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Warum Glyphosat nicht verboten werden sollte

von | Dez 5, 2017 | Analyse

Monsanto soll die Studien gekauft haben, die belegen sollen, dass Glyphosat nicht krebserregend sei. Soll jetzt ein Verbot her? Bevor das geschieht, sollte man sich ansehen, ob die Alternativen womöglich deutlich verheerender sind. Zeit, das zu tun. Ein Aufruf zu mehr Sachlichkeit in der Debatte.

Was ist Glyphosat überhaupt und warum setzt man es ein?

Glyphosat (C3H8NO5P) ist ein Totalherbizid, das zur Unkrautregulation eingesetzt wird. Es wird über die Blätter aufgenommen und blockiert ein am Stoffwechsel von Pflanzen beteiligtes Enzym, EPSPS. Die Pflanze bekommt infolgedessen für sie lebensnotwendige Nährstoffe nicht mehr und geht kurzerhand ein.

Noch kürzer gesagt: Es tötet Pflanzen. Es soll Pflanzen töten, genau dazu wird es ja eingesetzt.

Ich habe gehört, es ist schlecht für die Umwelt. Ist es schlecht für die Umwelt?

Natürlich. Alle Pflanzenschutzmittel oder Pestizide sind „schlecht für die Umwelt“, je nach Einsatzzweck werden sie bspw. beabsichtigt Insekten zum Verhängnis (Insektizide), Pilzen (Fungizide), Nagetieren (Rodentizide) oder, wie im Falle von Glyphosat, anderen Pflanzen (Herbizide). Ohne sie wäre Ackerbau in unseren heutigen Dimensionen gar nicht möglich. (Findige Leser werden jetzt sicher einwenden, dass das im Bioanbau durchaus möglich sei. Nun, das denkt man sich so, tatsächlich kommt man aber auch im Bioanbau nicht ganz ohne Pestizide aus. Dazu jedoch später mehr.)

Für jedes Pflanzenschutzmittel muss man bewerten, wie es sich auf andere Organismen auswirkt, die nicht Ziel der Maßnahme sind, ob es für diese womöglich auch toxisch ist, ob es Nebeneffekte gibt. Ebenfalls versucht man verschiedene andere Aspekte zu berücksichtigen, um sich ein Bild davon machen zu können, wie sich der Stoff in der Umwelt verhält. Ist er biologisch abbaubar und wie schnell oder ist er eher langlebig? Ist er wasserlöslich? Ist er sehr mobil oder verbleibt er im Wesentlichen am Ort der Ausbringung?

Glyphosat macht sich da überwiegend gut. Es ist relativ gut biologisch abbaubar, hat eine geringe Mobilität, ist gut wasserlöslich und weist eine geringe Toxizität gegenüber Tieren auf.

Ganz im Gegensatz übrigens zu den Herbiziden, auf die wir zurückgreifen müssten, wenn Glyphosat tatsächlich verboten werden würde. Denkbar wären hier vor allem Glufosinat, Dicamba, Mesotrion, 2-4-D oder Imidazolinone, die hier in ziemlich allen Punkten schlechter abschneiden als Glyphosat und bei denen es auch noch deutlich größere Unsicherheiten gibt als bei Glyphosat.

Aber Glyphosat soll doch krebserzeugend sein, heißt es?

Man muss unterscheiden zwischen dem Potenzial einer Substanz, Krebs zu erzeugen und dem tatsächlichen Risiko. Das Potenzial Krebs zu erzeugen hätten auch Spinat, Radieschen oder Reis. Damit sich ein tatsächlich statistisch erfassbares höheres Risiko für die Entstehung von Krebserkrankungen ergibt, müsste man davon aber jeweils Unmengen essen.

Die IARC bewertet nur das Potenzial eines Stoffs, Krebs zu erzeugen. Sie hat Glyphosat demzufolge kürzlich als „wahrscheinlich“ krebserzeugend für den Menschen eingestuft, was Medien und Umweltverbände derzeit sehr ausschlachten. Die Studienlage, auf die sich die Einstufung stützt, ist jedoch sehr vage. Man hat Versuchsmäuse, die ohnehin zu verstärkter Tumorbildung neigen, sehr hohen Dosen glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel ausgesetzt. Erstens sind Ergebnisse vom Mausmodell nur eingeschränkt auf Menschen übertragbar, zweitens enthalten solche Formulierungen eben nicht nur Glyphosat, sondern eine ganze Reihe weiterer Hilfsmittel und Zusätze, so dass nicht klar ist, ob die beobachtete Wirkung nun von Glyphosat oder von einem der weiteren Inhaltsstoffe ausging, drittens entspricht die Aufnahmemenge in Relation zum Körpergewicht keinem realistischen Expositionsszenario. Für eine konkrete Risikobewertung muss eben auch die tatsächliche Expositionsmenge einbezogen werden.

Die IARC-Einstufungen sind stets rein qualitative, sie beinhalten keine konkrete Risikoabschätzung in Abhängigkeit der Exposition. Sonnenbaden, alkoholische Getränke, Sägemehl, rotes Fleisch und Matetee sind beispielsweise auch in der IARC-Liste als krebserzeugend oder wahrscheinlich krebserzeugend eingestuft. Bei mäßiger Aufnahme besteht jedoch noch kein statistisch höheres Risiko für Krebserkrankungen. Das zeigt sich jeweils erst mit hoher Aufnahme, wenn man beispielsweise täglich rotes Fleisch isst oder Mate trinkt.

Kaum ein Pflanzenschutzmittel ist so lange so gründlich erforscht wie Glyphosat, es gibt zahlreiche Studien. BfR, EFSA, FAO und WHO kommen wie andere staatliche und internationale Organisationen bei der Bewertung der derzeitigen Studienlage zu dem klaren Ergebnis, dass von Glyphosatrückständen auf Lebensmitteln definitiv keine Gefahr für den Menschen ausgeht. Auch für die Landwirte, die erheblich höheren Dosen ausgesetzt sind, besteht bei sachgemäßer Anwendung kein höheres Risiko, es gibt keine signifikante Steigerung von Krebsfällen durch Glyphosatanwendung. Das hat nichts mit Meinungsmache durch Agrarkonzerne zu tun, das ist einfach wissenschaftlicher Konsens.

Es besteht keine Gefahr durch Glyphosatanwendung für die Verbraucher, soviel ist gewiss. Weder konnte sie experimentell gezeigt werden, noch zeigt sich seit Einführung dieses Pflanzenschutzmittels epidemiologisch irgendein auffälliger Anstieg der unterstellten Krankheiten in der Bevölkerung. Keine Gefahr durch Glyphosatanwendung. Bei den o. g. Alternativen ist das hingegen gar nicht so eindeutig geklärt, größtenteils sind diese Stoffe weitaus besorgniserregender.

Was ist denn jetzt mit der ökologischen Landwirtschaft, die kommt doch auch ohne Glyphosat aus?

In der ökologischen Landwirtschaft reguliert man den Beikrautdruck mechanisch. Vor der Aussaat wird gepflügt. Eine pfluglose Bewirtschaftung mittels Direktsaatverfahren wäre weitaus bodenschonender, die funktioniert aber im Moment eben nur mit entsprechenden Herbizidanwendungen praktikabel. (Derzeit wird allerdings durchaus auch zu pflugloser Bewirtschaftung im Ökolandbau geforscht, die bisherigen Resultate sind aber noch relativ unbefriedigend und mit weiteren Ertragseinbußen verbunden.)

Pestizide allgemein gibt es auch im Bioanbau. Durch Einhaltung bestimmter Fruchtfolgen oder durch Einsatz mechanischer Fallen oder von Nützlingen ist der Schädlingsdruck allgemein niedriger. Als Ultima Ratio kommen jedoch auch hier Pestizide zum Einsatz, nur eben „natürliche“, wie etwa Kupfersulfat, bestimmte Pflanzengifte oder Mineralöle (vgl. Anhang 2 der Durchführungsbestimmung (EG) Nr. 889/2008 zur EG-Öko-Verrordnung, S. 123 ff.). „Natürlich“ heißt hier aber nicht, dass sie nicht weniger problematisch für die Umwelt oder den Mensch sind, im Gegenteil, viele der dort zulässigen Pestizide sind weit langlebiger, schlecht bis kaum wasserlöslich und wirken weitaus unspezifischer (d. h. erfassen also weit mehr Lebewesen als nur die beabsichtigten Zielorganismen).

Fazit

Einer plappert vor, alle plappern nach. Verbote fordern, ohne über ein Thema wirklich Bescheid zu wissen, ist selten eine gute Idee. Erst recht dann nicht, wenn es objektiv betrachtet keinen wirklichen Anlass für ein Verbot gibt und die Konsequenz wie hier dann letztlich womöglich weit fataler wäre. Fordert lieber (noch) genauere Untersuchung und Erforschung von Alternativen. Und dass solche Entscheidungen bei unabhängigen, öffentlich finanzierten Fachgremien liegen sollen. Ach Moment, das tun sie ja schon. Zumindest, solange sich der tobende Mob auf der Straße nicht doch noch mehr Gehör verschafft.

Artikelbild: pixabay.com, CC0, Autor: Jörg Schwinghauer. Stand: März 2017.