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Studien: Je weniger Impfungen, desto mehr Übersterblichkeit

von | Jan 11, 2023 | Faktencheck

Laut Statistischem Bundesamt liegt die Exzess-Mortalität (Übersterblichkeit) im Dezember mit 19 Prozent deutlich über dem Niveau der Vorjahre in Deutschland. Studien zeigen: Dort, wo wenig geimpft wird, ist die Übersterblichkeit am größten. Die Übersterblichkeit liegt größtenteils an den immer noch hohen Corona-Todeszahlen. Auch im Dezember 2022 sind laut RKI-Statistik über 3500 Menschen am neuartigen Corona-Virus gestorben – allein in Deutschland! Querdenker:innen instrumentalisieren die Destatis-Mitteilungen dennoch für ihre Propaganda und hetzen gegen Impfungen. Wir zeigen euch 2 Statistiken, die diese Propaganda komplett zerstören.

Statistisches Bundesamt: Übersterblichkeit

Übersterblichkeit. Ein Begriff, den die meisten Menschen spätestens seit Beginn der Pandemie schon mal gehört, gelesen oder selbst verwendet haben dürften. Denn das Corona-Virus hat in Deutschland besonders in den Jahren 2020 und 2021 zu überdurchschnittlich hohen Sterbefallzahlen geführt.

Bei der von Wissenschaftler:innen errechneten Exzess-Mortalität (Übersterblichkeit) handelt es sich um die Zahl der Sterbefälle in einem bestimmten Zeitraum, die über der erwartbaren Sterberate der Bevölkerung liegt. Dem Statistischem Bundesamt (Destatis) zufolge lag die Zahl der Todesfälle in Deutschland in jedem Monat des Jahres 2022 über den mittleren Werten der vergangenen vier Jahre. Durchschnittlich gab es neun Prozent mehr Sterbefälle im Land als normalerweise zu erwarten gewesen wäre. Jonas Schöley vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock spricht im BR von einer „signifikanten Erhöhung“.

Im Oktober 2022 starben in Deutschland nach einer Hochrechnung des Statistischen Bundesamtes 92.954 Menschen und damit sogar fast 20 % mehr, als im Oktober der Jahre 2018 bis 2021. Auch für den Dezember 2022 gibt das Statistische Bundesamt eine Übersterblichkeit von 19 % an, zwischen dem 19.12. und 25.12. starben im letzten Jahr sogar 32 % mehr Menschen, als in jener Kalenderwoche in den Jahren zuvor. In der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 10. Januar wird darauf hingewiesen, dass laut RKI „ab November ein Niveau bei Atemwegserkrankungen im Allgemeinen erreicht [wurde], das über dem Höhepunkt schwerer Grippewellen der Vorjahre lag.“

Kritik an später Veröffentlichung der Daten zur Übersterblichkeit

Ein Problem, das insbesondere Personen aus dem „Querdenker“-Umfeld immer wieder verkennen: Die Anzahl der verstorbenen COVID-19-Fälle werden erst nach einer Sicherheitsfrist von etwa 3 Wochen veröffentlicht. Dies geschieht, um die relative Vollständigkeit der Daten zu gewährleisten. Unwissen entschuldigt allerdings nicht dessen Verbreitung, die gefährlichen Verschwörungsglauben füttert. Zudem liegen uns Zahlen aus den Jahren 2020 und 2021 vor, mit denen sich die Querdenken-Propaganda sehr einfach entlarven lässt, wie wir nachfolgend zeigen werden.

Noch mehr Klarheit wird die Einordnung des Statistischen Bundesamtes bringen, in welche Individualdaten wie Todesursachenstatistik und Alterungsprozesses der Bevölkerung einfließen. Das Dokument wird jedoch erst Mitte kommenden Jahres veröffentlicht. „Es wäre für sachliche Debatten ohne Verschwörungsmythen sehr hilfreich, wenn diese Daten früher verfügbar wären. Dann könnten wir schnell fundierte Erklärungen für aktuelle Sterblichkeitstrends liefern“, gibt Sebastian Klüsener, Forschungsdirektor am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) gegenüber ARD-Faktenfinder zu bedenken.

Tatsächlich haben Querdenker:innen auf Telegram und Co. bereits erwartungsgemäß die Impfungen gegen Covid-19 als definitive Ursache ausgemacht, die sie hinter der Zahl der Covid-19-Todesfälle vermuten. Diese Behauptung ist schlichtweg falsch, was eine hochaktuelle Studie im renommierten Nature-Magazin zeigt. Bei 7 Millionen untersuchten Impfungen konnte bei lediglich acht Todesfälle ein sehr wahrscheinlicher Zusammenhang mit der Vergabe des Vakzins festgestellt werden. Vergleicht man diese Daten mit den Ergebnissen von Untersuchungen zur Tödlichkeit von Corona, stellt man fest: Das Coronavirus ist demnach ungefähr 10.000 mal tödlicher als die Impfung dagegen.

Der klassischste aller Denkfehler: Korrelation ist nicht Kausalität!

Nach einer Impfung bedeutet aber nicht grundsätzlich durch eine Impfung. Denn: Gibt es viele Infektionen, sind einerseits – auch durch die Impfkampagnen – ein Anstieg der Impfquote, aber zugleich eben auch Todesfälle im Zusammenhang mit Corona zu erwarten. Zudem steigt logischerweise der Anteil der Geimpften unter den Covid-19-Toten, wenn die Zahl der Geimpften in der Bevölkerung insgesamt steigt.

Die Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna bieten laut zwar laut dem regelmäßig vom RKI aktualisierten Living Systematic Review weniger Schutz vor Infektionen mit den Omikron-Varianten (2022) als vor jenen mit der Delta-Variante (2021). Die Studienergebnisse zeigen aber, dass die Vakzine weiterhin gut gegen schwere Erkrankungen mit dem Coronavirus schützen.

Covid-19-Vakzine und deren Wirkung sind aufgrund ihrer Dringlichkeit besser erforscht als andere seit langem verwendete Impfstoffe. Weiterhin existiert das vielseits gefürchtete Gruselgespenst „Langzeitfolgen“ nicht. Darüber hatte eine Gutachterin für Impfstoffe bereits vor zwei Jahren bei uns berichtet:

Vergleich RUssland-Deutschland legt nahe: Wo weniger geimpft wird, wird mehr gestorben!

Die Datenlage legt nahe, dass Impfungen nicht der Grund für die Übersterblichkeit sind. Das kann man beispielsweise am Vergleich Deutschland und Russland zeigen. Gerade einmal etwa 30 Prozent der russischen Bevölkerung hatten im September 2021 mindestens eine Dosis gegen das neuartige Coronavirus erhalten, in Deutschland waren es bereits 66 Prozent der Bürger:innen. Trotz oder in diesem Fall aufgrund der vergleichsweise schlechte Impfquote mussten Russlands Behörden im Herbst/Winter 2021 fast 1000 Tote am Tag registrieren. Die Sterbezahlen für Deutschland waren zu dieser Zeit deutlich niedriger, auch wenn man die geringere Bevölkerungszahl ins Verhältnis setzt. Selbst Putin sah die geringe Impfbereitschaft als Hauptursache für die bisher höchsten Todeszahlen und ließ im Oktober 2021 über seinen Sprecher Dmitri Peskow verlauten: „Die Zahlen sind sehr schlecht, und tatsächlich löst das Besorgnis aus. Das Virus wird immer bösartiger. Nur das Impfen schützt vor dem Tod“. 

Studie zeigt anhand von 2 Statistiken: Lebenserwartung sinkt – durch Corona!

Die Exzess-Mortalität hängt aber durchaus mit der statistischen Lebenserwartung zusammen. Diese ist während der Corona-Pandemie – mit wenigen Ausnahmen – global gesunken. „Die periodische Lebenserwartung ist ein zusammenfassendes Maß für den aktuellen Gesundheitszustand der Bevölkerung; wenn die Sterblichkeit in einer Bevölkerung zunimmt, sinkt die Lebenserwartung“, heißt es in einer Analyse im Fachjournal „Nature Human Behaviour“. Mit Ausnahme Sloweniens verzeichneten vor allem osteuropäische Staaten in den Jahren 2020 und 2021 eine Verringerung der Lebenserwartung, beispielsweise in der Slowakei um fast drei Jahre. Dort kann insbesondere der starke Rückgang im Jahr 2020 nicht mit Vakzinen erklärt werden, denn – Spoiler – damals gab es noch gar keine Impfstoffe gegen das neuartige Coronavirus.

Lesehilfe: Die jeweiligen Pfeile zeigen die Veränderung der Lebenserwartung (in Monaten) an. Dabei ist die „obere Hälfte“ des Pfeils die Veränderung in 2020, die „untere“ Hälfte die Veränderung in 2021. Rot ist ein Rückgang, Grau ein Anstieg der Lebenserwartung.

Screenshot: nature.com

Vor allem Länder wie Bulgarien, Ungarn oder Polen, die zum Zeitpunkt der Erhebung besonders niedrige Impfquoten hatten, verzeichneten einen höheren Rückgang der Lebenserwartung im Vergleich zu Ländern wie Schweden, Norwegen oder Dänemark. Für das 4. Quartal 2021 konnte auch beispielhaft statistisch festgestellt werden: Je mehr Menschen in einem Land geimpft waren, desto niedriger war die Übersterblichkeit in diesem Land!

Lesehilfe: An der y-Achse ist der jeweilige Rückgang der Lebenserwartung zu sehen, an der x-Achse der Anteil an vollständig Geimpften. Das linke Diagramm zeigt den Zusammenhang bei der Altersgruppe unter 60, das rechte Diagramm bei der Altersgruppe 60+.

Jonas Schöley, einer der Autoren der Publikation, weist allerdings auch darauf hin, dass sich anhand der Sterbefallzahlen lediglich Assoziationen und keine kausalen Zusammenhänge herleiten ließen. „Bestehende Ungleichheiten in der Bevölkerungsgesundheit sind generell durch die Pandemie verschärft worden. Je geringer die Lebenserwartung einer Bevölkerung vor der Pandemie, desto höher, tendenziell, die Lebenserwartungsverluste während der Pandemie“, so Schöley gegenüber dem BR.

Statistiken brauchen Kontext!

Einerseits stellen wir fest, dass sich Corona-Verschwörungserzählungen häufig mit dem Merkspruch „Korrelation ist nicht gleich Kausalität“ entlarven lassen. Andererseits verlinken wir selbst Statistiken, die zuerst einmal lediglich Korrelationen aufzeigen. Selbstverständlich raten wir weiterhin davon ab, sich die Welt mit einer einzelnen Studie zu erklären. Für das Gesamtbild beziehungsweise die Kausalität benötigt es eine Vielzahl an Untersuchungen. Wir folgen mit unseren Meinungsbeiträgen stets den wissenschaftlichen Fakten. Wenn wir einzelne Statistiken beispielhaft und plakativ herausstellen, dann ordnen wir diese dennoch für euch ein. Denn jede:r hat ein Recht auf eine eigene Meinung – aber niemand ein Recht auf eigene Fakten!

Fazit: Corona sorgt für Übersterblichkeit, Impfung kann schützen!

Fassen wir also noch einmal die Fakten zusammen: Diverse wissenschaftliche Studien haben klar und deutlich gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen niedrigen Impfquoten und einer erhöhten Sterblichkeitsrate gibt. Das ist auch komplett logisch und zu erwarten, denn die Impfung schützt vor schweren Erkrankungen und Todesfällen. Weiterhin ist die Impfung sehr sicher, wie auch die neuesten Studienergebnisse nochmal darlegen. Querdenker:innen werden das wohl auch künftig nicht wahrhaben wollen und sich an jeden Strohhalm ergo Halb- oder Unwissen klammern. Unsere Bitte: Lasst euch davon nicht ärgern, sondern teilt Artikel wie diesen, um zur Verbreitung von Fakten beizutragen!

Bildquelle: canva.com