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Nazis wollten den Bundestag „stürmen“: Das dürfen wir nicht mehr kleinreden!

von | Aug 31, 2020 | Bericht, Kommentar

Versuchter „Sturm“ von Rechtsextremisten auf das Herz unserer Demokratie: Das darf #niewieder passieren!

Seit Monaten machen wir vom Volksverpetzer und andere Medien auf die Vermischung der Pandemie-Leugner:innen-Bewegung mit der rechtsextremen Szene aufmerksam. Unter anderem bereits Mitte April, am 10. Mai, hier am 9. August und hier im Vorfeld der Demo am vergangenem Samstag. Unseren Recherchebericht zu den Rechtsextremisten vor Ort könnt ihr hier nachlesen:

So rechtsextrem war Berlin: AfD, NPD, III. Weg, Identitäre, Holocaustleugner, Gewalt

Hier ein Auszug aus unserem Bericht:

Nein, nicht alle auf dieser Demonstration waren gewalttätig oder rechtsextrem. Vor Ort war aber so ziemlich die gesamte rechtsextreme Szene, mit der gemeinsam demonstriert wurde. Insbesondere die gewalttätigen Angriffe, der Hass auf alle Andersdenkenden und die Angriffe auf Journalist:innen und Polizist:innen spiegeln deutlich wieder, wie extremistisch große Teile der Demonstration wirklich waren. Die Menschen, die willentlich und wissentlich mit Neonazis marschierten, mit Menschen, die die Bundesrepublik abschaffen wollen, mögen selbst keine Nazis sein.

Wenn sie aber Nazi-Mitläufer sind, wenn sie Verfassungsfeinde unterstützen und mit ihnen gemeinsame Sache machen, spielt diese Unterscheidung keine Rolle mehr. Sie bieten diesen Gruppierungen eine Bühne, Anschlussmöglichkeiten. Und sie verhelfen ihnen, ihr Image zu verbessern. Sie bieten sich selbst an, um als Feigenblatt für Rechtsextremisten zu fungieren. Und anstatt sich zu distanzieren, anstatt verfassungsfeindliche und überwachte Gruppierungen für unerwünscht zu erklären und sie der Demo in Berlin zu verweisen, werden sie bewusst ignoriert und heruntergespielt.

Die Demo in Berlin am Samstag war somit eine der größten rechtsextremen Demonstrationen der jüngsten Zeit. Dass sie bereits versuchten, mit Gewalt den Reichstag zu stürmen, dass sie offen verkünden, dass sie Andersdenkende verhaften und teilweise hinrichten wollen, dass sie die Verfassung abschaffen und die demokratisch gewählte Regierung stürzen wollen, verkünden sie ganz offen. Wer mit diesen Menschen mitmarschiert, macht sich zum Mittäter und Steigbügelhalter. Und dafür gibt es keine Ausreden.

Schluss mit der Verharmlosung

Seitdem über die Vermischung der Corona-Demos durch Rechtsextremisten zu einer neuen Querfront berichtet wird, verstecken sich Pandemie-Leugner:innen und besorgte „regierungskritische“ Bürger:innen hinter den selben Argumentationslinien:

„Es sind nicht alle Nazis dort.“

„Wie solle man verhindern, das Nazis zu einer Demo kommen.“

„Es sind nicht so viele Nazis.“

„Sind jetzt alle Demo Teilnehmer Nazis, nur weil Nazis mit dabei sind?“

Usw.

Irgendwann muss dann auch Schluss sein mit der Verharmlosung. Man kann sich noch solange hinter diesen „Argumenten“ verstecken, aber nach diesem Wochenende bleibt:

Reichsbürger und Neonazis haben unter dem Deckmantel einer Pandemie-Leugner:innen Demo versucht, den Bundestag zu „stürmen“, wie sie es nannten. Punkt. Soweit sind wir mit diesem Wahnsinn also schon gekommen. 

https://www.instagram.com/tv/CEfL_-lC07M/

Hier nochmal aus einer anderen Perspektive:

Dass es sich um Rechtsextreme und Reichsbürger handelte, und diese diesen „Sturm“ vorher ankündigten und forderten, ist dokumentiert (mehr dazu). Natürlich sind die Mehrheit der Demo Teilnehmer:innen keine Nazis. Aber diese Feststellung spricht sie nicht von ihrer Mitschuld frei. Ich war vor Ort (Videos zur Stimmung und Lage vor Ort in unseren Highlights auf Instagram):

Wer keine Rechtsextreme sehen will, muss aktiv wegschauen

Wer dort mit läuft, weiß, dass er gemeinsam mit Nazis marschiert. Keiner der dort teilnehmenden Protestler kann ernsthaft länger so tun, als wäre das ein unbedeutender Anteil ihrer Demonstrationen. Die Pandemie-Leugner müssen sich eingestehen, dass ihre Netzwerke und Demos systematisch von Rechtsextremisten unterwandert wurden. Da hilft auch kein Relativieren mehr, man paktiert und arrangiert sich offen mit Nazis. Kritik an der Regierung ist das eine, dabei gemeinsame Sache mit waschechten Nazis zu machen eine völlig andere. Wo bleiben diejenigen innerhalb der Demos, die sich deutlich von den Nazis, von den vielen bekannten, vom Verfassungsschutz überwachten Gruppierungen distanzieren?

https://www.instagram.com/p/CEhqyIwq4Qe/

Nur ein paar leere Statements reichen nicht: Warum werden Rechtsextreme nicht von den Demos entfernt?

Wenn sich die Organisatoren der Demos tatsächlich konsequent gegen Rechts in ihren Reihen einsetzen würden, dann könnten sie diejenigen die auf ihren Demos offenkundige rechtsextremistische Flaggen und Symbole tragen, einfach von der Polizei entfernen lassen. Dieses Recht hat man als Veranstalter:in einer Demonstration. Dies geschieht aber ganz offensichtlichnicht, daher muss ich davon ausgehen, dass den Pandemie-Leugner:innen die Mobilisierung aus dem rechtsextremen Lager wohl Recht sein muss. Ansonsten könnten sie anders handeln. Im Gegenteil, Verbindungen zur Nazi-Szene vom Veranstalter-Team sind belegt (mehr dazu).

Gegen „Links“ kann der Staat seine volle Gewalt auffahren, aber warum gegen Nazis nicht?

Wenn unser Staat in der Lage ist, andere Demos, wie zum Beispiel antifaschistische Demonstrationen, mit Wasserwerfern und Schlagstöcken niederzuknüppeln, warum werden dann die Stufen unserer Demokratie nicht mit mindestens der gleichen Konsequenz vor Nazis verteidigt? Wie konnte es überhaupt möglich sein, dass vor Ort so wenig Polizist:innen waren?

Das hier ist eine Aufnahme vor dem Bundestag etwa eine halbe Stunde vor Beginn des „Sturmes“. Kurz zur Erläuterung der vielen Flaggen, falls es da noch Aufklärungsbedarf gibt:

https://www.instagram.com/p/CEjaMNhDVxX/

Wie ihr auf dem Foto sehen könnt, waren durchaus mehr Polizist:innen vor Ort (als nur die oft zitierten 3 Beamten), nur direkt vor dem Bundestag sind deutlich weniger positioniert gewesen. Man hat mehr Kräfte darauf fokussiert, die Wiese vor dem Bundestag zu schützen als den Bundestag selbst.

Wir können von Glück reden, dass es nicht zu einer schlimmeren Eskalation gekommen ist. So berichtete der Spiegel, dass einer der festgenommenen Demonstranten beim „Sturm auf den Reichstag“ mit einem Revolver bewaffnet gewesen war (Quelle).

Bittere Pille für Pandemie-Leugner:innen: Ihr habt euch mit Rechtsextremisten verbündet. Wacht auf!

Wie absurd ist es eigentlich, dass man gemeinsam mit Nazis gegen eine vermeintliche Diktatur auf die Straße geht? Und wollen sich die Pandemie-Leugner:innen eigentlich damit zufrieden geben, dass diese ihre Demos ausnutzen, um sich symbolträchtig gegen unseren Staat aufzulehnen? Es bleibt einem sonst nicht viel anderes übrig als anzunehmen, dass man diese Ziele teilt. Ich kann mich dem, was Heribert Prantl von der SZ gesagt hat, nur anschließen:

https://www.instagram.com/p/CEhL_4qCwyy/

Liebe „Regierungskritiker:innen“, direkt an euch: Glaubt, an was ihr wollt. Macht ihr ohnehin. Geht auf die Straße, und auch wenn ich es für völligen Quatsch halte, was ihr glaubt. Von mir aus, das Demonstrationsrecht ist berechtigterweise eines der höchsten Güter in unserem Staat. Aber wenn ihr mit Extremisten zusammenarbeitet, die unseren Staat stürzen wollen, dann könnt ihr euch nicht darüber wundern, dass man euch das vorwirft. Und nach diesem Wochenende sollte dem ein oder anderem dann doch die Schuppen von den Augen gefallen sein: Ja, innerhalb eurer Reihen sind nicht wenige Nazis unterwegs und träumen von Umsturz, den sie am Samstag erproben wollten.

Fazit: Sowas darf sich nicht nochmal ereignen

Halle, Hanau und der Lübcke-Mord ist alles noch nicht solange her. Und jetzt lassen wir uns als Gesellschaft tatenlos während einer Pandemie von Nazis auf der Nase herumtanzen? Es reicht. Wer weiterhin mit den Pandemie-Leugner:innen  sympathisiert und sie unterstützt, kann seine Hände nach diesem Wochenende nicht mehr in Unschuld waschen. Es gibt keine Argumentation, die das kleinreden kann. Es ist einfach unerträglich. Die Behörden müssen dafür Sorge tragen, dass es beim nächsten mal nicht zu einer solchen Situation kommen kann. Wir als Zivilgesellschaft müssen gegen eine derartig realitätsfeindliche Bewegung geschlossen vorgehen.

Wir sind und müssen eine wehrhafte Demokratie sein. So etwas darf sich #niewieder in der Hauptstadt ereignen.

PS: Die Politik könnte langsam auch mehr in die Gänge kommen, das Problem mit den Pandemie-Leugnern in den Griff zu bekommen. Hier ein paar Vorschläge, die ich nach der Demo am 1. August aufgestellt hatte:

Die Politik blieb die letzten Wochen und Monate ziemlich untätig, was das Problem mit den Corona-Fake News angeht. Meiner Ansicht nach muss die Politik folgende Optionen in Betracht ziehen:

  • Wir leben mittlerweile in einer Zeit, in der Fake News nicht nur die politische Meinung manipulieren, sondern durch Falschinformationen während einer Pandemie auch direkt Menschenleben bedroht sind. Wir brauchen ein konsequenteres Vorgehen gegen Falschmeldungen in Social Media – und gegen die “üblichen Verdächtigen”, die daraus ein Geschäftsmodell gemacht haben.

  • Es braucht Aussteigerprogramme für Verschwörungsideologen. Manche Anhänger*innen wurden derart schwer manipuliert, dass Ihnen völlig der Bezug zur Realität fehlt. Nach Ende der Pandemie wird es zig Tausende Menschen in unserem Land geben, die wieder in die Gesellschaft integriert werden müssen. Sie werden jetzt bereits in “alternativen” Netzwerken radikalisiert. Der Staat muss Aussteigerprogramme, ähnlich der für Ex-Nazis vorbereiten, um diese Strukturen zu schwächen.

  • Auf Telegram ist eine Art “Darknet Lite” für Verschwörungslügen entstanden. In diesen geschlossenen Echokammern werden tausende Mitbürger täglich mit Verschwörungslügen beschallt. Während es auf den Plattformen wie Youtube, Twitter, Facebook und Instagram möglich ist (mit variierender Effektivität), gegen gefährliche Falschinformationen vorzugehen, ist Telegram ein nahezu rechtsfreier Raum. Das sollte nicht so sein. Der Staat muss sich bemühen, auch hier Handhabe zu bekommen.

Artikelbild: Telegram


Unsere Autor:innen nutzen die Corona-Warn App des RKI: