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Bautzen: Fake-Inserate von ungeimpften Pflegekräften, um Stimmung gegen Impfpflicht zu machen?

von | Jan 23, 2022 | Aktuelles

Fake-Ungeimpfte Pflegekräfte-Inserate in Bautzen?

Ein Journalist deckt auf: Über 100 Inserate aus dem „Oberlausitzer Kurier“ (in der Ausgabe KW03/2022) von angeblich ungeimpften Pflegekräften, die wegen der kommenden Impfpflicht arbeitslos sein sollten, könnten möglicherweise Fake sein. Weitere Recherchen zeigen: Viele Telefonnummern sind nicht erreichbar oder offensichtlich falsch, wie z. B. 0123456789. Wir haben uns auch einige Nummern in Telegram angeschaut: „Schwester Olivia“ z. B. scheint ein männlicher, tätowierter Rammstein Fan zu sein, der Corona verharmlost. Die Zeitung „bautzenerbote“ verlinkt das e-paper dieser Ausgabe des Oberlausitzer Kuriers im Rahmen eines eigenen Artikels zum Thema Impfpflicht mit ähnlichem Tenor. Geschäftsführer der Verlagsanstalt hinter dem Boten aus Bautzen: ein Abgeordneter der AfD.

Was in den letzten Jahren bei Masern schon für lange Diskussionen sorgte, gilt jetzt für einige wenige Impfgegner:innen als das neue Schreckgespenst und personifizierter Antichrist: Die Diskussion um eine Impfpflicht. Seit einem Jahr diskutiert die Politik hier über die Ausprägung, aktuell sind 60 % für eine allgemeine Covid-Impfpflicht (Weiterhin deutliche Mehrheit für allgemeine Impfpflicht), aber eine Sache ist jetzt schon klar und wissenschaftlich kaum diskutabel. Mitarbeiter:innen in medizinischen Berufen haben ein noch höheres Risiko und müssen noch besser schützen und geschützt werden.

Daher verkündete das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) am 10.12.2021:

Einrichtungsbezogene Impfpflicht kommt

Bundestag und Bundesrat beschließen das „Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19“: Patientinnen, Patienten und Pflegebedürftige sollen besser vor einer Covid-19-Infektion geschützt werden. Deshalb müssen Beschäftigte in Einrichtungen des Gesundheits- und Pflegebereichs künftig nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind oder aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Diese einrichtungsbezogene Impfpflicht ist Teil des „Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie“, das der Deutsche Bundestag und der Bundesrat am Freitag, 10.12.2021 verabschiedet haben.

Quelle: Einrichtungsbezogene Impfpflicht kommt – Bundesgesundheitsministerium

Wie Querdenker:innen mit Fake News Stimmung erzeugen wollen

Die Szene der Pandemieleugner:innen und Impfgegner:innen geht bekanntermaßen über Leichen, um falsche Narrative hoffähig zu machen, wir erlebten das beispielsweise zuletzt noch hier:

Lauterbach will Ende der Pandemie – Querdenker reißen Videoausschnitt aus dem Kontext

Besonders beliebt ist im Zusammenhang mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht der Mythos, dass ein Großteil der Menschen in Medizin und Pflege aus diesem Grund ihren Job aufgeben und der Branche den Rücken kehren würde.

Erfolglose Kontaktaufnahmen und Fake-Handynummern?

Journalist Andreas Rausch vom Rundfunk Berlin-Brandenburg konnte in diesem Zusammenhang kaum glauben, was er im Oberlausitzer Kurier sah und veröffentlichte dies auf Twitter. Ein seitenfüllender Artikel über den „Widerstand“, Proteste „besorgter“ Bürger:innen und regionale Corona-Maßnahmen-Proteste inkl. einem Vergleich mit den Protesten von 1989.

Beim Weiterblättern kam es dann noch dicker. Unter der Rubrik „Stellenmarkt und Bildungsangebote“ listete der Oberlausitzer Kurier in der Lokalausgabe Bautzen 126 (!) Stellengesuche auf, komplett aus dem Gesundheitswesen, von der Krankenschwester über den Altenpfleger bis zur Physiotherapeutin.

Sein Bauchgefühl war bezüglich dieses Blattes kein Gutes, er wollte nun verstehen, was hier passierte und setzte sich ans Telefon, um herauszubekommen, was hier gespielt wurde. Im weiteren Verlauf probierte er viele der genannten Telefonnummern durch, schaffte es aber nicht, jemals eine Auskunft zur Annonce zu bekommen – „bei Intensivschwestern mit einer Handynr. 0160-1234567890 lohnte sich der Anruf eher ebenso nicht“.

Hunderte Inserate von ungeimpften Pflegekräften sind mutmaßlich Fake, um Stimmung zu erzeugen.

Eigene Recherchen vom Volksverpetzer-Team zeigen die Richtung

Gräbt man tiefer bei manchen Nummern, wie es unser auf Telegram-Recherche spezialisierter Nutzer „datenliebe“ tat, trifft man auf sehr skurrile Profile, die teilweise öffentliche Telegramprofile pflegen, welche mit der Stellensuche selten plausibel zusammenhängen.

„Schwester Olivia“, tätowierter Rammstein-Fan, erzählt in „Austausch Pflegekrise“ von Covid-Inf. im Nov 2020. „Körper kommt gut mit Inf. klar“. Es ginge um „die Reduktion von Pflegekräften“, anders seien die Maßn. nicht zu erklären. Witzig: 1. Profilbild (Katze) ist v. August 20, 2. v April 22 (Spruch) und 3. v. Mai 22 (Strand). Sie ist aktiv nur um Dez. 20. Es scheint so, als ob jemand diesen Account danach für andere Zwecke nutzt. Das ist keine „Schwester Olivia“.

Weitere:

Je tiefer man recherchiert, desto spannender wird es. Der BautzenerBote, der das e-paper KW03 des Oberlausitzer Kuriers im Rahmen eines Artikels verlinkt, wird von dem AfD-Politiker Frank Peschel verantwortet, Pressereferent der AfD – Fraktion im Sächsischen Landtag und Mitglied ebendort seit 2019.

https://twitter.com/GKDJournalisten/status/1484889435867168768

Weitere ähnliche Anzeigen zur Stimmungsmache werden folgen

Wie T-Online soeben aus eigener Recherche berichtet, sind weitere ähnliche Anzeigen deutschlandweit in solchen regionalen Anzeigenblättern quasi konzertiert veröffentlicht und in Vorbereitung. Es bleibt also aktuell noch die Frage offen, wer diese Kampagnen zentral steuert und finanziert. Eines ist aber jetzt schon klar: Eine Massenflucht aus dem renovierungsbedürftigen Gesundheitssektor findet zumindest derzeit noch nicht statt. Was auch für viele Sinn machen würde, denn im Falle einer eigenständigen Kündigung vor der Einführung der Impfpflicht fielen für die betroffenen Mitarbeiter:innen erst einmal die Ansprüche auf jegliche Arbeitslosenunterstützung weg.

Obwohl es sicherlich genug valide Gründe für eine Kündigung geben würde, – wie extreme Überlastung oder unterbezahlte Jobs – halten noch viele Beschäftigte im Gesundheitssektor durch und helfen als Überzeugungstäter kranken Menschen, so gut sie es können. Dazu gehört auch der Schutz vor Covid-19.

Zum Thema:

„Acura Kliniken“ verbreiten Corona-Fakes – Geschäftsführer Nähe zur AfD

Artikelbild: Screenshot

Unsere Autor:innen nutzen die Corona-Warn App des RKI.