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Angriff auf die Demokratie: AfD-Sturzversuch scheitert kläglich

von | Okt 19, 2019 | Aktuelles, Kommentar, Politik

Ein Protokoll darüber, wie die AfD (mal wieder) an ihren Revolutionsgedanken scheitert

Wenn man rechten Verschwörern zuhört, dann geht es oft um „Umsturz“ und „Revolution“. Die Gesellschaft in Deutschland stünde angeblich kurz davor, in einer großen Revolution das „Establishment“ und die „Altparteien“ wegzufegen. Abgesehen davon, dass dies das Ende der Demokratie in Deutschland wäre, beunruhigt das aber relativ wenige Leute. Und dennoch gibt es immer wieder mehr oder weniger auffällige Versuche, diese Revolution „endlich“ zu starten. Man denke nur an die Terrorgruppe „Revolution Chemnitz“.

Doch auch der parlamentarische Arm dieser Verschwörer, die AfD, hegt im Inneren den Wunsch nach der „Revolution“. Zwar oftmals nicht ganz so offen radikal, aber mindestens genauso sicher. Der Beginn dieser „Revolution“ wurde von den Internethelden der rechtspopulistischen Partei schon öfter ausgerufen. Es scheiterte immer wieder auf erbärmliche Art und Weise. Ein weiterer Versuch, die Demokratie zu untergraben, scheiterte jetzt in Thüringen.



Was ist passiert?

Vorab zur Einordnung: In Thüringen finden am 27. Oktober Landtagswahlen statt. Das sind die letzten Wahlen, bei denen die AfD auf dem Papier „sensationelle Gewinne“ machen wird. Sie wird das noch einmal ausnutzen, um ihre Anhänger so richtig einzupeitschen. Das ist wichtig für die Populisten um den Faschisten Höcke, um die mittlerweile schon lange andauernde Stagnation der Partei zu kaschieren. Wir berichteten hier:

Wie keiner bemerkt hat, dass die AfD im Osten seit zwei Jahren stagniert

Die AfD nutzt ihre bisherigen Stimmen im Landtag deswegen gnadenlos aus, um Stimmung in diesem Wahlkampf zu machen. Nun ist es ja nichts Neues, dass die Partei nicht an Arbeit für den Bürger interessiert ist, sondern nur den eigenen Erfolg im Blick hat. Doch was die Partei diesmal versucht hat, ist erschreckend. Und hätte noch weitaus schlimmere Spätwirkungen gehabt, wenn es denn geklappt hätte.

Die AfD hat versucht, den Verfassungsschutzchef Stephan Kramer (SPD) zu stürzen. Die Thüringer Allgemeine berichtete.

Warum Kramer?

Wir haben bereits mehrfach berichtet (hier und hier), dass Björn Höcke, AfD-Landeschef, wohl rechtsextreme Schriften unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ verfasst hat. Der Soziologe Andreas Kremper hatte dies vor einem reichlichen Jahr in einer Publikation herausgearbeitet.

Stephan Kramer, der Verfassungsschutzchef, hatte daraufhin angekündigt, die AfD Thüringen zum „Prüffall“ zu machen. Dagegen klagte die AfD, die sich ungerecht behandelt sah. Und bekam Anfang dieses Jahres Recht. Also dass sie bereits zum Teil überwacht werden durfte ist rechtens, nur dass der Verfassungsschutz dies öffentlich verkündete nicht. Lediglich die öffentliche Verkündung der Einstufung der AfD als „Prüfall“ war also rechtswidrig. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat ein Urteil für November angekündigt. Doch die AfD kann das nicht abwarten und möchte Kramer jetzt sofort deswegen stürzen.

Völlig überzogene und durchschaubare Aktion

Ein derartiger Sieg kurz vor den Landtagwahlen ließe sich natürlich wunderbar verkaufen. Das „Establishment“ wäre dann von der AfD in die Knie gezwungen worden, würde man verkünden. Vielleicht auch den Beginn der (aus AfD-Sicht) „wahren“ Demokratie, also der Demokratie, in der nur das gemacht wird, was die AfD sagt. Also der Diktatur. Dann wäre es für die AfD natürlich zu spät, erst im November „triumphieren“ zu können. Deswegen versuchte sie, vollendete Tatsachen zu schaffen und den Verfassungsschutz-Chef sogar darüber stürzen zu lassen. Obwohl auch das eine völlig überzogene Reaktion wäre.

Damit zeigt sich auch schon das Problem: Wenn die AfD damit durchgekommen wäre, dann wäre das eine Niederlage für die freiheitlich-demokratische Grundordnung der BRD. Eine Partei könnte ihren Willen einfach so durchsetzen. Ohne ein Urteil der Justiz abzuwarten. Und willkürlich überzogene Konsequenzen ziehen. Die Gewaltenteilung (Legislative, Judikative, Exekutive) wäre übergangen. Und das wäre dann tatsächlich der Beginn einer negativen Revolution. Einer, an deren Ende die Verfassung nicht mehr ist.

AfD scheitert mit ungeheuerlichem Antrag

Das ist also erfolgreich verhindert worden. Und, das muss man auch mal hervorheben, die wehrhafte Demokratie hat gezeigt, dass sie sich nicht einfach von Faschisten übernehmen lässt. Wir haben offenbar dazugelernt seit 1933. Die Demokratie „mit ihren eigenen Waffen schlagen“ – das klappt nicht mehr so leicht.

Denn dass ein Verfassungsschutz-Chef gehen müsse, nur weil er eine Überprüfung einer Partei öffentlich gemacht hat, ist bereits drastisch. Doch dass er schon gestürzt werden soll, bevor entschieden wurde, ob die Verkündung legitim ist, ist vollkommen inakzeptabel. Dementsprechend wurde der Antrag der AfD von den demokratischen Parteien abgelehnt und deren falsches Spiel verurteilt.

Sturz der Demokratie verhindert

Habe ich das überdramatisiert? Vielleicht. Vielleicht wäre es auch anders gekommen, wenn die AfD durchgekommen wäre. Doch es ist ein sehr anschauliches Beispiel dafür, wie die Partei versucht eine „Revolution“ Stück für Stück vorzubereiten. Bis man dann irgendwann öffentlichkeitswirksam die Macht übernehmen kann.

Um das auch langfristig zu verhindern, müssen wir den gesamtgesellschaftlichen Antifaschismus durchsetzen. Der AfD muss überall gezeigt werden, dass ihre antidemokratischen Bestrebungen nicht siegen werden. Wir müssen auf der Straße, am Stammtisch und in Talkshows klare Kante zeigen. Ja, liebe öffentlich-rechtliche Sender, gerade ihr seid hier gemeint. Die AfD mit Samthandschuhen anzufassen, wird sie nicht daran hindern, euch als „Lügenpresse“ zu bezeichnen – also hört auf damit. Gebt ihnen keine Bühne. Oder, wenn doch, dann zeigt ihnen klar auf, dass sie sich außerhalb des demokratischen Grundkonsens aufhalten – und warum das schlecht ist.

Besonders interessant: die Juristin und SPD-Abgeordnete Dorothea Marx legte Björn Höcke eine eidesstattliche Erklärung vor – er müsse nur schriftlich festlegen, niemals unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ Texte in Zeitungen der rechtsextremen NPD veröffentlicht zu haben. Doch der unterschrieb nicht. Wenn das keine Selbstoffenbarung ist…

Artikelbild: Olaf KosinskyCC BY-SA 3.0 DE