Vor einer Weile machte eine gefälschte Grafik über angebliche ideologische Ausrichtungen von Presseclub-Gästen die Runde, die der „ÖRR Blog“ verbreitet hatte. Auch der „WELT“ Chef Ulf Poschardt teilte diesen peinlichen Fake mit ausgedachten Studienergebnissen. Dabei zeigte die Studie, dass der ÖRR ebenso ausgewogen und vielfältig berichtet wie andere.
Die Studie der Universität Mainz mit dem Titel „Fehlt da was? Perspektivenvielfalt in den öffentlich-rechtlichen Nachrichtenformaten“ hat Anfang des Jahres 2024 große Wellen in der Medienlandschaft geschlagen. Sie ist als eine quantitative Inhaltsanalyse angelegt, in der öffentlich-rechtliche und privatwirtschaftliche Nachrichtenformate analysiert und insbesondere miteinander verglichen werden. Und sie hat herausgefunden: Die Öffentlich-Rechtlichen Medien sind sehr ausgewogen und ebenso vielfältig wie andere Nachrichtenmedien.
Populistische und rechte Medien wie die Bild haben sie aber absichtlich falsch interpretiert und wie immer behauptet, dass ausgerechnet ARD und ZDF einen „Links-Drall“ hätten. Kern der Studie war aber die Fragestellung, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk inhaltlich vielfältiger berichtet als andere Nachrichtenmedien. Das Ergebnis: Der ÖRR hat im Zeitraum vom April bis Juni 2023 genauso vielfältig über die Nachrichtenlage berichtet, wie es private Vergleichsmedien ebenfalls getan haben. Die Studie schlussfolgert sogar buchstäblich, dass man ihnen nicht vorwerfen kann, „einseitig“ zu sein:
Dieses Ergebnis hat nicht nur der BILD nicht gefallen, sondern auch dem ÖRR Blog, der seit seiner Gründung auf Twitter (2020) verzweifelt versucht, dem ÖRR eine besonders links-grüne Tendenz unterzujubeln. In der Selbstbeschreibung auf Twitter klingt der Account, der von dem CSU-Mitglied Jonas Müller betrieben wird, seriös. Hier betitelt er sich als „Kritische Beobachter des deutschen Öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Für eine Verkleinerung und Kostenreduzierung. #ReformOerr“. Bei näherer Betrachtung wird aber klar, dass es sich um ein Kampagnenportal handelt, das regelmäßig unter dem Deckmantel einer vermeintlich objektiven Kritik manipuliert, selektiv kritisiert und Desinformation verbreitet. So auch beim Verbreiten dieser gefälschten Grafik:
Die gefälschte Grafik
Der ÖRR Blog hat sich an der Mainzer Studie bedient und die ideologische Grundpositionierung der 47 untersuchten Medien übernommen. Der Blog hat sich dann offenbar die Gästelisten der 25 Sendungen des Presseclubs (seit Oktober 23) anguckt und entsprechend der Besucherzahlen die Kreise der Grundpositionierung größer oder kleiner gestaltet. Jetzt geht der Fake so richtig los: Der ÖRR-Blog hat anscheinend die Bezeichnung der Grundhaltung abgeändert und die Einordnung „links“ und „rechts“ hinzugefügt, der Ergebnisraum wurde eingekürzt und die Einordnung folgender Medien hat er sich offensichtlich kurzerhand ausgedacht: NZZ, BR, ZDF, NDR, RND, Correctiv.
Dabei bleibt es nicht. Der ÖRR-Blog suggeriert mit dieser ausgedachten Grafik, dass die Studie Talkshows in die Analyse einbezogen hat. In der Studie wird nur leider explizit erwähnt, dass Talkshows, wie der Presseclub, NICHT analysiert wurden. Entweder hat Jonas Müller diese Studie überhaupt nicht gelesen oder er hat sie gelesen und die Inhalte bewusst ignoriert. In beiden Fällen muss man von Vorsatz ausgehen.
Die gefälschte Grafik ist also durchgängig manipuliert und nachweisbar Unsinn. Dass diese ausgedachte Grafik von Anfang an Unsinn war, wurde sehr früh von einem der Autoren der Studie klargemacht. Der ÖRR-Blog hat die Grafik dann gelöscht und sich entschuldigt.
“Problem: Einordnungen sind teils erfunden (NZZ & Correctiv) und die Achsen sind falsch beschriftet & abgeschnitten. Wer von Medien Sorgfalt fordert, sollte selbst genauer arbeiten!”
Auftritt WELT-Chef
Das alles hält Ulf Poschardt, WELT-Chef, nicht davon ab, etwa zwei Wochen später die ausgedachte Grafik trotzdem zu teilen. Wo er sie herhat, weiß nur er. Auch wenn man von einem Chefredakteur mehr erwarten könnte, zeigt es erneut das problematische Verhältnis von Poschardt zu Fakten.
Auch Poschardt wurde von einem der Studienautoren kritisiert:
“Gleichsam bezeichnend (in vielerlei Hinsicht) und traurig, dass die falsche Grafik des @OERRBlog noch immer weiterverbreitet wird. Gerade von Journalist*innen hätte ich mir mehr Sorgfalt erhofft.”
Zwei Wochen nachdem der Fake des ÖRR Blogs aufgeflogen ist, hat Poschardt die Fake-Grafik dennoch verbreitet und erst nach Kritik kommentarlos und anscheinend ohne Richtigstellung wieder gelöscht.
Poschardt scheint des Öfteren falsche Dinge zu twittern, die er kurz darauf wieder löscht (Die Journalistin kommentiert in WELT-TV).
Es ging um diesen Tweet:
Fazit: Einseitigkeit von Rechts
Am Ende zeigt sich, wie sehr Desinformation im Gewand von vermeintlicher Objektivität blüht. Das Verhältnis von Ulf Poschardt zum Kampagnenportal des ÖRR-Blogs lässt sich abschließend mit einem knapp zwei Jahre alten Tweet zusammenfassen.
Die zitierte Studie hatte gezeigt, dass der ÖRR ebenso ausgewogen und vielfältig berichtet wie andere Medien. Der Vorwurf der Einseitigkeit gegenüber des ÖRRs basiert in sich selbst auf eigener Einseitigkeit und Manipulation. Der Vorwurf der außerordentlichen Einseitigkeit wird durch diese Studie und durch die offenbare Notwendigkeit der Manipulation ihrer Ergebnisse entkräftet.
Dieser Text wurde vom Volksverpetzer-Team in Kollaboration mit dem ÖRR Blog-Watch erstellt. Das ist ein Account, der ehrenamtlich die Einseitigkeit und Desinformation des Kampagnen-Accounts “ÖRR Blog” regelmäßig auf Twitter aufdeckt. Zu dessen Schutz wird die Person hinter dem Account pseudonym bleiben, dessen Identität ist der Redaktion bekannt. Artikelbild: canva.com/Screenshot twitter.com