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Inside „Youngsters“: Wie Querdenker Samuel Eckert ungestraft Kinder radikalisiert

von | Jul 23, 2021 | Aktuelles

Gastbeitrag von Datenliebe

Inside Samuel Eckerts „Youngsters“ Gruppe

In der Kindergruppe des Verschwörungsideologen Samuel Eckert werden Minderjährige mit Verschwörungsmythen und Falschnachrichten konfrontiert. Dies kann zu einer Radikalisierung der Kinder führen. Besonders eine junge Frau sticht heraus, die in einem vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuften rechtsextremen Magazin als Autorin genannt wird. Ihre Mutter hetzt im eigenen Telegram-Kanal und nimmt damit wahrscheinlich Einfluss auf ihre Tochter. Ich decke auf, welche Rolle das familiäre Umfeld bei der Radikalisierung spielen kann, oder: nach wessen Gosch sie schwätzt.

Kinder sind ein heikles Thema. Ich habe Zugriff auf den Innersten Zirkel der Samuel Eckert Youngsters. Über 90.000 Nachrichten, fast 4.000 geteilte Bilder und knapp über 2.000 Sprachnachrichten finden sich in meinem Datenschatz. Seit mehreren Monaten durfte ich bereits „Mäuschen spielen“ und alles miterleben, von dem Eckert nicht will, dass es an die Öffentlichkeit gelangt. Nach wie vor ist es mir wichtig, die Identitäten der Kinder zu schützen. Quellen, die auf den Wohnort der Familie hinweisen, habe ich absichtlich nicht veröffentlicht. Ich verzichte auch auf die Veröffentlichung von Gesichtern, Vornamen und anderen Merkmalen, die zur Identifikation herangezogen werden könnten. Das Internet vergisst nicht. Mit meinem Engagement möchte ich nicht dazu beitragen, den Kindern noch mehr Steine in den Weg zu legen. Sollten Sie sich je besinnen, und erkennen, welchem falschen Propheten sie folgen, haben sie ein Recht auf Vergessen. In Anlehnung an den Spitznamen, den sie sich selbst in Telegram gegeben hat, werde ich diese Jugendliche das „Fleißige Bienchen“ nennen. 

Eckerts „Youngster“ im rechtsextremen Magazin „Compact“

In „Die Kinder des Lockdowns“ thematisiert das vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestufte rechtsextreme Magazin Compact das „Leiden“ der Kinder. Mit von der Partie: Eckerts Vorzeige-Youngsterin, mit Mikro in der Hand vor dem Brandenburger Tor. Dieses Bild entstand im Rahmen der „Corona Info Tour“, die Eckert gemeinsam mit dem ebenfalls verschwörungsideologisch motiviertem Schwindel-Arzt Bodo Schiffmann veranstaltete. In ihrer „Wutrede“, die sie „jedem Schüler, Schulleiter und Politiker ins Gesicht brüllen würde“, thematisiert Sie ihre Erfahrungen in der Schule während der Corona-Pandemie. Darin erzählt sie von „Wut“, „Stress“ und „Überforderung“ im Homeschooling. „Blanker Wahnsinn“, wie sie es nennt. 

Quelle: https://www.compact-online.de/die-zukunftsangst-macht-mich-wahnsinnig-wutschrei-einer-schuelerin/ 

Dass eine von Eckerts Zöglingen in einem rechtsextremen Magazin als “Unsere Autorin” bezeichnet wird, ist eine neue Stufe der Radikalisierung. Die Tatsache, dass ich diesen Artikel finden konnte, habe ich Eckert selbst zu verdanken. Gewöhnlich nennt er jene Youngsters, die für ihn Reden halten, Video- oder Audioinhalte produzieren, nicht beim vollen Namen. Ihm dürfte bewusst sein, welcher Gefahr er die teils minderjährigen Youngsters dadurch aussetzt. Im Fall seiner fleißigsten Biene ist es ihm offensichtlich egal. Er nennt ihren Vor- und Nachnamen. Es handelt sich aber nicht um den tatsächlichen Nachnamen. Ein Täuschungsmanöver?

Metadaten verraten ihren Klarnamen und den ihres Vaters

Bereits in meiner ersten Veröffentlichung zu den Youngsters habe ich gezeigt, wie das Bienchen sich gegen die in der Schule geltenden Einschränkungen zu wehren. Ihre Anstrengungen waren so kurios, dass “Vater” Eckert höchstpersönlich ihren Alltag in einem seiner Livestreams vorstellen lies. Gemeinsam mit Ralf Ludwig, einem Querdenken Szene-Anwalt, sprachen Sie über die rechtlichen Möglichkeiten der Schülerin, um ihren Willen gegen die Schulleitung durchzusetzen. In dem Video vom Ende November 2020 erzählt das Bienchen, dass sie beim vorgeschriebenen Lüften die Temperatur mit einem Thermometer misst, welches die Werte direkt auf ihrem Smartphone speichert. Sie möchte dadurch beweisen, dass ein gewisser Schwellwert unterschritten wird.

Schulabbruch, psychische Probleme: So leiden Minderjährige unter Querdenker Samuel Eckert

In dem Video ist Eckert sichtlich beeindruckt von ihr, lobt ihr Vorgehen. Das Lüftungsprotokoll, gemeinsam mit einem Anschreiben für die Schule, stellt die Youngsterin in der Gruppe anderen Kindern zur Verfügung. Sie habe es zusammen mit ihrem Vater verfasst, es würde aber nur in Baden-Württemberg gelten. Dass ihre Eltern sie unterstützen, bekräftigt sie auch in ihren Interviews in anderen Formaten. Was sie nicht bedacht hat, ist, dass Word in den Metadaten jene Benutzerkonten speichert, die an dem Dokument mitgewirkt haben. Beide sind mit Klarnamen als Autor:innen gespeichert. Mit diesen Hinweisen trage ich alle öffentlich Informationen zusammen, die ich zur Familie finden kann. 

Interesse an der Politik bestand schon früher

Mit dem Klarnamen liefert eine simple Google-Suche mehrere Treffer. Offenbar war sie früher im örtlichen Sportverein und auch in der Schulzeitung taucht sie auf. Es findet sich im Wesentlichen nichts Weltbewegendes, vor Corona war sie eine ganz gewöhnliche Schülerin. 2019 ließ Sie sich zur Wahl in das örtliche Jugendparlament aufstellen. Gewählt wurde Sie nicht.

Das Bienchen mit dem Schulverweis

Zentrales Thema ihrer Reden ist die Situation in den Schulen, insbesondere an ihrer Schule. Im Compact-Artikel fasst Sie ihre Geschichte zusammen. Nachdem Sie „mehrfach auf Demonstrationen gegen die geltenden Beschränkungen“ gesprochen hat, bekam Sie Post von der Schulleitung. Grund war, laut Ihrer Aussage, dass ihre „Aktivitäten geeignet sind, den Schulfrieden zu stören“. Zwei Wochen später sei sie aufgrund einer „massiven Störung des Schulfriedens“ der Schule verwiesen worden. Wie konnte es soweit kommen? An Bekanntheit hat das Bienchen vor allem durch die Youngsters erhalten. Werfen wir einen Blick in die nähere Vergangenheit.

Die Mutter ist eine Moderatorin der SE Youngsters

In der Chatgruppe sind mir mögliche Verbindungen aufgefallen. Besonders deutlich ist die Verbindung des Bienchens zu ihrer Mutter. Beide wählen einen ähnlichen Spitznamen, ihre Mutter mit dem Zusatz ”-mama”. Die Mutter ist aber kein “reguläres” Mitglied, sondern eine Moderatorin. Auch in mindestens einer öffentlichen Gruppe sind beide aktiv, ihre Mutter nennt sie in einer Sprachnachricht “unsere ***”, wobei *** für den Vornamen der Tochter steht. 

Die Mutter hetzt im eigenen Telegram-Kanal

„Zeiten des Wahnsinns“ ist ein Kanal mit überschaubarer Anzahl an Abonnent:innen. Weniger als 60 Profile folgen diesem öffentlichen Kanal, der seit dem 27. April 2021 Artikel verlinkt, die auf der Telegram-internen Plattform Telegraph veröffentlicht werden. Diese ermöglicht es, blog-ähnliche Artikel anonym zu veröffentlichen. Ganz anonym ist die Mutter dann doch nicht. Mit Ausnahme des ersten Artikels, ist in der Kopfzeile als Autorin „P.I.“ eingetragen, und ein Telegram-Profil verknüpft.

Klickt man auf den Link, werden persönliche Daten öffentlich gezeigt. Unter dem Pseudonym „P.I.“ verbergen sich die Anfangsbuchstaben ihres Vor- und Nachnamens. Ich bin auf diesen Kanal gestoßen, weil Eckert den Artikel „Die braune Antifa!“ kurz nach der Veröffentlichung meines Gastartikels, auf seinem Kanal bewarb. „Zeiten des Wahnsinns“ ist in dieser Nachricht verlinkt. In allen Artikeln ist “P.I.” als Autorin eingetragen, und die Verlinkung führt zu dem Konto der Bienchen-Mama, die auch bei den SE Youngsters als Mitglied und Moderatorin vertreten ist. 

Samuel Eckert bewirbt in seinem Kanal einen Artikel des Kanals „Zeiten des Wahnsinns“, auf dem die Mutter des “Fleißigen Bienchens” Artikel unter dem Pseudonym “P.I.” veröffentlicht. Quelle: https://t.me/samueleckert/2971

Es begann bei Maurice Janich

Am 13. April 2021 veröffentlichte der “Pädagoge / Visualisierungstherapeut” Maurice Janich auf seinem Telegram Kanal “Kraft Deiner Gedanken” eine “Zuschrift einer Mutter und Krankenschwester”. Autor:in unbekannt. Der Text beschreibt die Szene, als in der Schule die Covid-Testkits zum ersten Mal benutzt wurden. Die “Mutter und Krankenschwester”, wie sich die Autorin selbst nennt, verspottet die in ihren Augen unsachgemäße Durchführung des Tests. Fast schon wie im Slapstick macht sich die Autorin über die Lehrerin lustig und schließt mit den Worten “Du meine Güte, was bin ich froh, dass wir nicht wirklich eine Pandemie haben, wir wären alle verloren” ab. Janich hat die Kommentarfunktion aktiviert, in den öffentlichen Kommentaren wird der Beitrag gefeiert.

Quelle: https://t.me/Kraftdeinergedanken/945 

Ein Weltbild, geprägt von Schwarz-Weiß-Denken, Vorurteilen und undifferenziertem Hass

Aus ihrem Weltbild macht die Mutter keinen Hehl. Sie behauptet, die globale Corona-Pandemie sei „inszeniert„. Wahlweise bezeichnet sie die Situation auch als „Pandemielüge„. Die demokratisch gewählten Volksvertreter:innen „brauchen allerdings nur konsumierende Vasallen und keine denkenden Bürger“. Ihre Mitbürger:innen bezeichnet sie als „Denunzianten„. Doch besonders über eine Berufsgruppe zerreißt sie sich förmlich das Maul.

Lehrer:innen, Rektor:innen und das gesamte Schulsystem sind besonders verhasst

Die Familie befindet sich seit der Ablehnung des Maskenattests der Tochter im Rechtsstreit mit der Schule. Daher dreht sich einiges im Kanal „Zeiten des Wahnsinns“ um die Situation in der Schule, und es scheint so, als ob sich die Mutter den Frust sich von der Seele schreibt. Für Sie ist klar: Ihre Tochter ist unschuldig und wird zu Unrecht von den Schüler:innen, Lehrer:innen und der Schulleitung bestraft. Alles nur, weil sie mit ihrer eigenen Meinung nicht dem Mainstream entspreche, und sich mutig gegen die Unterdrückung stelle. In mehreren Artikeln wiederholt die Mutter ihre Meinung, das Schulsystem „trieft vor linksgrüner Ideologie“.

Quelle: https://telegra.ph/Die-Propagandaschule-06-17

Quelle: https://telegra.ph/Die-Propagandaschule-06-17

Das „kämpferische Burgfäulein“ gegen „Narzus“, „Lekrem“ und „Anaroc“

Das Motiv der unschuldigen Widerstandskämpferin wird deutlich, als sie mitteilt, dass die Schulverträge ihrer Söhne gekündigt wurden. Im Artikel „Hurra, die Schulen haben unsere Schulverträge gekündigt!“ berichtet die Mutter metaphorisch von ihrer Sicht der Dinge. Ihre Tochter beschreibt sie als „kämpferisches Burgfäulein„, die „die Wahrheit erkannte“, und sich vornahm, „sich dem Feldzug der Ritter des Ordens des Lichts anzuschließen. Sie wurde nicht müde mit wahrer Zunge zu sprechen und erregte damit das Missfallen ihres Königs Narzus“. Narzus steht in diesem Artikel für den Rektor, „Lekrem“ für Merkel und „Anaroc“ für Corona. 

Quelle: https://telegra.ph/Hurra-die-Schulen-haben-unsere-Schulvertr%C3%A4ge-gek%C3%BCndigt-04-19

Das Verhalten des Bienchens motivierte auch ihre Brüder, sich gegen die bestehenden Auflagen zu widersetzen. Ihre Mutter umschreibt die Szene so:

„Die meisten Bewohner fügten sich still, hatten sie doch zu sehr Angst vor dem Monster Anoroc und dessen Macht. Das Burgfräulein und ihre Brüder allerdings nicht. (…) Die zwei tapferen Buben (…) leisteten Widerstand wie ihre Schwester.“

Aufgeben ist keine Option

Die Entschlossenheit der Mutter zeigt sich in dem folgenden Zitat. “(…) Aufgeben [sic!] ist keine Option. Die Waffen niederzulegen würde bedeuten sein Kind dieser gnadenlosen Maschinerie schutzlos preis zu geben“, bekräftigt die Bienchen-Mutter ihren Willen zum Kampf. 

Quelle: https://telegra.ph/Die-Propagandaschule-06-17

Der eigene Kanal – ein Auftritt mit System?

Knapp zwei Wochen nach dem ersten Artikel bei Janich wird der Kanal “Zeiten des Wahnsinns“ erstellt, am 27. April. Der erste Eintrag im Kanal der Mutter ist eine Weiterleitung der Zuschrift, wie sie zuerst bei Janich erscheint. Die folgenden vier Artikel wurden bereits vor Kanalerstellung auf der Plattform Telegraph veröffentlicht, erkennbar an dem Datum in der URL. Diese wird automatisch generiert, und zwar mit dem Titel des Textes, gefolgt vom Erscheinungsdatum. Der Artikel oben, beispielsweise, wurde am 13. April veröffentlicht, die URL endet mit “04-13”. 

Was passiert aber, wenn ein Artikel mit ein und demselben Titel am identischen Tag veröffentlicht wird? Nun, der zweiten Version wird ein Zusatz angehängt, zum Beispiel “-2”, der Dritten “-3” und so weiter. Vereinzelt existieren mehrere Versionen derselben Artikel, wobei immer nur die jüngste Version jeweils den Weg in den öffentlichen Kanal findet. 

Von “Eine Grabrede für die Demokratie”, dem ersten eigenen Artikel nach ihrer “Zuschrift”, existieren drei Versionen im Netz. Eine mit “04-15”, “04-15-2” und “04-15-3”. Nur die dritte Version findet sich im Kanal, im Netz verfügbar sind jedoch alle drei. 

Auf den ersten Blick unterscheiden sich die drei Versionen nur geringfügig. Bei den ersten beiden fehlt das Titelbild und im Text formatiert sie Absätze unterschiedlich. Bei allen drei Versionen ist “P.I.” im Autor:innenfeld eingetragen, jedoch nur in der dritten, quasi der finalen Version, ist auch die Verknüpfung zu ihrem Telegramprofil hergestellt. Ein Hinweis darauf, dass sie womöglich als Autorin des Textes erkannt werden will.

Die Mutter zieht auch in öffentlicher Gruppe vom Leder

Die Bienchen-Mama ist mit ihrem Profil „P.I.“ aber nicht nur im Kanal „Zeiten des Wahnsinns“ aktiv, sondern auch in einer öffentlichen Ortsgruppe der Organisation „Eltern für Recht und Freiheit“. Den genauen Namen dieser Gruppe halte ich zurück, weil es sich um den Heimatort der Familie handelt. In dieser Gruppe lässt sie die anderen Eltern an ihrer aktuellen Situation teilhaben. In einer fast fünfminütigen Sprachnachricht erzählt sie, wie sich die Suspendierung ihrer Tochter zugetragen hat. Die Mutter wurde zur Unterstützung von ihrer Tochter zur Schule gebeten. Schließlich mussten beide, die Tochter und die Mutter, von der Polizei vom Schulgelände eskortiert werden. In ihren Artikeln nennt die Mutter auch diese Situation, in der die „dunkelblauen Söldner“, also die Polizei, gerufen wurde. Es folgte ein dreitägiger Schulausschluss. 

Auf diese öffentliche Gruppe bin ich gestoßen, weil ich alle Nutzer-IDs der SE Youngsters mit denen in meiner Gruppensammlung überprüft habe. Gemeinsam mit T-Online und dem Magazin Kontraste haben wir so einen zentralen Netzwerker in der deutschsprachigen Telegram-Szene aufgedeckt.

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Sich an den PC zu setzen sei die beste Entscheidung ihres Lebens gewesen

Nachdem Einblick in das Weltbild der Mutter stellt sich die Frage, woher Sie diese Überzeugungen entwickelt haben könnte. Einen Hinweis gibt sie im Artikel „Bis zum letzten Atemzug“. Darin erzählt sie von ihren Gedanken am Anfang des Jahres 2020, als berichtet wurde, „dass eine schlimme Krankheit unser Land heimsuchen wird“. Sie sagt, dass sie zu Beginn das Virus nicht „einordnen“ konnte, beschreibt diesen Zustand als „eine beängstigende Vorstellung“. Als Krankenschwester erwartete Sie eine hohe Welle an Patient:innen, ihrer Meinung nach würde sogar das örtliche Krankenhaus ihre Hilfe benötigen. Die „prophezeite Welle“ blieb angeblich aus, sie wurde stutzig.

Quelle: https://telegra.ph/Bis-zum-letzten-Atemzug-04-18 

Auf welche Zahlen, Studien und Quellen Sie sich hier beruft, wird nicht weiter konkretisiert. Mit dieser Erkenntnis war Sie anfangs in ihrer Familie offenbar alleine, wie sie selbst im nächsten Absatz erklärt:

Quelle: https://telegra.ph/Bis-zum-letzten-Atemzug-04-18 

Ein Leserbrief zeigt: Bezahlung der Kinder für gute Noten

Nachdem die Mutter in der Anfangsphase der Pandemie von ihrer Radikalisierung erzählt, stellt sich die Frage, welche Einstellung sie vorher besaß. Eine Google-Suche bringt einen Leserbrief von ihr zu Tage, der Ende Februar 2018 in einer lokalen Wochenzeitung gedruckt wurde. Dort beantwortet Sie Fragen zum Thema “Geld für gute Noten”. Schon der Einstieg hat es in sich. Die Mutter hält “Taschengeld für eine leistungsfreie Alimentierung, die nur zu sinnlosem Konsum verführt und im späteren Leben als Erwachsener Hartz IV” genannt wird. 

Quelle Leserbrief

Ihre Kinder für deren Leistung zu bezahlen, findet sie gut: “Notengeld ist erarbeitetes Geld. Dafür musste der Nachwuchs Leistung erbringen und überlegt genau, für was er seinen sauer verdienten Groschen ausgibt”. Sie wird konkreter:

“Für Klassenarbeiten gibt es bei Note 1 bis 1- 5 Euro, für Note 1-2 und 2+ gibt es 2 Euro, für Note 2+ und 2 gibt es 1 Euro. Für Tests jeweils die Hälfte, über dem Klassendurchschnitt gibt es 50 Cent, für Zeugnisnoten gibt es die gleiche Runde nochmal”. 

Als die Mutter diesen Leserbrief schreibt, ist das Bienchen 14 Jahre alt. Wie sie später in einem Interview sagt, strebt sie seitdem eine Karriere als Offizierin bei der Bundeswehr an.

Die Biene bei der Bundeswehr wählt den Rückzug

Ende Mai wurde auf diversen Kanälen ein “Widerruf” verbreitet, in dem eine junge Frau von ihrem lang ersehnten Studienplatz bei der Bundeswehr zurückgetreten ist. Dieser Schritt ist ihr nicht leicht gefallen, da sie ihr “gesamtes Leben auf dieses Ziel ausgerichtet” hatte. Obwohl dieser Artikel anonym verfasst wurde finden sich bekannte Formulierungen. 

“Gerichte”, führt Sie aus,  seien “durch politische Ideologien nicht mehr fähig(…) Urteile auf der Grundlage von Fakten und Gesetzen zu fällen”, in den “höchsten Positionen der Judikative” säßen “politische Funktionäre”, und “der Bundestag und Bundesrat wurde durch eine verfassungswidrige Pokerrunde (…) ersetzt”. In Deutschland würden “totalitäre Strukturen” aufgebaut und “Menschen mehr oder weniger zu einer Impfung genötigt”. Außerdem übersteige “der Schaden der Impfungen bereits jetzt den Nutzen”.

Es scheint so, als ob jemand aus dem Dunstkreis Eckert diesen Widerruf verfasst hat. Dass es sich in der Tat um das Bienchen handelt, deckte Sie selbst in einem Interview mit dem Verein “Klagepaten” auf. Dort sagt Sie, dass sie seit ihrem vierzehnten Lebensjahr in allen Bereichen der Streitkräfte Schülerpraktika absolviert habe, mit Ausnahme des Sanitätsdiensts. 

Zu den Schülerpraktika habe ich recherchiert. Sie sind sehr begehrt, die Nachfrage ist groß. Informationen über die konkreten Inhalte habe ich nicht gefunden. Während den Wochen läuft man quasi mit und wird mit Aufgaben vertraut, die eher in den zivilen Bereich der Bundeswehr fallen. Kontakt mit scharfen Waffen haben diese Praktikant:innen sehr wahrscheinlich nicht. Mit dem Rücktritt ist der Traum zerstört, auf den das Bienchen seit vier Jahren hinarbeitet. Wie konnte es dazu kommen?

Radikalisiert durch die eigene Mutter?

Ob das Fleißige Bienchen bereits vor der Corona-Pandemie verschwörungsmythische Tendenzen zeigte, kann ich nicht nachvollziehen. Die Mutter jedoch erzählt von ihrer Radikalisierung durch das Internet und muss anfangs noch gegen die Überzeugungen ihrer Familie kämpfen. 

Über ein halbes Jahr später wird ihre älteste Tochter auf einer Demonstration eine Rede halten. Damit nimmt das Unheil seinen Lauf, und die Schwierigkeiten für die Familie des Bienchens beginnen. 

In dieser Rede wird das Fleißige Bienchen von ihrem Schulalltag und den angeblichen Unsinnigkeiten des Hygienekonzepts sprechen. Dieses untersage das Duschen nach dem Sportunterricht, führe zu verschwitzten Schüler:innen in den Klassenzimmern, die gelüftet werden müssen. Sollte sich jemand erkälten, müsse ein Corona-Test gemacht werden. Ist der positiv, muss die gesamte Stufe in Quarantäne. 

Eine Erkältung, die in einen positiven Coronatest resultiert, klingt verdächtig nach: „Corona ist nur eine Grippe“. Neben dem Augenzeugenbericht liefert die junge Frau aber auch gleich eine Erklärung. Sie schlussfolgert: 

„Die Antwort (…) ist so erschreckend wie einfach. Weil der allmächtige Lehrkörper es so will, und das zuständige Schulamt Augen und Ohren verschließt.“

Es bleiben wenig Zweifel daran, nach wessen Gosch die Tochter hier schwätzt. 

Eckert feiert die Corona-Verharmlosung durch seine Youngsters

Während die Youngsterin ihre Rede in Stuttgart hält, ist sie nicht allein auf der Bühne. Samuel Eckert selbst erweist ihr die Ehre, sichtlich stolz auf sein geistiges Kind. Mehrmals steht er breit grinsend neben ihr und saugt das Gelächter des Publikums in sich auf, als Reaktion auf die Punkte, die seine Youngsterin vorträgt. Er will, dass Sie sich möglichst gut in Szene setzt, dass Sie Ihn in Szene setzt. Denn immer wenn ein:e Youngster:in in seinem Namen auftritt, profitiert Eckert davon.  

Die Rede der Youngsterin passt ihm ausgezeichnet ins Konzept. Die Verschwörungsmythen und Falschnachrichten, die Eckert veröffentlicht, verbreiten sich rasend schnell. Klar, denn Geschichten über geheime Verschwörungen und im Dunkeln geschmiedete Pläne klicken sich besser als nüchterne Aufklärung. 

Das perfide ist: die Youngsters liefern solche Geschichten am Fließband. Sie sind Augenzeug:innen und erleben die Auswirkungen der Pandemie hautnah. Durch das Herausstellen von Extrembeispielen, um dadurch auf die Gesamtschülerschaft zu schließen, bedient sich Eckert einer klassischen Methode der Wissenschaftsleugnung. 

Um bei der Metapher zu bleiben: Eckert wäre der Imker, der seine Bienchen gewissenlos ausnutzt. Er selbst entzieht Ihnen den lebenswichtigen Honig, im Gegenzug erhalten seine Schutzbedürftigen billiges Zuckerwasser: Lob und Reichweite in der Querdenken-Blase um Eckert. 

Eine Familie im Widerstand

Zu Beginn meiner Recherche hatte ich nur einen Vor- und Nachnamen. Mit einfachen Mitteln habe ich versucht, die vergangenen Monate einer konkreten Familie nachzuzeichnen, die ihr Leben in den Dienst von Samuel Eckert gestellt hat. Hat sich das für Sie gelohnt? 

Nach Schulverweisen musste die Tochter das Abitur im Home Schooling abschließen, abgesondert von ihren ehemaligen Freund:innen. Ähnliches müssen ihre Brüder durchmachen: ihre Schulverträge werden gekündigt. Die Biene lässt ihren Traum einer Offizierslaufbahn platzen, für den sie bereits seit dem vierzehnten Lebensjahr hart arbeitet. Von der eigenen Mutter werden diese sensiblen Informationen veröffentlicht, um damit gegen Staat und Schulsystem zu wettern und sich als Unterdrückte im Widerstand gegen ein diktatorisches System darzustellen.

Die Mutter selbst hat ihre Ansichten aus dem Internet und “überzeugt” die Familie, nach eigener Aussage. Sie stürzt sich selbst in mehrere Panikattacken und die Familie in die soziale Ausgrenzung. 

Das Alles, weil man sich nicht testen oder impfen lassen, geschweige denn eine harmlose Maske tragen will. Die eigene Überzeugung steht nur auf dem Fundament der vermeintlichen Fakten, die aus dem Milieu um Samuel Eckert heraus in die Köpfe der Kinder und Familien fließt.

Traurig zu sehen, wie sich die Familie selbst ins soziale Abseits befördert hat.

Samuel Eckert ist derzeit wie andere extremistische Querdenker:innen in den Katstrophengebieten unterwegs um sich zu inszenieren:

Querdenker instrumentalisieren Flut: Sie kassieren ab, verhöhnen Flutopfer & verbreiten Lügen

So begann die Rekrutierung von Kindern:

Querdenken: Samuel Eckert rekrutiert Kinder für Propaganda & lockt sie auf Telegram

Autor:in datenliebe, Twitter, Telegram. Artikelbild: Screenshot Samuel Eckert / Screenshots