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Das neurechte Netzwerk der AfD Teil 1: Die Verbindungen von Kalbitz & Höcke

von | Nov 13, 2019 | Aktuelles, Analyse, Hintergrund, Recherche AfD

Die sogenannten „Bezüge“ des Andreas Kalbitz

Das ARD-Magazin Kontraste wollte Andreas Kalbitz zu seiner rechtsextremen Biografie interviewen. Kalbitz wies das Wort „Biografie“ zurück, er habe keine rechtsextreme „Biografie“. Es seien wohl „Bezüge“ da – aber das wären dann wohl unterschiedliche „Meinungen“ darüber. Eine „Biografie“ – man kann auch Vita, CV, Curriculum Vitae, nämlich Lebenslauf sagen – listet im wesentlichen Stationen und Meilensteine im Leben auf. Aber ja, man kann auch sagen: Kalbitz hat „Bezüge“ zu verschiedenen rechtsextremen Stationen in seinem bisherigen Leben.

Wir legen daher eine Serie an, in der wir uns die einzelnen „Bezüge“ genauer anschauen und die ganzen braunen Hintergründe zu den einzelnen Stationen aufdecken und den Bezug zu Kalbitz herstellen. Nennt man dann ja auch „Bezüge“.

Schöner Schlagabtausch bei Anne Will letztens:

„Ist Andreas Kalbitz rechtsradikal?“
Gauland: „Nein, Andreas Kalbitz ist kein Rechtsradikaler.“
Melanie Ammann: „Stimmt, er ist ein Rechtsextremer oder Rechtsextremist.“

Bei all den „Bezügen“ in die Kreise der „Alten Rechten“ wären wohl auch andere Bezeichnungen denkbar.



Der Einfluss von Alt-Nazis auf die Neuen Rechten, wie Klaus Christoph Marloh

Wer sich mit den einzelnen rechtsextremen „Bezügen“ des Andreas Kalbitz näher beschäftigt, stößt auf den Namen eines Alt-Nazis und Holocaust-Leugners: Klaus Christoph Marloh. Wie tief verstrickt die Neuen Rechten in dem braunen Sumpf der Alt-Nazis sind, und wie weit der Einfluss dieser Alt-Nazis reicht, lässt sich an dem Umfeld und Einfluss von Klaus Christoph Marloh ablesen.Klaus Christoph Marloh wurde am 28.07.1923 in Hamburg geboren und lebte, aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, in Seevetal.

(In Seevetal gründete Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck 1992 den Verein „Gedächtnisstätte e. V.“, der 2014 die „Gedächtnisstätte für die deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges“ in Guthmannshausen eröffnete – jene Gedächtnisstätte, die Doris von Sayn-Wittgenstein (AfD) als Fördermitglied bewarb.) Marloh war Marine Oberleutnant und U-Boot-Offizier der deutschen Kriegsmarine auf der U-123 und der U-2506. Nach der Kapitulation wurde die U-2506 vor Irland versenkt und Marloh kam in britische Kriegsgefangenschaft, wo er die Kriegsflagge der U-2506 in seiner Feldflasche vor den Alliierten versteckte.

Klaus Christoph Marloh war gern gesehener Gast auf Neonazi- und Kameradschaftsveranstaltungen. Er wurde mit den Worten angepriesen: Er „ist einer der wenigen die überlebt haben und uns Bericht erstatten kann!“ Seine „Berichte“ erzählen eine glorifizierende Sicht auf die deutsche Wehrmacht und seine Sicht der „Wahrheit“, wer den Krieg aus welchen Gründen angefangen hat.

Seine Sicht der „Wahrheit“

Am 23.03.2004 gab er dem Institut für Geschichte und Biographie der Fernuniversität Hagen ein zweieinhalbstündiges Interview. (1) In diesem Interview, und auch in Reden vor Neonazis, zeigt Marloh seine Sicht der „Wahrheit“. Seine Sicht der „Wahrheit“ ist die Leugnung der Kriegsschuld der Deutschen, das „Diktat von Versaille“, die Relativierung des Holocausts („Der Weltkommunismus habe 150 Mio Tote hervorgebracht“ und die Amerikaner hätten die Ureinwohner auch in „Konzentrationslager“ verbracht, sie hießen aber nicht so, sondern „Reservate“). Seine Sicht der „Wahrheit“ ist eine Glorifizierung des Dritten Reiches und der Wehrmacht.

Somit ist seine Sicht der „Wahrheit“, dass die Alliierten das deutsche Volk vernichten wollten – „auch heute noch“. Gesagt in einem Interview im Jahre 2004. Und nun muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, dass Klaus Christoph Marloh seine Sicht der „Wahrheit“ vor Freien Kameradschaften und Neonazis jahrzehntelang durch das Land tourend erzählt konnte – ohne dass ihn auch nur irgendeine Jugendschutzbehörde oder andere Behörde gestoppt hätte. Seine Sicht der „Wahrheit“ ist eine immerwährende Kameradschaft unter Alt-Nazis, die sich gegenseitig halfen und unterstützten.

Seine Sicht der „Wahrheit“, die er vor Kameradschaften und Neonazis ausbreitete, lassen ihn als einen unverbesserlichen, eingefleischten Nationalsozialisten erscheinen: in einem Interview erzählte er, er könne seine „Gesinnung nicht wechseln wie die Unterwäsche“ und habe das Bild Hitlers „fest im Herzen“.

Über seine Mutter, eine „preussische Dame“, erzählt er als eine im preussischen Geist erzogene Frau, im „national-patriotischen Sinne“, „die dem Land und der Familie sechs Kinder gegeben hat.“ Klaus Christoph Marloh ist der Sohn von SA-Stabsführer Otto Marloh, der von Oberst Wilhelm Reinhard (Freikorps Reinhard) am 9.3.1919 beauftragt wurde, einen Löhnungsappell einer Volksmarinedivision (Novemberrevolution) zu verhindern, nötigenfalls auch von der Waffe Gebrauch zu machen.

Otto Marloh

Otto Marloh berief sich auf einen Schießbefehl des Reichswehrministers Noske (SPD) und entging somit einer Verurteilung wegen Totschlags oder Mordes. Im Interview nimmt Klaus Christoph Marloh auf dieses Ereignis Bezug. 1949 wurde Otto Marloh im Zuge des „Berleburger Zigeunerprozeßes“ des Anklagepunktes, „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ begangen zu haben, für schuldig befunden und zu vier Jahren Gefängnis verurteilt.

Otto Marloh trat in den Staatsdienst ein und war Gefängnisdirektor in Celle. Das ist nicht weit von Hermannsburg/Hetendorf, in dem später Jürgen Rieger (NPD) ein Anwesen kaufte. Danach wurde er Landrat in Bad Berleburg. Klaus Christoph Marloh besuchte wie sein Bruder Friedrich Wilhelm eine der national-politischen Lehranstalten (NaPoLA), in Plön und wurde dort im preussischen Geist erzogen, Disziplin und Ordnung und Dienst: „Dienen einer Sache wegen“.

Nach dem Krieg verschwieg Marloh gegenüber den Behörden und den britischen Alliierten („das war bestimmt ein Jude“ über einen der Befrager) seine Aktivitäten in nationalsozialistischen Organisationen. Als der Bürgermeister, von Marloh als „Kommunist“ betitelt, das Zuhause von Marlohs aufsuchte und fragte, wo denn das Hitlerbild an der Wand hängen würde, antwortete Marloh: „Nehmen Sie bitte zur Kenntnis: ich brauch das nicht an die Wand zu hängen, das habe ich fest im Herzen.“

Statt seiner wurde sein Bruder verhaftet, weil er seine Aktivitäten in NS-Organisationen offen benannte. Marloh selbst dachte für sich, es müsse ja jemand für die Mutter und Schwester sorgen – und verschwieg seine Zugehörigkeiten.

Marloh wurde dazu ausgebildet, Führung zu übernehmen, und Menschen nicht nur zu führen, sondern ideologisch zu schulen und auszubilden, damit sie wiederum andere führen und ausbilden.
Niemand hat ihn daran gehindert. Wie viele junge Menschen hat er so verführt und zugerufen „Seid wieder stark“? Ein Blick auf Twitter verrät, wem seine beiden Söhne, Rudolf Ulrich Marloh (benannt nach Rudolf Heß) und Christoph Nikolaus Marloh, Immobilienkaufleute aus Seevetal, auf Twitter folgen und wessen Beiträge sie retweeten und kommentieren. Es dürfte kaum verwundern, dass AfD-Seiten und -Abgeordneten sich in den Listen der Marlohs finden. Klaus Christoph Marloh starb 2009. So, wie viele andere der „Erlebnisgeneration“ auch. Sie wären der AfD heute vermutlich beigetreten.



Norddeutscher Kulturkreis e.V.

1962, also zwei Jahre vor der Gründung der NPD, gründete Alt-Nazi Klaus Christoph Marloh mit weiteren Nationalsozialisten den ältesten rechtsextremen Verein Deutschlands in Hamburg. Ursprünglich hieß der Verein bis zu seiner Umbenennung in 1999 „Freundeskreis Filmkunst e.V.“ und stand in direkter personeller und ideologischer Tradition des Nationalsozialismus.

Das Zielpublikum war die sogenannte „Erlebnisgeneration“ des Zweiten Weltkrieges (und des Dritten Reiches). Also die Generation, die nicht nur das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg miterlebt haben, sondern ihre nationalsozialistische Gesinnung nie abgelegt hatten. Der Verein zeigte über mehrere Jahrzehnte hinweg indizierte Filme der Nationalsozialisten und mietete dafür Kinos an.

Diese Filme hätten allerdings ohne wissenschaftliche kritische Moderation nicht gezeigt werden dürfen. Proteste in den 70er Jahren führten dazu, dass dem Verein 1980 die Gemeinnützigkeit entzogen wurde. Selbst gewählte Aufgabe sei es, die „künstlerische Volksbildung“ mittels Filmvorführung zum Wohle der „Volksgemeinschaft“ und des „deutschen Volkes“ zu fördern.“ (7)

Klaus Christoph Marloh leitete diesen Verein jahrelang. Weitere Mitglieder sind Jürgen Rieger (NPD), seine engste Mitarbeiterin, die Holocaust-Leugnerin Gertrude Herr, der ehemalige Wehrmachtssoldat und spanischer Immobilienbesitzer Rolf Hanno (der die NPD mit sechsstelligen Euro-Beträgen in Wahlkämpfen unterstützte), sowie weitere Mitglieder aus der Deutschen Reichspartei (DRP) und dem verbotenen Bund Nationaler Studenten (BNS).

Die Richtung der neuen Rechten

Nachdem das Tagungs- und Schulungszentrum Hetendorf 13 von den Behörden 1998 geschlossen wurde, nannte sich der „Freundeskreis Filmkunst e.V.“ ein Jahr später in „Norddeutscher Kulturkreis e.V.“ um. Sein Mitteilungsblatt „Die Warte“ und das Personal blieben aber dasselbe. Autoren der extremen Rechten wie Franz Uhle-Wettler, Alain de Benoist, Konrad Windisch, Peter Winkelvoß und Andreas Molau (NPD) wurden in Die Warte veröffentlicht. Alain de Benoist gilt als wichtigster Vertreter der Nouvelle Droite (Neue Rechte) und wird von Götz Kubitschek rezipiert und adaptiert. Kubitscheks Versuch, die NPD zu professionalisieren, scheiterte am Selbstverständnis und dem Streit der Neuen Rechten 2008/2009.

Während Dieter Stein (Junge Freiheit) den Begriff Neue Rechte ablegen und eher einen „bürgerlichen Konservatismus“ aufbauen wollte, stritten sich Kubitschek und Molau um die Ausrichtung der Neuen Rechten. Molau, der mit der NPD versuchte, die Neue Rechte für die NPD zu vereinnahmen, warf Kubitschek „intellektuelle Selbstbefriedigung“ vor. Kubitschek, der eine starke nationalistische Rechte aufbauen wollte, und ggf. eine eigene neue rechte Parteigründung favorisierte, will in allem „Metapolitik mit heruntergelassener Hose“ erkennen. (2) (3

Hetendorf 13

Anteilseigner waren zu 2/3 der Norddeutsche Kulturkreis e.V. und zu 1/3 der von Jürgen Rieger gegründete rechtsextreme Verein „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e. V.“. Jürgen Rieger baute nach 5 Jahren „Wartezeit“ Hetendorf 13 zu einem der wichtigsten Tagungs- und Schulungszentren der extremen Rechten und zum Neonazi-Zentrum Norddeutschlands aus. Mitglieder der verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) und der „Nationalen Liste“ sorgten immer wieder für gewalttätige Auseinandersetzungen.

Mitglieder der FAP und der ebenfalls verbotenen Wiking-Jugend trafen sich in Hetendorf zu „Wehrsportübungen“. Während einer Hetendorfer Tagungswoche in 1997 wurden die Personalien einer gewissen Beate Zschäpe (NSU) aufgenommen. Sie nahm an der Tagung teil. 1998 wurde das Tagungszentrum von den Behörden geschlossen, ein Jahr später nannte sich der Verein „Freundeskreis Filmkunst e.V.“ (FKFK) in „Norddeutscher Kulturkreis e.V.“ um. (3)

Besonders widerwärtig: das Gelände, das Rieger kaufte, gehörte vorher der caritativen Einrichtung der Celler Lobetalarbeit. e.V., die es an das Bundesvermögensamt für 1,2 Mio DM verkaufte. Auf dem Gelände befanden sich eine Wohnstätte und eine Sonderschule für behinderte Menschen. Riegers Verein „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e. V. “ kaufte das Gelände vom Bundesverwaltungsamt für 120.000 DM und war zu 1/3 Anteilseigner. Als der Norddeutsche Kulturkreis e.V. verboten wurde, ging das Vereinsvermögen auf die „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e. V.“ von Jürgen Rieger über.

Heide-Heim e.V.

Die Heide-Heim e.V. wurde 1984 in Hamburg gegründet. Marloh übernahm die ersten 6 Jahre den Vorsitz, Gertrude Herr wurde stellvertretende Vorsitzende. Dieses Amt übergab sie ab 1990 dem Anwalt Jürgen Rieger, dessen engste Mitarbeiterin sie auch war. 1990 übernahm die Heide-Heim e.V. das Anwesen Hetendorf 13. „Der Verein hat den Zweck, ein Volksbildungs- und Jugendheim zu unterhalten. In diesem Heim sollen die Erziehung, die Volksbildung, die Jugendpflege und die Völkerverständigung sowie der Abbau von Vorurteilen insbesondere mit den skandinavischen Völkern gefördert werden. (…)

Dies soll insbesondere geschehen durch den Erfahrungsaustausch und die Weiterbildung von Eltern, Erziehern und Jugendleitern, die Wissensvermittlung und Anregung für eine menschenwürdige, gesunde, gemeinschaft- und umwelterhaltende Lebensführung; Veranstaltungen wie Tagungen, Lehrgänge, Arbeitstreffen, Begegnungen mit volksbildenden Vorträgen, Vorführungen, Besichtigungen, Übungen, Arbeiten, Wanderungen und anderen sportlichen Betätigungen; Jugendlager“. (8)

Jürgen Rieger, der Initiator der Rudolf-Heß-Gedenkmärsche in Wunsiedel, stellte der Wiking-Jugend das Gelände Hetendorf 13 für ihre Freizeit- und Zeltlager zur Verfügung. Der nahegelegene Truppenübungsplatz Munster war für die paramilitärische Ausbildung der Neonazijugend wie geschaffen. Aus der Wiking-Jugend gingen Thorsten Heise und Sebastian Räbiger, der der letzte Bundesführer der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ), der Nachfolgeorganisation der Wiking-Jugend, war, hervor. 2007 fand ganz in der Nähe in Eschede das Freizeitlager der HDJ statt, an dem Andreas Kalbitz (AfD) teilnahm.



Kultur- und Zeitgeschichte – Archiv der Zeit e.V.

Klaus Christoph Marloh war Gründungsmitglied dieses Vereins und maßgeblich am Aufbau des geschichtsrevisionistischen und antisemitischen Archivs beteiligt. Eigenen Angaben zufolge habe er 10 Stunden Arbeit täglich investiert. Das Archiv beinhaltete in 300 Aktenordnern Informationen zu Konzentrationslagern, wie Theresiensstadt. Das KZ Theresienstadt sieht Marloh, nach eigenen Worten in dem Interview für das Institut für Geschichte und Biographie der Fernuniversität Hagen, als „Erholungslager für jüdische Leute, die nicht ausgewandert sind und nicht mehr arbeiten konnten“. Sein Motto und Beweggrund für diesen Verein, den er zusammen mit Alt-Nazi, HJ- und NSDAP-Mitglied Karl Waldemar Schütz gründete: veritas – iustitia – futurum (Wahrheit – Gerechtigkeit – Zukunft).

Dahinter verbirgt sich die rechtsextreme Sicht der „Wahrheit“: die Alliierten hätten aus Neid den Krieg gegen Deutschland geführt, „Gerechtigkeit“: die Rückgabe der ehemaligen ostdeutschen Gebiete und „Zukunft“: Zukunft für das deutsche Volk und Vormachtstellung in Europa. Denn Deutschland habe „Europa immer vor dem Osten (Hunnen und Stalin) bewahrt“. (1) Hans Ulrich Kopp übernahm 1999 den Vorsitz dieses Vereins und übergab 2014 den Staffelstab an Andreas Kalbitz (AfD).

Wer den Vorsitz eines solchen Vereins übernimmt, der weiß auch um die Historie der Vereinsgründung und seiner Mitglieder. Kalbitz soll seit mindestens 2008 Mitglied dieses Vereins gewesen sein. (6) Es ist nicht ausgeschlossen, dass Marloh und Kalbitz sich kannten und begegnet sind. Unter Experten gilt der Verein als rechtsextrem und geschichtsrevisionistisch. Bei seiner Gründung wurde in rechtsextremen Zeitschriften dieser Unterstützungsaufruf veröffentlicht: „Dem Verein geht es vor allem darum, dass nicht auf Dauer ein so einseitig verzerrtes Bild der Deutschen in der Welt erhalten bleibt. (…)

Es besteht sogar die Gefahr, dass künftige Generationen von Deutschen selbst über die Bewertung der Vergangenheit ihres Volkes unsicher werden und insbesondere die Zeit vor 1945 mit einer teuflischen Epoche gleichsetzen. Der Verein will diesen Gefahren begegnen und mit der Sicherung und Verbreitung der historischen Wahrheit eine notwendige Aufgabe für unser Volk erfüllen.“ Kalbitz selbst war an „Geschichte“ interessiert. Seine Zusammenarbeit mit seinem Schwiegervater Stuart Russell an den Drehbüchern für zwei NS-Kriegsfilme dürften ihm die Tür für den von Marloh gegründeten Verein geöffnet haben.

„Adolf Hitler Frontsoldat im 1. Weltkrieg“

Am 03.03.2004 erschien der Film „Adolf Hitler Frontsoldat im 1. Weltkrieg“. Stuart Russell veröffentlichte eineinhalb Jahre später am 28.20.2005 zu dem Film einen Bildband „Frontsoldat Hitler – Der Freiwillige des Ersten Weltkrieges“. Einem Nachruf von SS-Veteranen auf Stuart Russell im Todesjahr 2006 zufolge, wollte Stuart Russell „einer von ihnen sein“: „Russell diente 13 Jahre als Berufssoldat in der britischen Armee und führte 1979 zahlreiche Interviews mit wichtigen Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges.

Er war freier Mitarbeiter der BBC London und unter anderem auch engagierter Aufklärer der Kämpfe 1945 im Raum Paderborn. Sein Zugang zu Archiven der Alliierten befähigten ihn, objektiv und wahrheitsgetreu über das Geschehen zu publizieren. Er war für uns und unsere Truppe ein zuverlässiger Freund geworden und sagte nicht selten anlässlich unserer Treffen: ‘Ich stehe auf eurer Seite und ich möchte einer von euch sein.‘ (…)

Wir haben einen der historischen Wahrheit verpflichteten treuen Freund verloren.“ Veröffentlicht 2006 im HIAG-Mitteilungsblatt.  Die HIAG ist die „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS“, einem rechtsextremen 1951 gegründeten Traditionsverband. Stuart Russell lebte in Wewelsburg (Raum Paderborn), nicht weit entfernt von Vlotho, dem Wohnsitz des Historikers und Holocaust-Leugners Werner-Georg Haverbecks („Die Auschwitz-Lüge“).

Aber zurück zu Marloh und Kalbitz. In dem Interview äußerte Marloh die Sorge darüber, wer das Archiv weiterführen könnte. Er wünschte sich „Leute, seriös, ohne Polemik und ohne Unvoreingenommenheit – nur der Wahrheit verpflichtet, Veritas, Iustitia, Futurum“, die das Archiv weiterführen. 1999 übernahm Hans Ulrich Kopp den Vorsitz dieses Vereins und Archivs und übergab 2014 den Staffelstab an Andreas Kalbitz.

Nation und Europa

Klaus Christoph Marloh war als Geschäftsführer bei dem rechtsextremen und antisemitischen „Nation Europa Verlag“ tätig, gegründet 1951. Die monatliche Zeitschrift hieß „Nation und Europa“. Auch dieser Verlag wurde von ehemaligen SS- und SA-Leuten gegründet: SS-Sturmbannführer Arthur Ehrhardt und SA-Obersturmführer Herbert Böhme. NPD-Gründer Adolf von Thadden wurde 1992 Mitherausgeber, Karl Richter (NPD) aus München war ebenfalls Redakteur.

Neonazi Tino Brandt vom Heimatschitz Thüringen war Angestellter des Verlages. Der Zeitschrift angeschlossen war ein Buchdienst, der in seinem Sortiment rechtsextreme Bücher hatte, auch aus anderen Verlagen, wie dem Grabert-Verlag von Witikone Herbert Grabert. Bücher über die Waffen-SS, der Leibstandarte Adolf Hitler oder „Das Reich“ fanden sich im Sortiment. Nach dem Tod von Marloh, 2009, kaufte Dietmar Munier den Verlag und benannte die Zeitschrift in „Zuerst!“ um. Chefredakteur ist Witikone Manuel Ochsenreiter (Ex-Mitarbeiter von Markus Frohnmaier, AfD, im Bundestag, der sich von Ochsenreiter trennte, als bekannt wurde, dass Ochsenreiter zwei Terroristen zu Anschlägen in der Ukraine angestiftet haben soll (9)).

Zu Jürgen Rieger, Gertrude Herr oder Ursula Wetzel-Haverbeck könnte man noch sehr viel mehr schreiben. Nur dann würde der Text hier noch länger. Die Verbindungen zu Marloh sind in der Abbildung dargestellt. In der Szene kennt man sich. Und Alt-Nazis wie Marloh, Herr oder die Haverbecks oder auch die Himmler-Tochter Gudrun Burwitz haben das Potenzial bei jungen Menschen erkannt, sie agitiert und politisiert. Sie haben mit ihren Vereinen und Finanzquellen Strukturen geschaffen, aus denen Neonazis wie Thorsten Heise, Tino Brandt, Beate Zschäpe oder Stephan Ernst, dem Lübcke-Attentäter, hervorgegangen sind.

Eine neue, gefährliche Generation

Eine neue, gefährliche Generation, die vor Gewalt nicht zurückschreckt. Sie haben ebenfalls eine Generation geschaffen, die rechtsextremes und nationalsozialistisches Gedankengut in die Parlamente tragen. Diese Generation hat erst nach dem Ableben der meisten Alt-Nazis eine neue rechtsextreme Partei gegründet, um sagen zu können, dass in ihrer Partei keine „Alt-Nazis“ bzw. ehemaligen NSDAP-Mitglieder eingetreten seien. Was diese Parteifunktionäre nicht erzählen, dass sie in Strukturen aufgewachsen sind, die von Alt-Nazis aufgebaut und kontrolliert wurden.

So wie Andreas Kalbitz, der eine rechtsextreme „Biografie“ leugnet, aber als rechtsextreme „Bezüge“ verstanden wissen will. Mittlerweile verdichten sich die Hintergrundinformationen dieser „Bezüge“ quantitativ und qualitativ dergestalt, dass daraus ein Gesamtbild entsteht, das nur einen Schluss zulässt: auch Andreas Kalbitz kann nur ein Rechtsextremer und Neonazi sein. Angekommen in höchsten politischen Entscheidungsebenen – und demnächst vielleicht sogar als der mächtigste Mann an der Spitze einer Partei, die rechtsextrem ist.

Doris von Sayn-Wittgenstein wurde nach Bekanntwerden ihrer Aktivitäten als Fördermitglied in dem Verein „Gedächtnisstätte für die deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges“, in Guthmannshausen, aus der AfD ausgeschlossen. Andreas Kalbitz hingegen ist immer noch Mitglied des Landtages, Vorsitzender der Landes-AfD in Brandenburg und Vorstandsmitglied im Bundesvorstand der AfD. Seine „Bezüge“ zu Kopp und Marloh haben nicht zu einem Ausschluss aus der AfD geführt. Quod licet Iovi, non licet bovi.

Björn Höcke und Andreas Kalbitz im Vergleich

Sowohl Björn Höcke als auch Andreas Kalbitz stehen nach dem Ausscheiden von Poggenburg an der Spitze des Flügels. Bei unseren Recherchen zu Andreas Kalbitz sind wir auf Gemeinsamkeiten gestoßen, die aber nicht unterschiedlicher sein können. Was beide verbindet, trennt aber auch auf der anderen Seite. Um es auf den Punkt zu bringen: Höcke und Kalbitz eint die Mitgliedschaft im radikalen Rechtsaußen-Flügel der Partei und sie sind beides starke Zugpferde – aber sie kommen aus unterschiedlichen „Ställen“. Es gibt nur wenig bis keine Überschneidungen in ihren Biografien und Unterstützernetzwerken. Und dieser Punkt wird letztlich entscheidend sein, wer an der Bundesspitze der AfD das Rennen machen wird.

Burschenschaften

Kalbitz ist Mitglied der pennälen Burschenschaft Saxonia-Czernowitz, die sich in den Räumen der rechtsextremen BS Danubia trifft. Hans-Ulrich Kopp ist Alter Herr der Danubia (und Kalbitz Vorgänger beim Verein Kultur-
und Zeitgeschichte – Archiv der Zeit e.V.) Bei Höcke ist das schwieriger, festzustellen, ob er überhaupt Burschenschaftsmitglied ist. Infrage käme in seiner Studentenzeit in Gießen die BS Rugia (über Jürgen Gansel, später NPD) oder die BS Rheinfranken (auch in Marburg) oder die BS Germania in Marburg. Sein Sprecher Torben Braga ist Mitglied der BS Germania in Marburg.

Bei der BS Rheinfranken Gießen hatte Höcke am 4.11.2015 und bei der BS Rheinfranken Marburg am 13.11.2015 Vorträge gehalten. (10) Jürgen Gansel studierte wie Björn Höcke in Gießen Geschichte. Jürgen Gansel war Vorsitzender der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen. Was Kontakte, Mitgliedschaft in Burschenschaften und „Vitamin B“ betrifft, geht dieser Punkt an Andreas Kalbitz.

Landsmannschaften

Björn Höcke stammt väterlicherseits aus Ostpreußen. Sein Großvater Kurt und sein Vater Wolfgang werden der Landsmannschaft Ostpreußen angehört haben. Denn die Traueranzeige von Björn Höckes Großmutter zierte deren Wappen: die Elchschaufel. (11) Auch später, 2010, nahm Björn Höcke an der damals größten Neonazi-Demo in Dresden teil. Organisiert von der JLO – der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland (vormals Junge Landsmannschaft Ostpreußen, dessen Vorsitzender dann Jürgen Gansel war). Überhaupt zieht sich die Vertriebenenthematik durch im Leben von Höcke, wie auch im Leben von Kalbitz.

In jungen Jahren schloss sich Kalbitz dem Witiko-Bund an, dessen sudetendeutsches Führungspersonal auch in der Landsmannschaft der Schlesier organisiert war. Die Sudetendeutschen empfanden sich auch elitärer als andere Landsmannschaften. Kalbitz schrieb für den Witikobrief, aber auch für Fritz, das Mitteilungsorgan der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland. Kalbitz war schon damals stärker vernetzt als Höcke.
Auch dieser Punkt geht an Kalbitz.

Holocaustleugner, NSDAP-Mitglieder und „Kulturvereine“

Am 28.10.2016 hat Höcke auf einer Kundgebung in Gera die Holocaust-Leugnerin verteidigt, die wegen eines „Meinungsdeliktes“ für mehrere Jahre ins Gefängnis gehe, während Vergewaltiger mit dem „richtigen“ Hintergrund auf Bewährung frei kämen. (12 Ursula Haverbeck gründete einen Verein in Seevetal, der dann auch die Gedächtnisstätte in Guthmannshausen (Thüringen) gründete – der Verein, über den die AfD-Fürstin Doris Ulrich aka Doris von Sayn-Wittgenstein, ebenfalls einer Höcke- äh Flügelanhängerin, straucheln sollte.

Aber auch Kalbitz hat Kontakte zu Holocaust-Leugnern wie Horst Mahler, von dem er am 10.08.2008 eine E-Mail bekam, in der der NPD-Anwalt Mahler Kalbitz über den ersten Verhandlungstag am Landgericht Potsdam unterrichtete, vor dem er wegen Volksverhetzung verurteilt wurde. (13)

Anders als Sayn-Wittgenstein hat Kalbitz nicht für einen als Kulturverein getarnten Verein für Holocaustleugner geworben, er stand einem solchen als Vorsitzender vor. Mitglieder: die sogenannte „Erlebnisgeneration“ des Zweiten Weltkrieges. Bücher von Adolf Hitler, Adolf von Thadden wurden dort herausgegeben. Waldemar Schütz und andere SS-Leute gründeten diesen Verein, dem vor Kalbitz auch Hans-Ulrich Kopp vorstand. Mit Kalbitz saß der Münchener Stadtrat Karl Richter im Vorstand dieses Vereins. Richter hält den Hitler-Attentäter Georg Elser für einen „Bombenleger mit heimtückischer Tötungsabsicht“ und unterhält Kontakte zum Neonazi Martin Wiese, der einen Anschlag auf das Jüdische Zentrum in München plante. Auch in diesem Punkt hat Kalbitz die Nase vorn.

Terrornetzwerke

Erschreckend ist, dass sich im Umfeld Höckes und Kalbitz‘ Leuten finden, denen wiederum Kontakte zu Terrornetzwerken und Gruppen nachgesagt werden. Thorsten Heise soll der mutmaßliche Kopf von Combat 18 sein, das zum Unterstützernetzwerk des NSU-Mördertrios zählen soll.

Auf deren Konto gehen 10 Morde. Björn Höcke sitzt im NSU-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtages. Angesichts seiner „räumlichen Nähe“ und vermutlich auch „inhaltlichen Nähe“ (siehe Landolf Ladig) zu Thorsten Heise ist das ein höchst problematischer Umstand. Thorsten Heise soll Höcke beim Umzug ins thüringische Eichsfeld geholfen haben und bei dem ein oder anderen Glas Wein auch in Höckes Garten gesehen worden sein – was dafür spräche, dass sich beide mehr kennen, als über die gemeinsame Schule, in die ihre Kinder gehen.

Bei Andreas Kalbitz haben wir erst vor ein paar Tagen über  die sogenannte „Altenstadt-Connection“ etwas veröffentlicht. (15) Es finden sich einige der Fallschirmjäger aus Altenstadt in Netzwerken wie Westkreuz, Uniter, Nordkreuz wieder. Spezialkräfte von Polizei und Bundeswehr planten für „Tag X“, mehrere Menschen aus dem linken Spektrum zu ermorden.

Bündische Jugend

Ist eigentlich bekannt, ob Björn Höcke jemals in einer Bündischen Jugend war? Über Thorsten Heise ist bekannt, dass er bei der Wiking-Jugend war. Und auch Kalbitz war bei der Heimattreuen Deutschen Jugend. Mindestens zweimal. An solchen Freizeitlagern nimmt man nicht eben mal zum „reinschnuppern“ teil. Das Who is Who der rechtsextremen Szene schickt seine Nachkommen zum militärischen und ideologischen Drill auf solche Freizeitlager. Kalbitz bekam als einer von sieben! Leuten eine Abschiedsmail von Sebastian Räbiger (NPD), als die HDJ verboten wurde. (16) Auch hier geht der Punkt an Kalbitz.

Rechtsgerichtete Historiker

Natürlich wissen wir nicht, welche „Geschichtsbücher“ Höcke oder Kalbitz gelesen haben. Aber Historiker wie Venohr und Diwald kannten sich. Sie haben beide schließlich auch 1989 zusammen mit Günther Deschner den Straube-Verlag gegründet. Venohr meldete sich mit 16 Jahren freiwillig zur Leibstandarte SS Adolf Hitler. Und als er starb, fand sich der Name „Wolfgang Höcke“ auf der Kondolenzliste. (2) Hellmut Diwald war Mitglied des Witikobundes und der Deutschen Gildenschaft, dessen Vorsitzender Wolfgang Egerter wie auch Kalbitz ebenfalls Witikone war. Egerter geriet wegen seiner rechtsextremen Tätigkeit beim Witikobund durch die sogenannte „Affäre Gauland“ in die Schlagzeilen – und ins Buch von Martin Walser „Finks Krieg“. Diwald gilt als einer der bekanntesten Vertreter der Neuen Rechten.
Schon wieder hat Kalbitz die Nase vorn.



Weitere Bezüge

Der Vater von Björn Höcke, Wolfgang Höcke, hatte auch einen Solidaritätsaufruf für Martin Hohmann unterzeichnet, der wegen seiner antisemitischen Rede 2003 im Bundestag aus der CDU ausgeschlossen wurde. Auf der selben Liste findet sich auch Heiner Hofsommer, damals ebenfalls CDU-Mitglied. Hofsommer und Hohmann gehörten zur sog. „Stahlhelmfraktion“ um Alfred Dregger, dessen Wahlkreis in Fulda Martin Hohmann nach Dreggers Tod „erbte“. Heiner Hofsommer verkündete immer wieder bei passenden Gelegenheiten, der „Entdecker des politischen Talents“ von Björn Höcke gewesen zu sein. Hofsommer starb 2018.

Alexander Gauland protegiert Andreas Kalbitz. Über Höcke hielt Gauland solange es ging, seine schützende Hand. Höcke sei kein Nazi, nur ein „Nationalromantiker“, der sein Land liebe. Über Kalbitz sagte Gauland, er sei kein Rechtsextremer, sondern „bürgerlich“. Während Höcke also als „Entrückter“ oder Realitätsfremder, eben ein „Romantiker“ dargestellt wird, wird Kalbitz als jemand dargestellt, der bürgerlich sei, nüchtern, pragmatisch, auf dem Boden der Tatsachen stehe – und natürlich auf dem Boden des Grundgesetzes.

Und wir dachten, Meuthen hätte schon sämtlichen Vorrat an Kreide verbraucht, so oft´, wie er die AfD vor Rechtsextremismuskritik verteidigte. Björn Höckes Vater abonnierte die verbotene Zeitschrift „Die Bauernschaft“, herausgegeben von Thies Christophersen (NPD). Während Höcke in jungen Jahren Schriften gelesen hat, hat Kalbitz sie geschrieben. Auch das unterscheidet beide voneinander. Höckes Stichwortgeber ist der Einflüsterer Götz Kubitschek.

Witiko-Bund

1993 wurde Kalbitz lebenslanges Mitglied im Witiko-Bund. Lebenslang deshalb, weil der Witiko-Bund (wie auch die anderen im Chart genannten drei Organisationen) dem sogenannten „Lebensbundkonzept“ folgen. Es gibt weder Eintritte noch Austritte, wohl eine Probezeit. Aber nach Übernahme halten solche Seilschaften (Männerbünde wie Burschenschaften, Korporationen, Corps, und vor allem Bündische Jugendorganisationen, wie die Hitlerjugend oder Heimattreue Deutsche Jugend) bis zum Tod, eigentlich über den Tod hinaus.

Der Witiko-Bund wurde von ehemaligen führenden Nationalsozialisten aus dem Sudetenland gegründet. 1947 eine Vorläuferorganisation „Sudetendeutsche Landsmannschaft) und 1950 als Witiko-Bund. Er hat seinen Sitz in München. Kalbitz wurde übrigens in München geboren und die Himmler-Tochter, die dann die Wiking-Jugend gründete, lebte ebenfalls in München. Natürlich ist München eine Millionenstadt – aber wie wahrscheinlich ist es, dass sich ehemalige Nazigrößen und der junge Kalbitz nicht über den Weg gelaufen sein sollen? Wo es Gemeinsamkeiten oder personelle Überschneidungen bei diversen „Bezügen“ gab? Für das quartalsweise erscheinende (22-32) Periodikum „Witikobriefe“ verfasste Kalbitz Texte.

Die Ausrichtung des Witiko-Bundes ist völkisch-nationalistisch und knüpft personell und inhaltlich an die Tradition des Nationalsozialismus an. Bereits 1967 wurde der Witiko-Bund als rechtsextrem eingestuft – aber noch nie verboten. Akademische Alt- und Neonazis sind halt keine „Schlägernazis“ und wohl deshalb in den Augen der Sicherheitsbehörden keine „Gefahr“ für Leib und Leben. Jedenfalls keine unmittelbare.

Fanclub im Flügel der AfD

Höcke empfahl Gedeons Schriften im Dezember 2015. (17) Dieser nahm 2017 auf dem Kölner Parteitag als Delegierter teil (18 und dürfte sich für Höckes Gegenantrag gegen Frauke Petrys Zukunftsantrag mit seiner Stimme revanchiert haben.

Aber auch Kalbitz hat seinen Fanclub. Die Militärs in der AfD dürften sich hinter Kalbitz stellen – eher als hinter Höcke. Uwe Junge hatte bereits schon Höcke für seinen Personenkult kritisiert und klargestellt, die AfD sei keine Höcke-Partei. (19

Auch Rüdiger Lucassen bemüht sich um Kalbitz und hofft, etwas vom Glanze Kalbitz könnte auf Lucassen abfallen. Lucassen ist in NRW Landesvorsitzender . Ob das Kalkül aufgeht? Einige Veranstaltungen mit Kalbitz mussten wieder abgesagt werden, als die Veranstaltungsorte öffentlich bekannt wurden.

Da ist nicht einer rechtsextremer als der andere

Damit keine Missverständnisse aufkommen: da ist nicht einer radikaler oder rechtsextremer als der andere. Da nehmen sich beide nichts. Nur der eine fällt mit NS-Anleihen und NS-Sprache auf, und der andere kann sich das nach außen hin verkneifen. Während sich Höcke selbstverliebt in dem auf Zeit verliehenen „Ansehen“ sonnte, und er alle mediale Aufmerksamkeit auf sich zog, konnte Andreas Kalbitz in Höckes Windschatten nahezu unbemerkt mitlaufen, um in den entscheidenden Momenten an Höcke vorbeizuziehen und vor Höcke ins Ziel einzulaufen.

Soviel strategische Raffinesse hätte man Gauland nicht zugetraut. Denn gleichzeitig kann die AfD nach außen hin vermitteln, so jemanden wie Höcke doch noch in den Griff bekommen zu haben. Nichts darf über die Radikalität und die rechtsextremen Bezüge in der Vergangenheit von Kalbitz hinwegtäuschen – der im Potsdamer Landtag den Spitznamen „der kleine Himmler“ weg hat. (10
Unser Fazit: Höcke und Kalbitz sind beide rechtsextrem und rechtsradikal. Ob „Bürgerkrieg“ (11) oder „Helm auf“ (12), sollte die AfD nicht auf demokratischen Wege („die letzte friedliche evolutionäre Chance“) an die Macht kommen, ist (Bürgerkriegs- oder Militär-)Gewalt impliziert. So geht Faschismus im 21. Jahrhundert. Auch wenn Kalbitz die Nase vorn haben und das Rennen machen dürfte, aber welche Wahl werden Ende November die Delegierten der AfD haben? Pöcke oder Chalbitz?

Weitere Quellen:

Der Einfluss von Alt-Nazis auf die Neuen Rechten, wie Klaus Christoph Marloh

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Artikelbild: Professusductus, CC BY-SA 4.0