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Querdenker-Urteile der Woche (KW 41)

von | Okt 16, 2022 | Serie

Da es im dritten Pandemiejahr fast täglich eine „Querdenker“-Verurteilung gibt, haben wir uns entschlossen, nicht mehr über jeden Fall einzeln zu berichten, sondern ab sofort Sammelartikel zu erstellen. Sozusagen die „Querdenker-Verurteilungen der Woche“. Sonst verliert man ja vor lauter Querdenke(r)n noch irgendwann den Überblick ;). Hier der Sammelartikel vom letzten Mal:

Weiterer Arzt wegen Gefälligkeitsattesten verurteilt

Wir berichteten erst letzte Woche von einem Arzt aus Lörrach, der nun nach Paraguay auswanderte und Maskenatteste ohne Begründung ausstellte. In Baden-Württemberg kam es nun zu einer weiteren Verurteilung eines Arztes, der ebenfalls Atteste ohne objektiv erkennbaren Grund ausstellte. Während beim letzten Prozess weder Angeklagte noch ein Großteil der geladenen Zeug:innen vor Gericht erschienen, platzte der Gerichtssaal im Amtsgericht Hechingen hingegen aus allen Nähten. Bei einer Razzia im November 2020 stellte die Polizei 469 Atteste sicher. Darunter 49 komplette Familien. Ein Attest kostete 5€, also ein Umsatz in Höhe von 2.345€. Es soll sich bei einem Großteil der Patient:innen um Schulkinder gehandelt haben. Ob darunter auch Kinder aus folgendem Massenausbruch sind, ist unklar. Die Entfernung zur Praxis beträgt jedoch gerade einmal knapp 100km und seine Praxis wurde auf Querdenkerseiten „beworben“:

Aufgefallen ist dies jedoch zunächst einem Schulleiter aus Reutlingen, da er plötzlich 10 Atteste – alle ausgestellt von Dr. Martin B. – vorgelegt bekam und dies den Behörden meldete. Die Staatsanwaltschaft klagte ihn in „mindestens elf Fällen“ an und auch das Gericht sah es als erwiesen an, dass er die Atteste unbegründet ausgestellt hatte, auch wenn er vorgetragen hat wie die Untersuchungen abliefen und das er ja sogar auch bei einem Kind die Ausstellung eines Attests verweigerte. Der Sachverständige kam nämlich zu einem anderen Ergebnis als sein Verteidiger. Am Ende verurteilte ihn das Gericht für sechs unrichtige Maskenatteste zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 100€, also insgesamt 9.000€. Er gilt somit gerade eben noch als nicht vorbestraft, da dies erst ab 91 Tagessätzen der Fall wäre.

Gründer von „Reichsbürger-Krankenkasse“ verurteilt

Dafür, dass sich der Rentner Erhard L. mit seiner staatsablehnenden Einstellung sogar soweit radikalisierte, dass er „nicht nur“ Reichsbürger wurde, sondern auch soweit ging, dass er bereits 2017 mit vier weiteren Mittätern sogar eine eigene Versicherung für weitere Reichsbürger anbot, verhielt er sich seit seiner Inhaftierung auffällig kleinlaut und staatskonform. Im Vorfeld seiner Verhandlung vor dem Amtsgericht Dresden schickte er dem Gericht noch unzählige „wirre Mails“, in denen er mitteilte die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland nicht anzuerkennen. Die Inhaftierung erfolgte, da seine Ehefrau nicht zu dem Verfahren gegen die vier Mittäter erschienen ist. Durch diesen sogenannten „Sitzungshaftbefehl“ sollte sichergestellt werden, dass der Angeklagte am Prozesstag dem Gericht zugeführt werden kann.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) fand die Pläne gar nicht so angemessen, da er keinen Nachweis über die 600.000€ Vermögen für die Gründung einer Krankenkasse erbringen konnte. Mit einem Guthaben von etwas über 8.000€ sei L. auch gar nicht in der Lage gewesen die notwendigen medizinischen Behandlungen für seine 49 Mitglieder zu erbringen. Seine Ansicht nach wollte er dieses Vermögen noch aufbauen. Wie? Unklar. Denn während andere „Mitverwalter“ sich dann doch an die Behörden wandten, ihn kritisierten und in Folge dessen Mitgliedern Beiträge zurückerstatteten, entzog L. als „Chef“ ihnen die neue „Staatsbürgerschaft“ und überwies Beiträge auf ein Konto nach Polen.

Da noch zwölf weitere Verfahren gegen ihn laufen (Volksverhetzung, verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Widerstand gegen Polizisten, Nötigung, sowie wegen Betrugsvorwürfen etc.) und es aus 2010 psychiatrische Gutachten über seine Schuldunfähigkeit wegen einer angeblichen „hirnorganischen Störung“ gab, prüfte ein Sachverständiger die Gutachten erneut. Laut ihm sei die Diagnose aber nicht zu halten.

Am Ende kam es zu einer Bewährungsstrafe von elf Monaten, sowie als Bewährungsauflage eine Geldstrafe in Höhe von 2.400€, das Urteil ist bereits rechtskräftig. Das Verfahren gegen seine Frau wegen Beihilfe wurde gegen die Auflage einer Zahlung von 900€ eingestellt.

Hygieneregelverstoß an Waldorfschule: Rausschmiss

Waldorfschulen sind in privater Trägerschaft, so dass Eltern für den Schulbesuch dort eigene Verträge abschließen müssen, sowie gegebenenfalls eine regelmäßige Schulgebühr zahlen müssen. Doch auch wenn es sich dabei um sogenannte Schulen in „freier Trägerschaft“ handelt, gelten dort die selben Regeln zur Pandemiebekämpfung wie an allen regulären staatlichen Schulen auch. An diese haben sich Waldorfschulen ebenfalls zu halten, ob sie wollen oder nicht.

Familien, die ihre Kinder auf Waldorfschulen schicken, tun dies häufig aufgrund ihrer Weltanschauung. Sie lehnen das Regelschulsystem ab, orientieren sich eher an „ganzheitlichen“ und anthroposophischen Ansätzen und möchten im Einklang mit der Natur leben bzw. sich auf der Grundlage der Natur entwickeln. Der Glaube an Homöopathie ist dort ebenso stark verwurzelt wie eine generelle Abneigung gegenüber Impfungen. So kam es 2015 zu einem der größten Masernausbrüche – an einer Waldorf-Schule (Quelle). In diesem konkreten Fall ging es jedoch um klagende Eltern zweier Schülerinnen, denen der Schulvertrag aufgrund eines nunmehr unzureichenden Vertrauensverhältnisses gekündigt wurde. Die Eltern schickten unzählige Mails an die Lehrkräfte und Geschäftsführung, Inhalt:

Sie warfen (…) u.a. vor, „alle menschenverachtenden Maßnahmen und Verordnungen durchzusetzen“, „Verbrechen gegen die Menschheit zu begehen“ und hegten den Verdacht, dass es einzelnen Lehrkräften Freude bereite, „Kinder zu erniedrigen und zu belehren“.

Pressemitteilung Oberlandesgericht Stuttgart, Quelle

Die Schule sah es als nicht mehr tragbar an den Vertrag aufrecht zu erhalten und kündigte daraufhin beiden Schülerinnen fristgerecht. Die Eltern haben schließlich bis zum Oberlandesgericht über mehrere Instanzen geklagt aber unterlagen jedes Mal. Die Schule äußert sich in einer Stellungnahme wie folgt:

(…) in einem Fall wurden jedoch zu unserem Bedauern so viele Grenzen überschritten, dass eine weitere Zusammenarbeit mit der Familie in diesem besonderen Fall für die Schulgemeinschaft und deren Organe unzumutbar geworden ist, sodass ihr ordentlich und fristgerecht gekündigt worden ist. (…)

Stellungnahme der Schule, Quelle

Der Beschluss ist rechtskräftig, aber die Eltern könnten die Wirksamkeit der Kündigung noch in einem Hauptsacheverfahren gerichtlich klären lassen. Der Ausgang dürfte aber wohl ähnlich sein.

Artikelbild: pixabay