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Fake-Klage: Dieser „Querdenker“-Fake war so schlecht, sie mussten ihn selbst richtig stellen

von | Mai 9, 2021 | Analyse

Blick hinter die Fake-Pipeline von „Querdenken“

Heute möchten wir euch mal einen Fake zeigen, der zur Abwechslung mal ziemlich harmlos ist. Der nicht direkt gegen andere Menschen hetzt, der nicht direkt gefährliche Desinformation über Impfungen oder Corona beinhaltet. Es ist ein perfektes Beispiel, wie die Fake-News-Pipeline der Pandemie-Leugner:innen-Szene funktioniert, wie alle nur blind voneinander abschreiben, wie keiner für sich selbst denkt oder Meldungen kritisch hinterfragt. Und weil diese ideologisch verblendeten Leute uns Volksverpetzer:innen einfach aus Prinzip nicht glauben, nehmen wir als Beleg für das alles die „Querdenker:innen“ einfach selbst, was uns recht gibt. Im Speziellen Desinformations-Anwalt Fuellmich, der uns derzeit wenig vielversprechend für Wolfgang Wodarg verklagen möchte.

Es geht um diese Meldung hier: Ein unbekannter kleiner Twitter-Account hat am 5. Mai getwittert, dass der oberste kanadische Gerichtshof eine Klage über „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ von Fuellmich, Kennedy Jr. und eine Dalores Cahill „angenommen“ hätte.

Ok, Kontext? Wir müssen nicht komplett ins Detail gehen, aber die Verschwörungsideolog:innen glauben, sie könnten mit Quatsch-Klagen, die auf juristischem Halbwissen und pseudowissenschaftlichen Unsinn beruhen, die Pandemie quasi per Urteil beenden. Besonders ambitioniert sind da Fuellmich & Co., die vor vielen Monaten massiv Spenden gesammelt haben, angeblich, um eine „Sammelklage“ auf „Schadensersatz“ gegen Prof. Drosten & Co. einzureichen. Der Desinformations-Verbreiter hatte behauptet, eine derartige Sammelklage in Kanada einreichen zu wollen. Doch die, die er Anfang des Jahres präsentierte, ging u. a. gegen die Queen und den Papst. Wir haben berichtet:

Alles Täuschung? US-„Sammelklage gegen Drosten“ entpuppt sich als heiße Luft

Kurz darauf gab Fuellmich auch zu, dass dies gar nicht die Klage gegen Drosten sei, die er seit August 2020 versprochen hatte und für die er geschätzt über eine Million Euro gesammelt hatte:

Fuellmich gesteht versehentlich: Es gibt noch gar keine Sammelklage gegen Drosten

„Querdenker:innen“ feiern bereits abgewiesene Klage

Aufmerksame Leser:innen werden festgestellt haben, dass diese Klage genau diejenige ist, die der unbekannte Twitter-Account Anfang Mai getwittert hatte. Folgt man dem Link, den der Account zur vermeintlich gerade „angenommenen“ Klage beigefügt hat, landet man bei der Klageschrift vom Januar 2021, um die es in unseren oben genannten Artikeln geht.

Wir haben diesen Fake bereits vor ein paar Tagen entdeckt und – klarer Fall: Dieser Twitter-Account hat einfach den alten Link aus dem Januar Anfang Mai noch mal geteilt und (versehentlich?) so getan, als sei das eine neue Meldung. Das an sich ist und war nicht so spannend, aber hinzukommt, dass diese Klage längst in erster Instanz gescheitert ist. Bereits im März gab Fuellmich zu, dass genau diese Klage bereits abgewiesen wurde. Außerdem verloren sie eine andere Klage. Wir haben damals berichtet:

Fatale Niederlagen für Fuellmich – Gericht bestätigt, dass PCR-Tests Infektionen nachweisen

Ok, ein komischer Account macht einen auf Internet Explorer und bringt eine vier Monate alte Meldung, die längst überholt ist. Ist vielleicht witzig, aber immer noch nicht berichtenswert. Also haben wir bei Volksverpetzer darüber gelacht, den Kopf geschüttelt und weiter gemacht. Solche Fails sehen wir in der Querdenken-Szene täglich. Dann passierte jedoch etwas, das sehr schön aufzeigt, wie unkritisch, naiv und blind die Pandemie-Leugner:innen ihre Informationen glauben und verbreiten. Dieser Fail verbreitete sich in Telegram wie ein Lauffeuer.

Alle teilen unkritisch 4 Monate alte Meldung

Nachdem wir diesen Fake bereits abgetan hatten, sahen wir ihn plötzlich überall: In allen Telegram-Gruppen der Verschwörungsideolog:innen verbreitete sich die Meldung, dass in Kanada eine Klage angenommen wurde. Alle feierten, jubelten. Der rechtsextreme QAnon-Gläubige Wendler feierte es als „grosser Erfolg für die Wahrheit“ [sic]. Die Fake-Schleuder „Ärzte für Aufklärung“ teilte die Meldung als „grosser Schritt“. Und forderte, dass diese Klage in allen Ländern akzeptiert werden müsste.

Mit „Wahrheit“ oder „Aufklärung“ haben diese Leute jedoch rein gar nichts zu tun – wie sie hier in einem großen Eigentor selbst bewiesen haben. Denn folgt man deren eigenem (!) Link, landet man auf der Klage, die auf den 12. Januar datiert ist. Ihr seht, dass diese selbst erklärten Streiter:innen für die „Wahrheit“ und für „Aufklärung“, die ständig propagieren, „für sich selbst zu denken“ und alles „kritisch zu hinterfragen“, rein gar nichts davon machen. Das sind Feigenblätter für die eigene ideologische Verblendung. In Wahrheit glauben diese Leute einfach ungesehen alles, was ihr Weltbild bestätigt.

Wenn ihr jeweiliger Telegram-Guru eine Meldung bringt, wird das unkritisch geschluckt, geglaubt, wird blind gefolgt. Diese „Schlafschafe“ akzeptieren einfach alles, was ihnen ihre Wortführer:innen erzählen und hinterfragen nichts davon kritisch. Und halten sich ironischerweise für aufgeklärt. Keiner folgt dem Link oder guckt aufs Datum. Ungelesen verbreiten sie die Meldung weiter, weil sie sich so schön anhört. Es ist genau das, was wir Volksverpetzer:innen seit Jahren erklären. Aber nein, uns darf man ja nicht glauben, am Ende stellt man noch fest, dass man Märchen hinterherläuft.

Fuellmich muss selbst den Fake richtigstellen

An dieser Stelle hätte ich immer noch nicht den Artikel geschrieben, auch wenn es deutlich zeigt, wie sich Fake-Meldungen in dieser Szene tausendfach verbreiten. Wenn wir bei Volksverpetzer den Quergläubigen das erzählt hätten, würden sie eher glauben, wir seien von Bill Gates & Co. bezahlt, um ihnen ihre schöne Wahnwelt kaputtzumachen, als ihre eigenen Anführer:innen zu hinterfragen. Das ist der ideologische Beißreflex, die kognitive Dissonanz, der es ermöglicht, dass diese Leute fest an ihrem realitätsfernen Weltbild festhalten können. Aber diese Meldung verbreitete sich so weit und viel, dass diejenigen, um die es in der Fake-Meldung gibt, Fuellmich und seine Mitstreiter:innen, sich gezwungen sahen, selbst eine Richtigstellung zu veröffentlichen.

„Diese Meldung […] ist falsch.“ und „Es gibt keine Klage dieser drei […] Personen.“ Sie weisen auch darauf hin, dass es eine Klage in zweiter Instanz in Kanada geben soll – womit sie uns ja recht geben, dass sie in erster Instanz bereits gescheitert sind. Es passiert selten, dass Pandemie-Leugner:innen die Fakes ihrer Mitideolog:innen aufklären. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Außerdem wird man ja schnell aus der sektenhaften Bewegung verstoßen, wenn man die Dogmen infrage stellt. Aber hier haben wir ein schönes Beispiel dafür, wie die Mechanismen funktionieren.

„Querdenker:innen“ sind die leichtgläubigsten und unkritischsten Medien-Konsument:innen

Eben weil an diesem Fake nicht das ganze Weltbild der Verschwörungsideolog:innen hing, fällt es ihnen leichter, einzugestehen, dass sie sich hier verrannt haben und einer Ente aufgesessen sind. Dass sie, ohne es zu hinterfragen, die erstbeste Meldung geteilt und geglaubt haben, die sie gesehen haben, wollen sie aber nicht wahrhaben. Natürlich kommt keiner auf die Idee, festzustellen, dass beinahe JEDE Meldung in diesen Kanälen genau so falsch ist und trotzdem geglaubt wird. Aber das erfahren sie meistens nicht. Und wenn schon, dann schickt man lieber denjenigen, die einen darauf hinweisen, Morddrohungen und fantasiert darüber, dass diese „gekauft“ seien.

Quergläubige sind extrem naiv und leichtgläubig, eben weil sie genau das Gegenteil davon für wahr halten. Und das ist ein schönes Beispiel dafür. Fragt sie doch: Warum haben sie diese Fake-Meldung denn einfach geglaubt? Warum haben sie es nicht kritisch hinterfragt? Wie oft ist das schon passiert? Dass es falsch ist, hat ja „einer der ihren“ selbst zugegeben. Wie viele der Meldungen, die ihr noch geteilt habt und bis heute glaubt, basieren noch auf einer Lüge oder einem Missverständnis? Könnt ihr euch sicher sein, dass ihr „kritisch“ seid? Es ist hoffnungslos, aber vielleicht ist das eine gute Gelegenheit für diese Leute, etwas wirklich kritisch zu hinterfragen – ihre eigene Ideologie.

Zum Thema:

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Artikelbild: pixabay.com, CC0

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