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Propaganda-Fail: Dieser „ukrainische“ Busbahnhof steht in Hamburg-Poppenbüttel!

von | Jun 15, 2023 | Faktencheck

Ein deutschsprachiger Telegram-Kanal, der russische Propaganda verbreitet, möchte die russischen Besatzer:innen im Osten der Ukraine gut dastehen lassen. Dazu verbreiten sie Bilder, die den Busbahnhof in Hamburg-Poppenbüttel zeigen und verkaufen diesen einfach mal als russische Bauleistung. Absurde, einfach zu widerlegende Fake-News, doch treue Putin-Fans glauben dies nur zu gern.

Faktencheck: Der Busbahnhof in Hamburg-Poppenbüttel

Es ist mittlerweile schwer zu glauben, wie niedrig das Niveau russischer Desinformation geworden ist. Klar, wir befinden uns mittlerweile in der ukrainischen Gegenoffensive und auch wenn der Krieg jetzt noch lange nicht vorbei ist, sehen im Kreml wohl einige langsam ihre Felle davonschwimmen. Das könnte die fast schon panische Verzweiflung erklären, mit der schlechte Fakes produziert werden. Doch der angeblich in Rekordzeit aufgebaute Busbahnhof in Mariupol, der eigentlich seit fast 15 Jahren in Hamburg-Poppenbüttel steht, ist wirklich anders dreist. Aber der Reihe nach.

Der Stadtteil Poppenbüttel im Hamburger Norden hat seit 2009 einen neuen, modernen Busbahnhof. Das Gebäude liegt am Wenzelsplatz. Gern würde ich auch Google Streetview empfehlen, denn da kann man sich auf den Wentzelplatz in Hamburg stellen. Doch da wir hier von Deutschland reden ist das „neueste“ Bildmaterial von 2008 und man blickt auf eine Baustelle. Jedenfalls ist es ziemlich klar und deutlich, dass dieses Gebäude, von dem wir schicke Bilder auf der Seite des verantwortlichen Architekten Michael Blunck finden, der Busbahnhof von Hamburg-Poppenbüttel ist:

Bildquelle: Screenshot blunck-morgen.de

Doch das hindert einen der vielen Multiplikatoren russischer Propaganda nicht daran, sich einfach eine komplett neue Geschichte um das Gebäude auszudenken, es mal eben 2.000 Kilometer nach Osten zu versetzen und zu behaupten, die russischen Besatzer:innen hätten es gebaut. Klingt wie der schlechte Plot eines durchschnittlichen US-Blockbusters, ist aber genau so passiert.

Bildquelle: Screenshot twitter.com

So absurd wird in pro-russischen Telegram-Kanälen gelogen

Ein deutscher Telegram-Kanal namens „InfoDefenseDEUTSCH“ verbreitete am 5. Juni nämlich genau diesen Fake. Angeblich hätte die russische Besatzungsmacht in der Ukraine nach ihrer völkerrechtswidrigen Invasion im besetzten Mariupol den Busbahnhof erneuert und modernisiert. Behauptet zumindest der genannte Kanal in folgender (mittlerweile gelöschten) Nachricht, die wir mithilfe des Twitter Users Eric Moore bestätigen konnten:

Screenshot twitter.com

Wenn man die Bilder von der Website des Architekten kennt, kommt einem der angeblich „neue Busbahnhof“ erstaunlich bekannt vor. Die pro-russischen Propaganda-Schleudern haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Wolken aus dem geklauten Bild zu entfernen. Das ist buchstäblich die heilige Dreieinigkeit aus „kopieren, einfügen, beten, dass niemand so genau hinschaut“. Der Fake tauchte übrigens ursprünglich in etwas anderer Form schon auf anderen pro-russischen Propaganda-Kanälen auf.

Die Seite „DNR News“ veröffentlichte beispielsweise im März dieses Jahres angebliche Pläne, die Busstation in Mariupol neu aufzubauen. Die Abkürzung „DNR“ steht für die sogenannte „Volksrepublik Donezk“, das pro-russische de facto-Regime im Osten der Ukraine, das mittlerweile aus russischer Sicht zu Russland gehört. Und dreimal dürft ihr raten, aus welcher norddeutschen Stadt das für den angeblichen „Neubauplan“ verwendete Foto stammt.

BIldquelle Screenshot dnr-news.ru

Diese Seite verweist übrigens als Quelle wiederum auf einen sogenannten „Offiziellen Telegram-Kanal der Bezirksverwaltung von Telmanovsky in der DNR“ mit 150 Abonnent:innen. Selbstverständlich keine seriöse Quelle, aber zumindest scheint ihnen Hamburg-Poppenbüttel zu gefallen. So funktioniert die russische Propaganda-Maschinerie.

Übrigens: Wer sich ein Bild davon machen möchte, wie „toll“ sich der russische Angriffskrieg auf die besetzten Gebiete ausgewirkt hat, kann die OSINT-Sammlung Eyes on Russia nutzen. Hier ist in ebenso hervorragender wie erschütternder Art und Weise sichtbar, wie viel Zerstörung die russische Invasion über den Osten der Ukraine gebracht hat. Alle Bildmaterialien stammen aus öffentlich zugänglichen Quellen, so auch das Folgende, welches zeigt, wie die Busstation in Mariupol tatsächlich im April des vergangenen Jahres, nach der russischen Invasion, aussah:

Bildquelle: eyesonrussia.org

Fazit: Busbahnhof steht in Hamburg-Poppenbüttel, russische Propaganda verbreitet Verunsicherung

Okay, ich hätte ehrlich gesagt niemals gedacht, dass das mal ein Fazit eines Artikels sein würde, aber: Ja, der Busbahnhof von Hamburg-Poppenbüttel steht in Hamburg-Poppenbüttel und nicht im Osten der Ukraine. Wenn die prorussische Propaganda behauptet, dass russische Besatzer:innen den Busbahnhof von Mariupol in Windeseile wiederaufgebaut hätten (oder planen, dies zu tun), solltest du immer erstmal stutzig werden. Gerade in diesem Beispiel ist es fast schon lächerlich, wie einfach sich der Fake widerlegen lässt. Die traurige Wahrheit ist, dass die Busstation in Mariupol dank der russischen Invasion komplett zerstört wurde, so wie große Teile der Stadt.

Natürlich mag sich das Lesen dieses Artikels jetzt vielleicht auch wie ein kleiner Sieg anfühlen. Wieder einmal haben wir prorussische Propaganda widerlegt, wieder einmal ein kleiner Tropfen, der den großen Stein namens Kreml höhlt? Das mag sein. Doch gleichzeitig darf man nicht vergessen: Das Ziel der russischen Propaganda ist nicht, alle davon zu überzeugen, dass der Busbahnhof Hamburg-Poppenbüttel in der Ostukraine steht. Das glaub vielleicht eine handvoll treuer Kreml-Gläubiger, doch um die geht es gar nicht so sehr. Das Ziel der russischen Propaganda ist es, Verunsicherung und Zweifel im „Westen“ (also in Europa) zu sähen. Nach dem Motto „Wenn wir es nicht schaffen, dass ihr unserer Propaganda glaubt, dann schaffen wir es immerhin, dass ihr niemandem mehr glaubt“. Diese Strategie wird muddy the waters genannt, „das Wasser trüben“.

Mit jedem Menschen in Europa, der glaubt „man kann ja beiden Seiten nicht trauen!“, hat diese Strategie ein bisschen mehr Erfolg. Denn es stimmt ja auch, dass man westlichen Medien nicht blind vertrauen darf. Aber immerhin haben wir frei zugängliche, kritische Informationen und Faktenchecks. Wir haben öffentlich zugängliche Quellen, die ihr selbst nachprüfen könnt. Wir berichten auch über Themen, die unangenehm sind. Bleibt kritisch, prüft die Quellen der Artikel, die ihr lest, nach. Aber lasst euch nicht von russischer Propaganda verunsichern. Auch wenn sie noch so oft mit Bildern aus deutschen Städten über Mariupol lügen.

Artikelbild: canva.com/ Screenshots telegram; Screenshots/Collage blunck-morgen.de