CDU Politiker kapituliert vor rechtextremen Freien Sachsen
Der CDU-Vizelandrat im Landkreis Bautzen Udo Witschas hatte vor einer Menge sogenannter „Spaziergänger“ angekündigt, die ab März geplante Impfpflicht in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern nicht durchsetzen zu wollen – das war eine Kapitulation unter anderem vor der rechtsextremen Bewegung „freie Sachsen“. Wir berichteten über die rechtsextreme und vom Verfassungsschutz beobachtete Bewegung, die sich an die Spitze der Proteste im Osten aufschwingt:
Beef unter Nazis: AfD fürchtet Konkurrenz von den rechtsextremen „Freie Sachsen“
Diese Kapitulation wird im Telegram-Untergrund als Sieg gefeiert und erreicht in kürzester Zeit eine überdurchschnittliche View-Anzahl von über 500K:
„Wenn Sie mich danach fragen, was das Gesundheitsamt des Landkreises Bautzen machen wird, dann werden wir unseren Mitarbeitern in der Pflege und im medizinischen Bereich kein Berufsverbot, kein Betretungsverbot erteilen“, kündigte Witschas unter tosendem Beifall der Anwesenden an. Es sei kurz erwähnt, dass sich Witschas dieses Jahr zum Landrat wählen lassen möchte. Dem Alleingang Witschas widerspricht nun die Sächsische Landesregierung, dazu später mehr (Quelle).
Auftritt vor Rechtsextremen & Impfgegnern geplant?
Die Geschichte startet relativ harmlos: Die Massen versammeln sich ungehindert in Bautzen. Was hier aber schon unüblich ist: Man wolle den Vizelandrat „zur Rede stellen“ als wüsste man, dass man ihn dort antrifft.
Die Masse macht sich mit dieser Marschvorgabe ungehindert auf den Weg … pic.twitter.com/F86pXHJY51
— Hauptstadtwolf (@AndreasBergholz) January 25, 2022
Es sei hier angemerkt, dass die „freien Sachsen“ offenbar eine Masse von Leuten über Telegram zur Belagerung von Behörden irgendwo hinschicken können, ohne dass die Polizei das einfach mitliest und die Masse umlenkt, geschweige davon dass man das alles nicht gleich unterbindet. Fürs nächste mal dann einfach.
Wie geplant am Ziel angekommen, findet ungehindert eine Kundgebung statt. Die Polizei macht erst hier eine Ansage und weist ganz lieb auf die Auflagen eines „Spaziergangs“ hin und bittet die Meute weiterzuziehen. Die hat dafür nur Gelächter übrig:
…völlig zwecklos, man macht sich darüber lustig und wartet darauf, dass der Vize-Landrat, nahezu wie abgesprochen, vor die Masse tritt … pic.twitter.com/ciDNl5kB5p
— Hauptstadtwolf (@AndreasBergholz) January 25, 2022
Man wartet also ungehindert auf den Vizelandrat. Der dann auch erscheint.
Vizelandrat kapituliert, Menge applaudiert
Hier als Video (Quelle "Freie Sachsen") pic.twitter.com/oCTwrkcd6u
— Kira Ayyadi (@ka_os_) January 24, 2022
Was würde man jetzt eigentlich erwarten? Gar nicht auf die Masse einzugehen? Vor die Masse treten und sie weiterschicken? Nicht so Udo Witschas, der gibt den Menschen, was sie hören wollen und kündigt an, eine Impfpflicht im Gesundheitsbereich nicht umsetzen zu wollen. Eine Revolte und Ankündigung von Rechtsbruch, noch dazu von der CDU? Die Menge feiert das.
Wie bereits erwähnt, tritt Witschas dieses Jahr als Landrat an:
Im #Bautzen macht der Vize-Landrat der #CDU die Ankündigung, dass man die Impfpflicht für den Pflegebereich nicht umsetzen werde vor einer Demo von Querdenker:innen und Rechtsradikalen!
Er bewirbt sich im Juni um das Amt als Landrat! 🤦♀️ https://t.co/SzcshFs2uD
— Annalena Schmidt (@Schmanle) January 24, 2022
Es kommen Vorwürfe auf, der Vizelandrat sei nach Rechts offen:
Eine Stellvertretender Landrat aus #Bautzen, der sich in Vergangenheit auch mit NPD-Vertreter ausgetauscht hatte, lässt sich heute auf Demonstration von #Querdenken & #FreieSachsen feiern, um anschließend Mikro an AfD-Funktionär weiterzugeben. In #Sachsen gibt es ein Problem! https://t.co/tzZ9gY37hC
— KulturbüroSachsen (@KBSachsen) January 24, 2022
Außerdem berichteten wir über eine Fake-Inserate-Kampagne, ebenfalls aus Bautzen:
Bautzen: Fake-Inserate von ungeimpften Pflegekräften, um Stimmung gegen Impfpflicht zu machen?
Über 100 Inserate aus dem „Oberlausitzer Kurier“ (in der Ausgabe KW03/2022) von angeblich ungeimpften Pflegekräften, die wegen der kommenden Impfpflicht arbeitslos sein sollten, haben sich größtenteils als Fake erwiesen (Quelle).
Verliert Sachsen Kontrolle über Nazis und Impfgegner?
Es wirkt ganz offensichtlich so, als würde sich CDU-Vizelandrat Witschas ausgerechnet bei den rechtsextremen „freien Sachsen“ anbiedern, um sich beliebt machen zu wollen und sich damit seine Wahl zum Landrat zu sichern. Vorangegangen ist diesem Stunt die Fake-Kampagne rund um ungeimpfte Pflegekräfte, die in einer Bautzener Zeitung vermeintlich nach neuen Jobs suchten, wenn eine Impfpflicht umgesetzt werden würde. Was sicherlich dazu geführt hat, Teile der lokalen Bevölkerung aufzuwiegeln.
Die „Freien Sachsen“ können ihrer Anhängerschaft einen kapitulierenden Politiker verkaufen, der unter dem „Bürgerprotest“ einknickt, Witschas darf Stimmen in der örtlichen Bevölkerung sammeln. Wäscht hier eine Hand, die andere? In einer derart hitzigen Lage mit Impf- und Maßnahmengegnern im Osten, fahrlässig und verantwortungslos.
Doch das ist nicht alles was sich an diesem Demo Montag in Sachsen ereignet. In Coswig kommt es zu Glasflaschenwürfen auf Journalist:innen. Polizei sei weit und breit nicht anwesend gewesen:
Durch #Coswig marschieren mehrere Hundert. Keinerlei @PolizeiSachsen. Es eskaliert sofort nach Beginn des Aufmarschs. Pressearbeit ist nicht möglich. Schläge und Beschimpfungen gegen @vuecritique, es fliegt eine Flasche. #Pressefreiheit @DJVSachsen #Sachsen pic.twitter.com/onBnTfc1HE
— Franziska Klemenz (@FreieReporterin) January 24, 2022
In #Coswig (ca. 400 TN) ist Berichterstattung aktuell unmöglich.
Nach wenigen hundert Metern fliegen Glasflaschen auf uns. Bereits zuvor gab es mehrfach körperliche Angriffe gegen unseren Begleitschutz. Wir müssen abbrechen.
Polizei war weit und breit nicht zu sehen.#dd2401 pic.twitter.com/xmKxsjxrMg— vue.critique (@vuecritique) January 24, 2022
In Freital solidarisiert sich der Oberbürgermeister Uwe Rumberg offen mit den von „freie Sachsen“ orchestrierten Protesten. Auch in Freital finden dieses Jahr Oberbürgermeisterwahlen statt.
Freitals OB, der auch nie ein Rechtsextremismus-Problem in seiner Stadt sah, redete heute zu den „Spaziergängern“. Inhaltl. positionierte er sich nicht („leite alles an andere Stellen weiter“), hatte Verständnis für alle und lud zum Dialog am 8.2. ein. Quelle: Jährling/BI Sachsen pic.twitter.com/ry3dRC5jPF
— Thomas Datt (@datt_thomas) January 24, 2022
Die Situation scheint sich zunehmend zu verselbständigen.
Sächsische Regierung versucht, schaden von Witschas einzudämmen – Impfpflicht auch in Bautzen
Die Sächsische Regierung versucht derweil die Aktion Witschas wieder einzufangen. Der stellvertretende Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) sagte am Dienstag nach einer Kabinettssitzung, dass das Verhalten des Vizelandrats inakzeptabel gewesen sei. Man dürfe nicht zulassen, dass zu einem Rechtsbruch aufgerufen werde (Quelle):
„Herr Witschas belügt die Menschen. Er belügt die Menschen, indem er ihnen suggeriert, als könne er entscheiden, eine gesetzliche Regelung anzuwenden oder auch nicht“, sagte Dulig. Witschas spiele mit Akzeptanz und dem Vertrauen, das gerade in diesen Zeiten so bitter notwendig ist. „Deshalb verurteilen wir das Verhalten von Herrn Witschas auf das Schärfste.“
Der Bautzener Landrat Michael Harig (CDU) ist am Dienstag von der Landesdirektion einbestellt worden. Sachsens Regierung bemüht sich also, den von Witschas angerichteten Schaden wieder einzudämmen.
Die rechtsextreme „Freie Sachsen“ zieht seit Wochen in Sachsen ungehindert die Fäden, gebt den Ton an und die Behörden schauen nahezu tatenlos dabei zu, wie die Verfassungsfeinde dem Staat auf der Nase herum tanzen.
Das kann und sollte nicht so weitergehen dürfen.
Sächsisches Innenministerium bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus und der #Montagsspaziergänge Symbolvideo.#le2401 #dd2401 pic.twitter.com/eUQkJIHIEa
— Nurder Koch (@NurderK) January 24, 2022
Artikelbild: Screenshot
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