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Das Trump-Twitter-Interview hat viel weniger Zuschauer als behauptet

von | Aug 25, 2023 | Faktencheck

Der Dauerlügner Trump, jetzt neu mit Polizeifoto, hat mal wieder gelogen, Überraschung. Was ist passiert: Es gab in den USA eine große TV-Debatte aller potenziellen Präsidentschafts-Kandidaten für die Partei der Republikaner. Und Trump war nicht dabei. Der machte parallel sein eigenes Interview mit dem ebenso rechten Verschwörungslügner Tucker Carlson auf Twitter. Und sechsmal so viele Zuschauer sahen laut einer Umfrage die republikanische Debatte als das Trump-Carlson-Twitter-Interview. Aber Fakten haben diese Trump nie aufgehalten, deshalb behauptet er jetzt natürlich was völlig anderes. Hier der Faktencheck.

Trump hat viel weniger Zuschauer gehabt

Auf Twitter/X verbreitet sich aktuell die Falschmeldung, dass Trump bei seinem Interview mit Tucker Carlson angeblich „Rekorde“ gebrochen hätte und viel mehr Zuschauer hatte, als die parallel stattfindende Debatte der sonstigen Republikanischen Kandidaten für deren Wahlkampf. Trump fantasiert gar etwas von 230 Millionen Zuschauern, was natürlich Blödsinn ist.

Sorry, dass wir hier dieses Narrativ von Trump als „Gewinner“ etwas zerstören müssen und ersetzen müssen durch eins, das ihn im direkten Vergleich eher ziemlichen Loser dastehen lässt. Wer sich übrigens für einen (englischsprachigen) Faktencheck der vielen Lügen Trumps interessiert, kann hier fündig werden.

Einen ähnlichen Fake gab es vor ein paar Wochen schon zu einem Interview mit dem wegen Menschenhandels und Vergewaltigung angeklagten Frauenhassers Andrew Tate, dessen Interview mit ebenfalls Tucker Carlson ebenfalls als „rekordverdächtig“ dargestellt wurde. Es basiert auf der gleichen, irreführenden Metrik.

Wie Twitter Views zählt – du musst nicht mal das Video anklicken

Ein „View“ oder „Impression“ für einen Tweet wird gezählt, wenn dieser in der Timeline oder den Suchergebnissen eines Nutzers angezeigt wird. Es ist nicht notwendig, dass der Nutzer auf den Tweet klickt oder interagiert. Du kannst also sogar als „Zuschauer“ gezählt werden, wenn du das Video nicht mal am Rande deines Feeds bemerkt hast!

Ein „View“ für ein Video auf Twitter wird gezählt, wenn das Video für mindestens 2 Sekunden angesehen wird und mindestens 50 % des Videos im sichtbaren Bereich des Bildschirms sind. Automatisches Abspielen in der Timeline zählt ebenfalls, solange die oben genannten Kriterien erfüllt sind. Dabei werden Wiederholungen des Videos nicht als separate Views gezählt.

Nun ratet mal, welchen der beiden Werte Elon Musk nicht mehr anzeigt

Natürlich den zweiten. Alle „Views“ sind also die des Tweets, nicht des Videos. Die wenigsten Leute klicken allerdings auf ein Video, wenn sie darüber scrollen. Es zählt aber trotzdem als „View“ und „Impression“. Und noch ein Faktor machen die angezeigten Zahlen zweifelhaft:

Man muss dazu sagen, dass man auf die „Metriken“ auf Twitter sowieso nicht mehr allzu viel geben sollte. Das Bot-Problem hat Elon Musk offenbar buchstäblich zur Chefsache gemacht – offenbar sind ein großer Teil seiner eigenen Follower bot-verdächtig. Trotz gegenteiliger Ankündigungen ist unter Musk das Bot-Problem viel schlimmer geworden. Wieso sollte man einer solchen Plattform also die View-Zahlen glauben? „Hinterfrage alles!“, sagen doch gerade die Verschwörungsgläubigen immer, aber setzen es nie um, wenn es um Dinge geht, die sie unbedingt für wahr halten wollen.

220 Millionen zu viel

Der Tech-Blog Mashable konnte auf die Views Zahlen des VIDEOS zugreifen, also die Zahl der Menschen, die tatsächlich (mindestens 2 Sekunden) des Videos gesehen haben. Dabei kamen sie am Abend auf 14,9 Millionen Views. Viel viel weniger als die 200 Millionen Impressionen, die der entsprechende Tweet hatte.

Und dazu kommt eben: Diese Leute haben möglicherweise das Video nur 2 Sekunden lang gesehen. Jeder, der sich minimal auskennt, weiß, dass die Zahl der Zuschauer mit der Dauer auf Mobilgeräten rapide abnimmt, ganz gesehen haben das Interview also nochmal ein Bruchteil dieser 14,9 Millionen. 

Zum Vergleich: Die Debatte der Republikaner hatte im Durchschnitt über die Laufzeit hinweg (!) 12,8 Millionen Zuschauer. Übrigens beim ebenso unseriösen, rechten Propagandasender Fox News. Während Trumps Interview „maximal“ (also am Anfang in den ersten beiden Sekunden) 14,9 Millionen Views hatte. Es ist klar, dass die Debatte im Vergleich gewinnt. 

Das zeigen auch Umfragen. Von der Washington Post befragten Personen antworteten 15 %, dass sie die gesamte Republikanische Debatte verfolgt hatten, weitere 17 % teilweise. Nur 5 % antworteten, dass sie stattdessen Trumps Interview mit Tucker Carlson gesehen hatten. Es ist also extrem zweifelhaft, dass mehr Menschen das Trump-Interview länger als nur paar Sekunden gesehen haben – geschweige denn hunderte Millionen.

Debatte der Republikaner war natürlich trotzdem ebenfalls ein Fake-Debakel

Das heißt übrigens nicht, dass die Debatte der völlig radikalisierten Republikaner ohne Trump irgendetwas mit Wahrheit oder Fakten zu tun gehabt hätte. Diese Partei ist komplett abgedriftet und radikal, wie eine AfD auf Steroiden. Auf die Frage, wer der Primary Kandidaten den unzweifelhaft bewiesenen Klimawandel für real hält, hob niemand die Hand. Das kann man natürlich erstmal als negativ abtun. Aber im Gegenteil: Ich denke es ist positiv, dass die durchgehend rechtsradikalen Kandidaten der Republikaner hier so ehrlich sind, denn die Bevölkerung der USA ist bei diesem Thema schon deutlich weiter: 

Pew Research zeigt, dass zwei Drittel der Amerikaner Wind und Solar ausbauen wollen und das Ziel unterstützen bis 2050 Klimaneutral zu sein. Gerade unter jüngeren Republikaner dreht sich der Wind und immer mehr sehen im Klimawandel eine Bedrohung. Es sind durch die Bank radikalen Wissenschafts- und Demokratiefeinde.

In ihrem verzweifelten Versuch, auf Twitter/X und im TV um die „Views“ einer hoffnungslos radikalisierten Minderheit zu konkurrieren, zeigen die Republikanischen Kandidaten stattdessen, was für Loser sie sind, und dass sie die Wahrheit, die Mehrheit der Bevölkerung aus dem Blick verloren haben. Es bleibt zu hoffen, dass das bei dem maroden Wahlsystem der US-Amerikaner ausreicht, um genug Wahlen zu verlieren.

Zum Thema:

Artikelbild: Uncredited/Fulton County Sheriff’s Office/AP/dpa