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Warum diese Aussage der FDP zu E-Fuels an Energie-Esoterik grenzt

von | Apr 27, 2023 | Faktencheck

Bitter: Die FDP scheint immer weiter in Klima- und Energie-Esoterik abzudriften. Nicht falsch verstehen: Parteien können gerne unterschiedlicher Meinung sein, mit welchen Instrumenten die Klimaziele am besten zu erreichen sind und sich in den Wettbewerb um die besten Ideen einbringen. Die zuletzt noch auf Innovation und technischen Fortschritt verweisende FDP scheint die tatsächlich existierenden Innovationen nun aber gar nicht mehr wirklich fördern zu wollen und erfindet allerlei krude Behauptungen, um alte Technologien künstlich am Leben zu erhalten, in diesem Fall Verbrennungsmotoren und E-Fuels (alternativ hier auf Twitter):

Die Vorteile von E-Fuels

Grundsätzlich ist es so: E-Fuels sind eine geniale Technologie. Eine Art Superjoker der Ingenieurskunst, mit dem wir all die Bereiche klimaneutral umbauen können, bei denen wir auf dem aktuellen Stand der Technik mit Elektrizität allein noch nicht weit kommen: Langstrecken-Frachtschiffe, Flugverkehr, Landmaschinen oder chemische Industrie kommen ohne Kohlenwasserstoffe noch nicht aus (aber auch das kann sich ändern).

Der Gedanke, was mit unserer Erdöl-süchtigen Gesellschaft mal passiert, wenn das Zeug alle ist, mündete in den 80ern in verschiedenen Dystopien à la Mad Max, in denen sich die Überreste der Menschheit gegenseitig massakrieren. Good News: Das Massaker fällt aus, denn anstatt gegen Motorradbanden anzutreten, könnte sich ein echter Mad Max des Jahres 2023 mithilfe des australischen Sonnenscheins, PV-Modulen, Wasser und extrahiertem CO₂ selbst Kraftstoffe synthetisieren.

Die Nachteile von E-Fuels

Nachteil: Es ist teuer und verschlingt eine Menge Energie. Ein Vielfaches von dem, als wenn wir Anwendungen direkt auf elektrisch umstellen. Deswegen empfehlen alle renommierten Forschungsinstitute dringend, alles direkt mit Strom zu machen, das sich dafür eignet, und damit eben auch den Autoverkehr. Neben dem Energieverbrauch hat das auch den Vorteil, dass keine lokalen Emissionen wie giftige Abgase oder Lärm entstehen, was auch bei E-Fuels ein Problem bleiben wird.

Die FDP behauptet nun allen Ernstes, dass ausgerechnet E-Fuels „der schnellste (!) Weg zu weniger CO₂ im Verkehr“ wären, eine auf mehreren Ebenen vollkommen absurde Behauptung. E-Fuels sind ein sinnvoller Baustein, aber Schnelligkeit ist so gar nicht ihre Stärke.

E-Fuels können gar nichts einsparen, weil es sie noch nicht so gibt

Wer wirklich möglichst schnell CO₂-Emissionen im Verkehrssektor einsparen möchte, müsste zuerst für weniger, langsamere und elektrische(re) Fahrten sorgen, manches davon ließe sich innerhalb von Tagen umsetzen (z.B. via französische Tempolimits).

E-Fuels hingegen können aktuell im Bestand gar nichts einsparen, denn sie sind aktuell kommerziell noch gar nicht verfügbar. Synthetische Kraftstoffe gibt es zwar bereits, aber solche, die mit Erneuerbaren Energien hergestellt wurden, sind bislang Forschungs- und Pilotanlagen.

Bislang sind weltweit 60 E-Fuel-Produktionsanlagen bis 2035 angekündigt, bei einem (!) Prozent davon steht die Finanzierung. Und selbst, wenn man annimmt, dass alle diese Projekte gebaut werden, könnten all diese Anlagen weltweit zusammen etwa zehn Prozent (!) der deutschen Nachfrage in den unverzichtbaren E-Fuel-Anwendungen Flug, Schifffahrt usw. decken.

Vermutlich wollen die anderen Länder aber auch welche einsetzen, sodass wir aktuell nicht mal diese 10 Prozent schaffen würden. Es ist anzunehmen und auch zu hoffen, dass wir bis 2035 noch mehr dieser Projekte sehen werden, aber schnell geht hier überhaupt nichts:

Windkraft & E-Autos wären 500-mal schneller

Allein die Porsche-Anlage in Chile hat 100 Millionen € gekostet und erzeugt in der ersten Ausbaustufe 130.000 Liter E-Fuels im Jahr, das reicht in Deutschland für 160 sparsame Diesel-PKW mit 6 Liter Verbrauch/100 km. Mit diesem Budget Geld könnten man wir auch in Deutschland Windkraft zubauen, mit der 80.000 E-Autos fahren, das ginge also um den Faktor 500 (!) schneller.

(Rechnung: 100 Megawatt Windkraft mit 2.200 Volllaststunden erzeugen 220 GWh Strom. E-Autos mit 20 kWh Verbrauch/100 km und 13.500 km Jahresfahrleistung verfahren 2.700 kWh pro Jahr. 220.000.000 kWh / 2.700 kWh = 81,481)

Screenshot via

In der Gesamtschau können wir natürlich froh sein, dass Porsche, Siemens und die anderen Partner Geld in diese Technologie investieren und damit in Südamerika Pionierarbeit leisten, die auch für viele andere Sektoren wertvolle Daten liefern wird. Wer hier aber mit Schnelligkeit argumentiert, hat gar nicht verstanden, worum es überhaupt geht oder lügt bewusst.

Schneller wäre auch das Tempolimit und mehr

Noch schneller würden übrigens Tempolimit, Citymaut oder verteuerte Inlandsflüge CO₂ im Verkehr reduzieren. Ist nicht gerade FDP-Politik, ich weiß, aber dann wäre ich halt vorsichtig mit Behauptungen, E-Fuels seien „der schnellste Weg zu weniger CO₂ im Verkehr“. Sie sind mit Abstand der Langsamste.

Verkehr sind übrigens auch Frachtschiffe, Flugzeuge und Langstrecken-LKW. Jeder Liter E-fuels, der in PWK wandert, fehlt bei diesen nicht elektrisch betreibbaren Verkehrsträgern, die dann entsprechend länger fossil unterwegs sind.

Nicht nur ist die ganze Behauptung ziemlich populistisch, sie passt auch am ehesten zu ultrakonservativen Parteien, nicht zu einer liberalen, klugen, langfristigen Wirtschaftsstrategie. Deutsche Firmen haben eigentlich eine Jahrhunderte alte Tradition, im Maschinenbau an der Weltspitze zu liegen.

Das politische Festhalten an überholten Technologien bedeutet für diese Hersteller nun, dass sie weniger innovative Produkte in ihrem eigenen Heimatmarkt absetzen können und damit einen Nachteil gegenüber ausländischen Firmen bekommen, die heute schon starke Umsätze mit E-Autos erzielen. Bei der Automesse in Shanghai wurde klar, wie weit der Vorsprung chinesischer Hersteller bereits ist und dass er wächst.

Der eigenen Bevölkerung einzureden, sie könnten bis in alle Ewigkeit mit Verbrennungsmotoren unterwegs sein, wird nicht unbedingt helfen, diesen Rückstand aufzuholen.

Artikelbild: Screenshot twitter.com/shutterstock.com