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Wie ein rechtsradikales Netzwerk Feministinnen für den Faschismus rekrutiert

von | Jul 20, 2022 | Aktuelles

Die Verbindungen zwischen Faschisten und transfeindlichen Feministinnen

Eine ungewöhnliche Allianz breitet sich aus: Feminist:innen und Faschist:innen machen gemeinsame Sache. Wie ist das möglich? Wo ist der gemeinsame Nenner? Die Recherche führt quer über den Atlantik und zurück nach Deutschland. Sie führt über Öko-Terrorist:innen, zu russischen Oligarchen, deutschen Adelsfamilien, prominenten Feminist:innen und ins Querdenken-Milieu. Und damit sind nicht mal alle Verzweigungen abgedeckt.

Zunächst muss eines klar sein: Den Feminismus gibt es nicht, es gibt verschiedene Ausprägungen. Das ist auch gut so – außer wenn Feminist:innen auf einmal auf einer Linie mit Faschist:innen argumentieren. Besonders gut verstehen sich sog. „TERFs“ und Faschist:innen. Das Akronym TERF steht für trans-exclusionary radical feminist, also radikal trans-ausschließende Feminist:innen. Schon die frühen „TERFs“ der 1970er und 80er Jahre riefen dazu auf, trans Personen nicht zu akzeptieren. Trans Frauen sahen sie als eine Bedrohung für cis-Frauen, also Frauen, die sich mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren können. Der Unterschied zu heutigen „TERFs“ ist, dass sie kaum politische Macht hatten. Das erklärt Journalist und Buchautor Jude Ellison Doyle in einem Artikel für das Xtramagazine. Doyle geht inzwischen gar davon aus, dass transexkludierende Feminist:innen eine globale Bedrohung darstellen.

Wenn Öko-Terrorist:innen auf „TERF“ umschulen

Seinen Recherchen zufolge ist das in Teilen auf die Umweltschutzgruppe Deep Green Resistance (DGR) zurückzuführen. Diese Aktivist:innen hegten faschistische Sympathien und drifteten immer weiter nach rechts ab. Der Plan, wie sie die Umwelt zu retten wollen, ist zutiefst verstörend. Wie sie selbst auf ihrer Webseite formulieren, soll ein Massensterben unter Menschen die Rettung für den Planeten sein. Stürben alle Reichen, Kapitalist:innen und Umweltzerstörer:innen, verschwände mit ihnen High-Tech-Technologie. Dann könne die Natur wieder zu ihrem Ursprung zurückkehren, so die völlig verdrehte Logik der radikalen Gruppierung. 2012 zerbrach die DGR aufgrund einer Reihe von Kontroversen, die mit der Transphobie ihrer Gründer:innen Lierre Keith und Derrick Jensen zusammenhing.

Ein Jahr später gründete Keith die „radikalfeministische“ Organisation Women’s Liberation Front (WoLF). Dort versammelte sie transphobe Feministinnen und Lesben. Als Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten wurde, gewannen die christliche Rechte und andere rechte Gruppierungen an Einfluss. In dieser Zeit schloss WoLF rechte Bündnisse. Ihre Gemeinsamkeit: Hass auf eine angebliche „Trans-Agenda“. „Diese neuen Allianzen brachten die transexkludierende Feminist:innen in den rechten Flügel der USA. Sie brachten sie auch an die Macht“, schreibt Doyle. Beide eine das ausdrückliche Ziel, trans Menschen zu beseitigen.

So unterwandern Faschist:innen feministische Diskurse

Für amerikanische Faschist:innen war es ein Leichtes, „TERF“-Gruppen zu infiltrieren und zu absorbieren. Das rechtsextreme Blatt Radix Journal beschreibt die Taktik selbst. transexkludierende Feminist:innen beharren auf das zwei-Geschlechter-System, negieren also dritte oder weitere Geschlechter. Dass die Wissenschaft längst anerkannt hat, dass es mehrere Geschlechter gibt (Quelle), interessiert sie nicht. Nach dieser Logik seien Transfrauen in Wahrheit gewalttätige Männer, die sich quasi als Frau verkleiden, um „echten“ Frauen Schaden zuzufügen. Dass trans Menschen in Wahrheit viel öfter Opfer von Gewalt werden (Quelle), interessiert sie ebenfalls nicht. Menschen mit solchen Einstellungen nehmen alle Männer oft als verdorben und gewalttätig und Frauen als zerbrechliche Opfer wahr. Obwohl sie sich als Feministinnen verstehen, gehen sie also seltsamerweise von einer biologischen Hierarchie aus.

Hier liegt der Knackpunkt. Wer von dieser Hierarchie überzeugt sei, könne man leicht von anderen biologischen Hierarchien überzeugen, so Doyle. Dort setzt die extrem Rechte an. Letztendlich, so ein Artikel im Radix, bedeute der Kampf für Rechte von „biologischen Frauen“, „die jüdisch geführte feministische Theorie“ zu bekämpfen. Das könne man auch transfeindlichen, vermeintlichen Feminist:innen verkaufen. Man müsse sie dazu bringen, das Patriarchat als „ein System zu sehen, in dem die Triebe und Stärken der Männer sich entfalten und in gesunde Bahnen gelenkt werden können. Während Frauen für ihre materielle Realität und die Gaben, die unsere einzigartige Biologie bietet, geschützt und respektiert werden“, schwadroniert die Autorin (!) einer der Texte im Radix Journal.

Dass sie dem Feminismus mit dieser Einstellung massiv schaden, erkennen jene transexkludierende Feminist:innen offenbar nicht. Umso besser für die extreme Rechte. „TERFs“ und organisierte Anti-Trans-Gruppen sind inzwischen gar Teil eines globalen Kampfes rechter Strömungen gegen die sogenannte „Gender-Ideologie“, so Doyle. Diese Anstrengungen richten sich gegen Abtreibungsrechte sowie Frauen- und LGBTIQ-Rechte. Die Kämpfe seien sorgsam organisiert, finanziell gut ausgestattet und global angelegt.

Deutscher Adel finanziert LGBTIQ-feindliche Initiativen

Das bestätigt auch ein Bericht des Europäischen Parlamentarischen Forums für sexuelle und reproduktive Rechte (EPF) aus dem Jahr 2021. Dieser ergab, dass Europa zwischen 2009 und 2018 707,2 Millionen US-Dollar an „Anti-Gender-Finanzierung“ erhalten hat. Davon profitieren zum Beispiel Initiativen gegen Abtreibung und gegen LGBTQ-Rechte. Eine davon ist die deutsche Stiftung „Ja zum Leben“. Diese wiederum fördert Initiativen, die die Menschenrechte von Frauen und Personen der LGBTIQ-Community untergraben wollen (Quelle).

Dazu gehört unter anderem die „Stiftung für Familienwerte“. Wie viele christliche Initiativen mit LGBTQ- und frauenfeindlicher Agenda, finanziert sich auch diese durch Zuwendungen aus der Wirtschaftselite und deutschen Aristokrat:innen. Diese wiederum unterstützen mehrere Initiativen, die mit der Familie von Storch zusammenhängen und ebenfalls mit Anti-Abtreibungs-Aktionen, sowie trans- und homophobe Kampagnen auffallen (Quelle).

Quelle: Screenshot EPF-Bericht

Der EPF-Bericht identifiziert Beatrix von Storch als eine der wichtigsten deutschen Akteur:innen von christlich-extremistischem Anti-Gender-Aktivismus. Die deutschen Aristokrat:innen sind sich nicht nur in ihrem Gedankengut verbunden. Tatsächlich sind sie über mehrere Generationen hinweg miteinander verwandt (Quelle).

Grafik: Julia Segantini

Das frauen- und queerfeindliche Netzwerk um von Storch

Die Namen dieser Initiativen klingen bewusst harmlos. So auch der Name der European Family Foundation des Grafen Albrecht von Brandenstein-Zeppelin. Dieser wiederum sympathisiert mit der AfD und stellt ihr Räumlichkeiten zur Verfügung (Quelle). Hinter den Initiativen stecken große Mengen Geld. Das Vermögen des zweiten Gründers neben Brandenstein-Zeppelin, Unternehmer Hubert Liebherr, beträgt geschätzte 7,8 Milliarden Euro. Die Stiftung setzt sich für ein „traditionelles Verständnis“ von Familie ein. Dazu fördert sie die trans- und homofeindliche „Demo für Alle“.

Der Slogan fasst ihr Ziel gut zusammen: „Stoppt Gender-Ideo­lo­gie und Sexua­li­sie­rung unserer Kinder“. Die Demo für alle lehnt die „Ehe für alle“ und eine Gleich­be­hand­lung von hetero- und homo­se­xu­el­len Bezie­hun­gen ab. Den Telegram-Kanal fluten täglich Memes, Artikel, Bilder und Videos. Man befürchtet verschwörerisch eine „Gehirnwäsche“, eine „Gender-Umer­zie­hung unserer Kinder“ durch die Ampel-Koalition. Manche Posts offenbaren Anknüpfungspunkte zu vermeintlich feministischen Ansätzen.

Quelle: Screenshot Telegram

Mit Posts wie diesen gibt die „Demo für alle“ vor, sich für Frauenrechte stark zu machen. Allerdings kämpft die Initiative keineswegs für Frauenrechte, sondern nutzt dieses Narrativ, um transphobe Positionen zu verbreiten. Die deutsche Feministin Alice Schwarzer soll der LGBTIQ-feindlichen Haltung Legitimität verleihen.

Quelle: Screenshot Telegram

LGBTIQ-Feind:innen sind global vernetzt

Laut Bericht des Europäischen Parlamentarischen Forums (EPF) gibt es außerhalb Europas zwei Länder, die größere Summen Geld in Anti-Gender-Kampagnen stecken: die Vereinigten Staaten und Russland. In den USA läuft es ähnlich wie bei uns: Hauptsächlich sind rechte Christ:innen für die Finanzierung verantwortlich. Aktuell zeigt sich das im Roe vs Wade Urteil und den vorangegangenen Anstrengungen gegen legale und sichere Schwangerschaftsabbrüche (Quelle).

Das Ende von Roe v Wade ist der Anfang vom Ende der US-Demokratie

Für Russland lässt sich die Geldquelle schwieriger herausfinden, weil Geldwäschen die Verbindungen verschleiern. Laut dem EPF sind Anti-LGBTIQ-Maßnahmen für Putin nicht nur wünschenswert, weil er selbst LGBTIQ-feindlich ist. Sie dienen ihm als Mittel zur globalen Destabilisierung. Deshalb fördere Russland rechtsextreme und populistische Parteien mit einer entsprechenden Agenda. „Wenn ansonsten funktionierende Demokratien aufgrund von Bürgerrechten auseinandergerissen werden können, führt das zu Chaos, was letztlich Russland zugute kommt“, verdeutlicht der amerikanische Journalist Doyle im Xtramagazine (Quelle).

Dass die Trump-Jahre die Vereinigten Staaten demokratisch geschwächt haben, führt er als Beispiel für diese Strategie an. Doyle spricht von undurchsichtigen Transaktionen quer über den Atlantik und zurück zwischen russischen Oligarchen, amerikanischen Evangelikalen und transexkludierende Feminist:innen.

Wo ist der gemeinsame Nenner?

Es gibt mehrere Anknüpfungspunkte zwischen den sog. TERFs, christlichen Fundamentalist:innen, Rechtsextremist:innen, Populist:innen und sogar Querdenker:innen. Verbunden sind sich diese Gruppen zum Beispiel oft in antisemitisch konnotierten Verschwörungsmythen. Deutlich wird das im Artikel „Who Are the Rich, White Men Institutionalizing Transgender Ideology?“ im „The Federalist“, einer populistischen Desinformations-Webseite. Autorin ist Jennifer Bilek, früher das einflussreichste Mitglied der anfangs erwähnten öko-terroristischen Vereinigung Deep Green Resistance, heute bekennend transphob. In ihrer bizarren Weltanschauung werden wohlhabende jüdische Menschen wie George Soros, die häufig Gegenstand antisemitischer Verschwörungserzählungen sind, zu den Strippenziehern einer Weltverschwörung einer „gender identity industry“.

Zusammen mit reichen trans Frauen wie Martine Rothblatt infiltriere er die Homosexuellen-Community und übernehme den „medizinisch-industriellen Komplex“. So schafften sie eine räuberische „Gender-Industrie“, die Homosexuelle davon überzeugt, eine Geschlechtsanpassung vorzunehmen. Ihr Ziel sei es, „Gesetze zu ändern, die Sprache zu entwurzeln und der Öffentlichkeit eine neue Sprache aufzuzwingen, zu zensieren, eine Atmosphäre der Bedrohung für diejenigen zu schaffen, die nicht der Ideologie der Geschlechtsidentität entsprechen“. Auch hierzulande denken Queerfeind:innen und Antisemit:innen ähnlich, erklärt Veronika Kracher in Belltower News. Sie schreibt darin: „Das Jüdische wird in antisemitischen Diskursen nach wie vor mit dem Queeren und Perversen gleichgesetzt.“

Rassismus und Transphobie vereint

In aberwitzigen Verschwörungserzählungen glauben Menschen wie Bilek an eine ominöse Elite, die insgeheim die Menschheit dezimieren will. Diese Fantasien kennt man sonst vor allem aus der Nazi-Propaganda. Alle Milliardär:innen, die laut Bilek an der Verschwörung beteiligt sind, sind rein zufällig entweder jüdisch, trans Frauen oder homosexuell. Eine Idee vereine Transphobie und den Glauben an eine angebliche jüdische Weltverschwörungen, so Doyle: Die Idee einer „weißen Fruchtbarkeit“, die es zu schützen gilt.

Hier schlagen transphobe Faschist:innen die Brücke zur „White Replacement Theory“. Nach dieser Theorie des „Großen Austauschs“ sollen Schwarze Weiße als dominante Bevölkerung ersetzen (mehr dazu). Weiße trans Personen werden dann zum Hassobjekt, weil sie ihrer „nationalen Pflicht“ zur Fortpflanzung nicht nachkommen und eine angebliche „weiße Rasse“ schwächen.

Dieser Gedanke springe zu anderen Bürgerrechtsbewegungen über. Black Lives Matter sei unwissentlich ein Werkzeug der Trans-Lobby geworden, behaupten rechte „TERFs“. Eine jüdische Elite habe die schwarze Bürgerrechtsbewegung gekapert, um die Weißen anzugreifen. In einer politischen Landschaft, in der rechte Rhetorik und Populismus immer mehr normalisiert wird, reproduzieren auch konservative Stimmen diese Narrative. Sie werden fast zum Mainstream.

Queer-Feind:innen im Querdenken-Milieu

Ein weiterer Hinweis dafür: die seltsame Allianz zwischen Querdenker:innen und LGBTIQ-Feind:innen. Damit kommen wir zur zweiten gemeinsamen Ebene zwischen transexkludierende Feminist:innen, Rechtsextremist:innen, Fundamentalist:innen und Pandemieleugner:innen. Auf einer Querdenken-Demo im September 2020 in Wien zerrissen Demonstrant:innen auf einer Bühne eine Regenbogenflagge und ernteten Beifall. Eine Rednerin deklarierte: „Ihr seid kein Teil unserer Gesellschaft“. Man müsse die Kinder vor diesen „Kinderschändern“ schützen. Es hagelte Jubel und Applaus (mehr dazu). Verbunden fühlen sich Querdenker:innen und LGBTIQ-Feind:innen durch einen vereinten Anti-Genderismus.

Widerlich: „Querdenken“ zerreißen Regenbogenfahne, nennen LGBT „Kinderschänder“

Das bezeichnet Ressentiments gegen das Konzept Gender. Dieses meint das soziale Geschlecht, also das gesellschaftlich konstruierte Geschlecht, das nicht zwangsläufig mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmen muss. „Konkret bedeu­tet das zum Bei­spiel, dass sich Ver­hal­ten, Klei­dung, Frei­zeit­tä­tig­kei­ten oder die Berufs­wahl an dem ori­en­tiert, was gesell­schaft­lich als weib­lich oder männ­lich und damit als passend oder unpas­send für männ­lich oder weib­lich gele­sene Per­so­nen ver­stan­den wird“, erklärt Geg­ner­ana­lyse in einem Artikel über die Allianz zwischen Pandemieleugner:innen und LGBTIQ-Feind:innen.

Anti-Genderismus lehnt auch Debatten um das Gendern, die Gender-Studies und Bemühungen um Gleichstellung aller Geschlechter ab. Der traditionelle Blick auf Geschlecht, Geschlechterrollen und Familie ist ein gemeinsamer Nenner. „Bemer­kens­wert ist, dass es dabei selten zu einer Aus­ein­an­der­set­zung mit kon­kre­ten Inhal­ten kommt“, stellt Geg­ner­ana­lyse fest. „Statt­des­sen wird der Begriff ‚Gender‘ pau­schal abge­wehrt und dient als Pro­jek­ti­ons­flä­che für die Ableh­nung einer inklu­si­ven Gesell­schaft, die auf Grund­sät­zen wie Chan­cen­ge­rech­tig­keit und Gleich­heits­be­stre­bun­gen, aber auch auf Ver­trauen in Wis­sen­schaft und unab­hän­gige Medien basiert.“ Die „Kritik“ muss inhaltsleer bleiben, weil die Inkohärenz der Argumentation Teil ihrer Macht ist.

Die Angst vor einer angeblichen „Gender-Ideologie“

In Corona-Zeiten treffen Anti-Gender-Haltungen auf besonders fruchtbaren Boden. Viele zweifeln die Wissenschaft an, kommen nicht mit coronabedingten Veränderungen zurecht und fühlen sich allgemein verunsichert. Anti-Gender-Theorien bieten Stabilität und Sicherheit in einer chaotischen Lage. „Sowohl Ver­schwö­rungs­er­zäh­lun­gen als auch anti-gen­de­ris­ti­sche Ideo­lo­gien erfül­len in Zeiten der Ver­un­si­che­rung ein Bedürf­nis nach Ori­en­tie­rung an Alt­her­ge­brach­tem wie tra­di­tio­nel­len und größ­ten­teils über­kom­mene Rol­len­mo­del­len oder Geschlech­ter­zu­schrei­bun­gen, an klaren gut-böse/­rich­tig-falsch-Zuord­nun­gen sowie eine Iden­ti­täts­funk­tion durch die Ver­or­tung auf der Seite des Guten und Rich­ti­gen“, schreibt Geg­ner­ana­lyse. Man bedient hochemotionale Themen und spricht so rechts­po­pu­lis­ti­sche und ver­schwö­rungs­ideo­lo­gi­sche Kreise an.

Aber auch besorgte Eltern springen teilweise auf die Narrative an. So finden die Erzählungen in einem breiten politischen Spektrum Anschluss und schüren Angst vor Unterwanderung und Zerstörung. Die Verbindung zwischen Anti-Gender-Haltungen und konservativen, rechtsoffenen bis hin zu rechtsextremen Positionen zeigt sich nicht nur auf Corona-Protesten. Die AfD ist für LGBTIQ-feindliche Positionen bekannt. Dort lamentiert Beatrix von Storch vielfach den „Gendergaga“ und eine „LSBTI-Lobby“ (Quelle).

Quelle: Screenshot Twitter

Alexander Gauland, Ehrenvorsitzender der AfD, sagte im April 2020 in einer Bundestagssitzung: „Das Virus hat auch der EU eine Lektion erteilt. Es hat der Union im Wortsinne ihre Grenzen aufgezeigt. In der Krise ziehen sich die Menschen in die soliden und vertrauten Strukturen zurück. Das ist im Kleinen die Familie, im Großen der Nationalstaat.“ (Protokoll der 156. Sitzung, S. 19301). Gauland verbinde so die zwei wichtigsten und mobilisierungsfähigsten Narrative mit der Corona-Krise:

„Das Schließen der Grenzen gegen Migration, die Sicherung und Stärkung der Nation gegenüber der verhassten Europäischen Union sowie die Familie als schützenswerte ‚Keimzelle‘ des deutschen Volkes.“ Das erklärt die Kurz-Studie „Antifeminismus in Deutschland in Zeiten der Corona-Pandemie“ von Rebekka Blum und Judith Rahner. Gender wird in dieser Vorstellung zum fremden Einfluss, dessen zerstörerische Kraft die Politik infiltriert und die traditionelle Familie destabilisiert.

Verein Deutsche Sprache, Werteunion, AfD und Demo für Alle ziehen an einem Strang

Von anderen Stellen kommen ähnliche Positionen. Der Verein Deutsche Sprache e.V. behauptete zu Beginn der Corona-Pandemie: „In Deutschland werden Milliardenbeträge für den Genderunfug ausgegeben. Diese Gelder fehlen Krankenhäusern oder den naturwissenschaftlichen Uni-Fakultäten – zum Beispiel in der Virusforschung“ (Quelle). Über die rechtspopulistischen Aktionen des Vereins haben wir hier einen Beitrag veröffentlicht. Auch die CDU/CSU-nahe „Werteunion“ diskreditierte die Gender-Studies (Quelle) im Einklang mit dem Verein Deutsche Sprache e.V und der AfD.

Quelle: Screenshot Twitter

Rechtskonservative Vereine wie „Demo für alle“ und LGBTIQ-feindliche religiöse Akteur:innen schließen sich ihnen an. Diese Positionen seien nicht neu, würden durch Corona aber neue Relevanz gewinnen, heißt es in der Studie von Blum und Rahner. „Gender Studies und Gen­der­for­schung wurden als direkte Kon­kur­renz um Gelder und impli­zit als Ursache für die ver­meint­li­che oder tat­säch­li­che Unter­fi­nan­zie­rung der Natur­wis­sen­schaf­ten und des Gesund­heits­sys­tems dar­ge­stellt“, verdeutlicht Gegneranalyse. All das sind Beispiele für Verknüpfungen zwischen anti-genderischen und konservativen bis rechten Haltungen.

Die Folgen für die LGBTIQ-Community und feministische Bewegungen sind fatal. Mühsam errungene progressive Gesetze und jahrzehntelange Bemühungen geraten in Gefahr. Wir erleben das derzeit in der USA mit der Aufhebung des Roe vs Wade Urteils, das das Abtreibungsrecht dort massiv einschränkt. In Deutschland ist die Zahl der Straftaten gegen queere Menschen von 2018 bis 2020 um über 60 Prozent gestiegen. Bei den Gewalttaten um mehr als 70 Prozent (Quelle). 2021 wurden sogar noch mehr Delikte registriert. Von den 204 transphob motivierten Straftaten 2020 wurde etwa die Hälfte von rechtsextremen Täter:innen begangen. Sie stellen die größte Täter:innengruppe dar.

Fazit: Queerfeindlichkeit als Bindeglied weltweiter rechtsradikaler Allianzen

LGBTIQ-feindliche Positionen sind eng mit rechten Positionen verwoben. Das Netz reicht unglaublich weit von amerikanischen, christlichen Fundamentalist:innen, über russische Oligarchen, Öko-Terrorist:innen, vermeintlichen Feministinnen bis zur AfD. Die Zusammenhänge sind so weitreichend und verwirrend, dass dieser Artikel nicht annähernd auf alle Verzweigungen eingehen konnte. Fest steht: Queerer Hass ist nicht nur eine Gefahr für unmittelbar Betroffene, sondern auch für die Demokratie. Er darf deshalb nicht als unwichtiges Randphänomen abgetan, sondern muss als demokratiegefährdende und faschistische Kraft ernst genommen werden.

Artikelbild: dpa

 

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