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Rechte wollen deine Kinder krank machen: die Özdemir-Milch-Verbot-Lüge

von | Mrz 6, 2023 | Faktencheck

Süßigkeiten, Chips, Kuchen, Eis – die meisten von uns naschen sicherlich gern. Ebenso dürfte den meisten von uns bekannt sein, dass diese Produkte viel Zucker, Fett und Salz beinhalten, das in der Masse für die meisten von uns ungesund ist. Zu viel Zucker ist natürlich auch besonders ungesund für unsere Kinder. Bundesminister für Ernährung Özdemir möchte jetzt unsere Kinder besser davor schützen, durch manipulative Werbung dazu verleitet zu werden, zu viel davon zu essen. Dagegen hat natürlich die Werbeindustrie etwas, die damit Geld verdienen will. Und die rechten Lügen-Medien, die euch mit Verkürzungen und Panikmache indoktrinieren wollen.

Du willst doch auch unsere Kinder schützen, oder?

Zuerst einmal die Fakten: Kinder bevorzugen viel stärker als Erwachsene süße Dinge (Ventura and Mennella 2011; Bobowslo and Mennella 2017), der Konsum von Zucker durch Kinder nimmt weiter zu (Duffey and Popkin 2007; Heyman and Abrams 2017). Studien zeigen einen negativen Einfluss auf die schulischen Leistungen, das Lernen und das Gedächtnis. Bei Kindern kommt es zu Stoffwechselproblemen wie Fettleber, Diabetes, Herzerkrankungen und Entzündungen wie Asthma, Akne und sogar Gicht. Und dann gibt es noch Verdauungsprobleme aufgrund der Auswirkungen von Zucker auf das Darmmikrobiom und die Darmfunktion. 200 weitere Studien zur Gefährlichkeit von zu viel Zucker findest du hier.

Genau diese Produkte mit (zu) viel Zucker, Fett & Co. werden überwiegend (no pun intended) an Kinder vermarktet. Studien zeigen, dass für Kinder beworbene Produkte in dieser Hinsicht sogar schlimmer sind und andere Studien (z. B. Kearny et al 2021) zeigen, dass sie funktionieren: Wenn Kinder mehr Werbung für diese Lebensmittel bekommen, konsumieren sie sie mehr – mit allen negativen Folgen. Sonst würde die Werbeindustrie vermutlich nicht 3 Milliarden analog und 1,7 Milliarden US-Dollar digital für Werbung für Kinder ausgeben (Zahlen 2021). Wenn die Werbung nichts bringen würde, hätte man sich diese Milliarden längst gespart.

Özdemir will Milch für Kinder erlauben!

Minister Cem Özdemir (Grüne) will deshalb etwas dagegen tun: Zu viel Zucker ist ungesund, besonders für unsere Kinder, Werbung erhöht den Konsum nachweislich: Deswegen sollen Produkte, die zu viel Zucker, Fett und Salz haben, nicht mehr an Kinder beworben dürfen. Das betrifft Werbespots, die sich „ihrer Art nach“ speziell an Kinder richten. Die Einschränkungen gelten aber nur für Lebensmittel, die etwa mehr Fett und Zucker haben, als im Gesetzentwurf für jede Produktkategorie festgelegt ist.

Also a) es geht nur um Werbung, die speziell an Kinder gerichtet sind und b) diejenigen Produkte, die gewisse Grenzwerte überschreiten. Das gilt für Chips mit zu viel Salz oder Milch, wenn ihnen Zucker zugesetzt ist. Milch (und hier zählen Hafer-, Soja-Drinks & Co. wieder zu „Milch“) ohne zugesetzten Zucker kann man auch nach dem Gesetzentwurf uneingeschränkt an Kinder bewerben.

Diese Richtlinien kommen von der WHO. Fun fact: Wenn es nach der WHO gegangen wäre, sollten übrigens Werbeinschränkungen auch für Vollmilch und alle Säfte gelten. Özdemir hat diese aber herausgenommen, sein Ministerium teilte mit, Milch würde „einen Beitrag zu einer gesunden Ernährung leisten“. Wenn jemand wollte, könnte man sich bei Özdemir beschweren, warum Milch uneingeschränkt beworben werden kann. Doch die rechte Desinformationspresse hat es geschafft, genau das Gegenteil zu fabrizieren.

Wie ihr dreist verarscht werdet

An dieser Stelle könnte ein vernünftiger Mensch fragen: Wo liegt das Problem? Jeder darf weiter essen und trinken, was und wie viel er oder sie will, einschließlich ungesunder Süßkram oder Milch, auch Kinder. Eingeschränkt werden soll lediglich die Produktwerbung für Kinder, wenn das Produkt gewisse Grenzwerte überschreitet. Die Regelung würde dann nur für Produkte gelten, von denen wir wissen, dass sie unseren Kindern schaden und dass die Werbung dazu führt, dass Kinder mehr davon konsumieren.

Doch „Verbot“, „Grüne“, Wirtschaftsinteressen und Lügen sind der ideale Cocktail für die rechten Hetzmedien. Und natürlich haben die üblichen Verdächtigen massiv verkürzt, geframed und einfach dreist gelogen: „Verbot“ wird automatisch als negativ und „Bevormundung“ dargestellt, und um den Vorschlag maximal übergriffig und übertrieben darzustellen, wird verkürzt, was das Zeug hält. Da will in populären, rechten Desinformationsvideo Özdemir gleich „Alles“ verbieten. „Massiver Eingriff in das Leben unserer Kinder“ – weil sie ein paar ungesunde Lebensmittel nicht mehr in der Werbung sehen sollen?

Rechte Medien übertreiben stets dermaßen, dass es einfach nichts mehr mit der Realität zu tun hat. Und natürlich muss das reichweitenstärkste, rechte Desinformationsmedium an der Spitze stehen: „BILD“ fantasiert gleich eine „geheime“ „Verbotsliste“ und schreibt „sogar Milch ist dabei!“. Und wie immer bei BILD ist das maximal technisch gesehen in gewisser Weise wahr.

Gegenargumente?

Wie wir gesehen haben, hat Özdemir sogar ein Werbeverbot für Milch allgemein explizit gestrichen, obwohl es den Richtlinien der WHO entsprochen hätte. Özdemir hat im vorauseilenden Gehorsam genau das umgesetzt, weswegen die rechte Fake-News-Presse gegen ihn hetzt, wunderbar. Es ist auch klar, warum so derart irreführend manipuliert und verkürzt werden muss: Es gibt kaum gute Gegenargumente gegen den Gesetzesentwurf.

Wenn ein Werbeverbot nichts bringen sollte, weil Werbung die Kinder nicht manipulieren könne – wozu werben sie dann? Wenn die Industrie sich schon selbst reguliert habe, wem sollte eine Regelung dann schaden? Ist es nicht genau das Gegenteil von „Bevormundung“, wenn man manipulative Werbung verbietet, damit ein Einfluss, der die freie Entscheidung beeinflusst, verschwindet? Werbung ist schließlich offensichtlich genau das Gegenteil einer neutralen und sachlichen Information.

Verbände loben die Pläne, obig erwähnte inhaltsleere Kritik à la „Bevormundung“ kommt neben der CDU ausgerechnet aus der FDP – die aber genau das im Koalitionsvertrag doch mitbeschlossen hatte.

FÜR WEN HETZT IHR DA nochmal gegen Özdemir?

Deshalb muss getrickst werden, da wird dann in der rechten Fantasiewelt „alles“ verboten (???) oder eben: Milch. Denn wie immer täuscht die BILD mit ihren irreführenden Schlagzeilen ihre Leserschaft. Da sie weiß, dass im Kleingedruckten zu lesende Differenzierungen ohnehin von niemandem beachtet werden. Hauptsache gegen Grüne hetzen, Hauptsache das immer gleiche, elendige Feindbild bedienen.

Doch für wen? Sicher nicht für die „Mündigkeit“ der Kinder. Die werden seit Jahren zunehmend kranker und ungesünder. Werbung ist qua Definition Beeinflussung der Kinder – nachweislich auch mit negativen Folgen. Man könnte argumentieren, dass wahre Mündigkeit erst gegeben sein kann, wenn derartige Beeinflussung eben wegfällt und man frei entscheiden kann. Wofür wird hier also mit Lügen, Verkürzungen und Desinformation geworben? Dafür, dass unsere Kinder weiter immer kränker werden? Für die Profite gewisser Industrien? Werbung für bestimmte ungesunde Lebensmittel für Kinder ist nicht das einzige, was uns hier manipulieren will.

Artikelbild: Foto-berlin.net/Screenshots