmann angesprochen. Seine Antwort (Quelle): 

„Auch auf Kritik an seinem Pressesprecher, Stephan Bergmann, der öffentlich die Reichsbürger-These vertritt, dass die Bundesrepublik Deutschland kein souveräner Staat sei, erwiderte Ballweg, Bergmann dürfe seine private Meinung haben. Er werde darüber aber mit ihm reden.“

Distanzierung sieht für mich anders aus. Wenn Querdenken glaubhaft machen will, dass sie nichts mit Rechtsextremisten zu tun haben möchten, dann können sie nicht eine Person, in ihrem Veranstalter-Team dulden, die rassistische Beiträge und rechtsextreme Reichsbürger-Theorien verbreitet.

Fazit: Nur heiße Luft

Fassen wir das alles nochmal zusammen: Der Kopf von „Querdenken“, Michael Ballweg, will eine neue Verfassung ausarbeiten, um unser Grundgesetz zu ersetzen und versucht seit Tagen seinen Anhänger:innen und der Öffentlichkeit glaubhaft zu machen, er würde sich von Rechtsextremisten distanzieren. Er gibt diesbezüglich Interviews, in denen er behauptet, sich von rechts zu distanzieren und kündigt an, den Ort der nächsten Demo nach Konstanz zu verlegen. „Querdenken“ wirkt mit seinem Berliner Ableger jedoch weiterhin an den Demos in der Hauptstadt mit.

Offensichtliche rechtsextreme Personen und Organisationen werden von den Demos nicht entfernt, obwohl die Möglichkeit dazu besteht. Man behauptet, Reichsflaggen, die Erkennungszeichen von Rechtsextremen sind, wären von Unbekannten verteilt worden und die Leute wüssten nicht, mit was sie da in der Hand auf der Demo umher liefen. Man pflegt Kontakt zu einem Holocaust-Leugner und trennt sich nicht von seinem Pressesprecher, der erwiesenermaßen rechtsextreme Reichsbürger-Thesen verbreitet. Glaubhafte Distanzierung sieht für mich anders aus. Meine Meinung zu Ballweg:

Wir haben es hier mit einem Wolf im Schafspelz zu tun, der versucht, die Öffentlichkeit und seine Anhänger:innen zu täuschen. Zeit, dass sich Behörden, Politik und Zivilgesellschaft vertiefter mit der Thematik „Querdenken“ und Michael Ballweg auseinandersetzen. Organisationen die unser Grundgesetz ersetzen wollen, können meiner Meinung nach nichts anderes sein als Feinde unserer Verfassung. 

Artikelbild: Screenshot Youtube


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