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Chemnitz: Warum Daniel H. überhaupt nicht als rechte Galionsfigur taugt

von | Aug 30, 2018 | Kommentar

Ein Märtyrer mit Schönheitsfehlern

In Sachsen will medial partout keine Ruhe einkehren und nach dem berühmten „Mann mit dem Hut“ und den nächtlichen Jagdszenen in Chemnitz möchte nun Herr Höcke genau dort einen Schweigemarsch abhalten.

Mit diesem wollen er und seine Mitstreiter an Daniel H. erinnern, der nach einem Stadtfest getötet wurde. Dringend tatverdächtig sind ein Syrer und ein Iraker, womit Daniel H. in Höckes Augen ein weiteres Opfer von Frau Merkels „Wir schaffen das!“-Haltung und der daraus resultierenden „Zwangsmultikulturalisierung Deutschlands“ ist, wie es im Szenejargon so unschön heißt.


Die böse, böse „Kartellpresse“

Aber es ist nicht allein Frau Merkels Schuld, sondern auch die der staatlich manipulierten „Lügenpresse“, die aus der Stadt der Opfer nun eine Stadt der Täter machen möchte. Und die in ihrer Verblendung so gar nicht verstehen kann, dass es nicht mehr als das gute Recht der besorgten Chemnitzer Bürger ist, gegen schleichende „Umvolkung“, „Islamisierung“ und nun gegen die von Migranten begangenen Straftaten aufzustehen. So zumindest sehen es viele in der AfD wie z.B. der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen, der die Demos auf Twitter als „friedlich“ bezeichnet oder Herr Gauland, der die nächtlichen Krawalle als „Selbstverteidigung“ bezeichnet.

Ein Märtyrer muss her!

Es ist kein Geheimnis, dass jede ernstzunehmende Bewegung mit Anspruch auch den ein oder anderen Märtyrer braucht. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass Herr Höcke nun aus dem getöteten Daniel H. ganz ungeniert seine abgespeckte Version von Horst Wessel machen möchte. Indem er unter dem Deckmantel des Gedenkens an ihn seine krude politische Agenda voranbringen möchte.

Am Ende wäre der Tote nicht mehr als ein willkommenes und nützliches Mittel zum Zweck, denn hätte irgendjemand im Rechten Lager auch nur fünf Minuten Zeit darauf verwendet, rauszufinden, welcher Mensch sich hinter dem vielzitierten Namen Daniel H. verbirgt, wäre ihm aufgefallen, dass er als Märtyrer für die Sache so gar nicht taugt.

Der Mensch Daniel H.

Schaut man sich das Facebook-Profil von Daniel H. mal in Ruhe an, findet man unter den vielen Sachen, die er mit „Gefällt mir!“ markiert hat die LINKE in Chemnitz, Sarah Wagenknecht, Gregor Gysi und die ein oder andere Punkband. Aber auch den sehr rechtskritischen Storch Heinar, die ebenfalls rechtskritische Künstlerin Barbara und das Modelabel FCK NZS. (Aus dem mit dem Einfügen der passenden Vokale wird dann „FUCK NAZIS“). Es sieht so aus, als hätte Daniel ausgerechnet für die wenig Sympathien gehabt, die jetzt in seinem Namen aufmarschieren.

Ganz nebenbei war er das Kind einer deutschen Mutter und eines kubanischen Vaters, was man ihm durchaus ansieht. Und womit er nach gängigen Maßstäben eher nicht ins Bild eines lupenreinen „Volksdeutschen“ passt, aber das scheint aber auch keinen wirklich zu stören. Er wäre vom Nazi-Mob genau so gejagt worden.

Was nicht passt, wird passend gemacht!

Nun muss man sich fragen, ob AfD und Konsorten nicht wenigstens kurz recherchiert haben, welcher Gesinnung Daniel H. eigentlich war. Oder ob es ihnen schlicht und einfach scheißegal ist. Weil ein mutmaßlich von zwei Migranten erstochener Deutscher gerade prima ins Thema passt und man diesen Fall trotz gewisser inhaltlicher Unstimmigkeiten für seine Zwecke vereinnahmt.

Wird schon passen und die armreckenden Gröhlköppe an der Basis gehören vermutlich nicht der Sorte Mensch, die so etwas kritisch hinterfragt. So lange sie einen halbwegs einleuchtenden Grund bekommen, auf die Straße zu gehen und von ihrem Recht auf „Selbstverteidigung“ Gebrauch zu machen, wie Herr Gauland es nennen würde.

Warten wir mal ab, wie friedlich und zivilisiert der „Schweigemarsch“ am Samstag tatsächlich ablaufen wird. Und ob der Mensch Daniel H. da irgendeine Rolle spielen wird. Oder ob es leider nur Anlass für einen weiteren Aufmarsch ist. Und es sieht schwer danach aus, als würde Sachsen auch in absehbarer Zeit medial nicht zur Ruhe kommen.

Artikelbild: Screenshot Facebook