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Warum das Beenden des Iran-Deals richtig war

von | Jun 5, 2018 | Aktuelles

Über Trumps Sexismus, Rassismus und Ableismus müssen wir nicht reden, auch ist ein Großteil seiner Politik kritisierenswert. Aber das macht nicht automatisch jede seiner Handlungen falsch. Matthias Werner argumentiert, dass das Beenden des Iran-Deals richtig war und räumt mit den größten Missverständnissen auf.

Wir alle argumentieren manchmal nicht auf Grundlage von guten Argumenten, sondern auf Grundlage von Feindbildern und Vorurteilen. Aber wir sind uns doch einig, dass wir darauf hingewiesen werden möchten, wenn wir darin verfallen, nur Rechtfertigungen für unsere Meinung zu suchen, anstatt eine Situation fair zu bewerten, oder? 

Es könnte so einfach sein: Ein klerikalfaschistisches Regime möchte ein anderes Land vernichten und hat dafür ein Atomprogramm begonnen – um es daran zu hindern, hat man sich vor einigen Jahren auf folgendes geeinigt: Ihr dürft zivil Atomenergie nutzen, aber baut bitte keine Bomben, wir kontrollieren das aber nicht wirklich. Nun ist es soweit, dass jemand diesen Deal für völlig unsinnig hält und ihn beendet – aber anstatt dies für gut und richtig zu halten wird genau dafür diese Person angefeindet.

Es sollte klar sein, um wen es geht: Um den Iran, der Israel vernichten will und dieses Vorhaben vor kurzem wiederholte. Und natürlich um den Präsidenten der USA, Donald Trump. Vieles was Trump sagt, tut und wofür er steht ist zu kritisieren – Aber, dass er außenpolitisch durchaus Erfolge vorweisen kann, ist anscheinend schwerer zuzugeben, als erwartet, gemessen an der Antipathie, die man ihm gegenüber empfindet, was dann auch zur Grundlage der Beurteilung jeder politischen Maßnahme wird. Wobei das durchaus Kontinuität hat: Obama wurde ja auch nicht für sein Versagen in der Außenpolitik beurteilt, sondern für die Sympathien, die man ihm entgegenbringt.

Es gibt in der Tat  viele Gründe, den Atomdeal mit dem Iran abzulehnen, aber irgendwie scheint Leuten immer wieder ein neuer Grund einzufallen, warum das Beenden des Deals durch Trump falsch sei. Die Begründungen können sogar in einer Reihenfolge sortiert werden in der sie vorgetragen werden. Schauen wir uns sie mal an.

Stufe 1: Missverständnisse über die effektivität des Abkommens

Dazu gehört erst einmal den Sinn des Abkommens wiederholen: Ohne Deal seien Kontrollen der Anlagen nicht mehr möglich, der Iran gäbe ja sein Vorhaben eine Bombe zu entwickeln auf – beides steht nun auf dem Spiel. Dazu natürlich noch, dass die gemäßigten Kräfte im Iran dadurch geschwächt würden.

All das ist leider falsch, denn dass von den Kontrollen iranische Militärbasen ausgeschlossen sind sollte einem schon zu denken geben. Dass die Zentrifugen für die Anreicherung eben auch für militärische Zwecke verwendet werden können, abgemacht wurde, dass die Zentrifugen ihre Produktion drosseln. Einen Abbau der für die zivile Nutzung der Atomenergie nicht notwendigen Zentrfugen wurde dagegen nie gefordert. Die Forschung an Atomwaffen wurde auch nicht verboten, nur ihr Bau. Und die Sanktionen, die im Falle eines Verstoßes drohen, sind kaum der Rede wert.

All das wirkt schon zutiefst befremdlich, aber auch die Behauptung der „gemäßigten Kräfte“, die faktisch nicht existieren: Rohani ist nicht gemäßigt, auch wenn manche Leute das so sehen wollen und sogar Verständnis für Hinrichtungen haben, die der angeblich „gemäßigte“ durchführen lässt.

„Nach den Gesprächen, die wir geführt haben, wird Rohani vor Ort als moderat eingeschätzt. Die dennoch hohen Hinrichtungszahlen wurden uns so erklärt, dass er aufgrund seiner moderaten Politik innenpolitische Härte zeigen muss, um auch die Konservativen hinter sich zu bekommen.““

Aber auch sonst ist von „gemäßigen Kräften“ wenig zu sehen, denn diese sitzen in Foltergefängnissen und nicht in der Opposition. „Haben die islamischen Revolutionäre im Iran inzwischen nichts mehr zu melden? Wurde die Fatwa gegen Salman Rushdie aufgehoben? Werden Ehebrecherinnen nicht mehr gesteinigt, Schwule nicht mehr gehängt? Wurden diplomatische Beziehungen mit Israel aufgenommen? Mal kurz googeln – nein, sieht nicht so aus.“ Trump wird stärker kritisiert als Rohani, der deutlich extremere Politik betreibt.

Stufe 2: Trump zündelt

Natürlich, wie kann es anders sein: Trump provoziert einen Krieg im nahen Osten und was ist mit Russland, die Folgen sind unabsehbar! Auch das ist natürlich auch Unsinn, denn alleine diese Aussagen beweisen, dass man wohl offenbar eine Friedhofsruhe vorzieht, die niemand anderen als die Mörder schützt. Der Iran ist zwar schlimm, aber befassen möchte man sich damit nicht. Zugleich wird ohne es zu merken offen zugegeben, dass das autoritär regierte Russland ein Problem ist – aber anstatt das zu benennen wird das so umgedeutet, als seien die USA das Problem. Autoritäre Regime sind ok – solange sie nicht provoziert werden? Das ist doch Täter-Opfer-Umkehr.

Trump will ebenfalls keinen Krieg im nahen Osten, auch wenn Kriegslust den USA schon immer gern unterstellt werden. Das Beenden eines schlechten Deals bedeutet nicht, dass nun eine Streitmacht nach Teheran geschickt wird. Es ist die erste Stufe des Druck Ausübens, dazu können auch neue Sanktionen usw. gehören, bis zu einer militärischen Intervention ist es doch noch weit hin.

Militärische Interventionen bleiben die letzte Option – nur sind sie mitunter manchmal auch notwendig: Was hilft es, wenn “Nie wieder Krieg” gefordert wird: Trotz unrealistischer Aussicht auf Erfolg lieber reden, wenn Menschen umgebracht werden und um jeden Preis einen Krieg verhindern? Da ist die Parole “Nie wieder Unfreiheit” doch besser, denn so ist es schwieriger, Menschenrechtsverletzungen zu akzeptieren um des Friedens Willen. Ein Krieg kann eben weniger Menschenleben fordern als Diplomatie, auch wenn das für manche unvorstellbar sein mag. Der Iran handelt nicht zweckrational, will keine wirtschaftliche Zusammenarbeit, sondern sein theokratisches Regime exportieren und vor allem Israel zerstören. Da hilft Reden nicht, es hat und wird nicht funktionieren.

Man könnte noch die Doomsday Clock als Autorität hernehmen, die unter Trump weiter vorgestellt wurde,. Aber diese ist ein Anachronismus aus dem kalten Krieg, über den folgendes zu lesen ist:  “Über eindeutige Kriterien, nach denen die beteiligten Wissenschaftler über das Vor- und Zurückstellen der Uhr entscheiden, ist nichts bekannt.” Was ansonsten aus mangelnder Transparenz als unseriös abgelehnt werden würde, wird bei den USA als Beleg für die eigenen Behauptungen herangezogen. Das können wir besser.

Stufe 3:  Aber die USA haben das Regime in Teheran doch erst verursacht

Selbst das ist so nicht korrekt. Wahr ist, dass die USA in den 50er Jahren mit Großbritannien in der Operation Ajax den Premierminister töten und so den Schah stärken wollten, woraufhin es erst zu Protesten und dann zur Gründung der islamischen Republik kam. Die Islamisierung der Institutionen folgte erst in den 70ern. Auf vieles davon haben die USA keinen Einfluss nehmen können.

Und selbst wenn: Zu dieser Zeit existierte die Logik des kalten Krieges, bei der der Fehler gemacht wurde, dass man dachte, jedes Regime zu stützen, das der eigenen Seite eher zugeneigt war, sei richtig. Dies war kein USA-spezifisches Handeln, die UDSSR handelte ähnlich, denn man wollte dem politischen Gegner keinen Millimeter überlassen.

Inzwischen sind seit dem kalten Krieg zudem über dreißig Jahre vergangen, die USA haben ihre Außenpolitik längst neu ausgerichtet – wer also so tut, als gäbe es logische Kontinuitätslinien muss enttäuscht werden, so gerne Leute auch denken wollen, die USA würden über Jahrzehnte die immer gleichen Fehler machen.

Stufe 4: „Aber gegen Saudi Arabien machen die USA aber auch nichts“

In der Tat herrscht in Saudi Arabien auch kein schönes Regime, dennoch gibt es einige Unterschiede: Zumindest was Israel angeht, bemüht sich Saudi Arabien um Entspannung und zur Staatsraison gehörte auch nie eine Vernichtung dieses Staates.

Es mögen neben sicherheitspolitischen Fragen sicher auch wirtschaftliche Verflechtungen dazu führen, dass dieses Regime eher verschont wird. Allerdings versuchen deutsche Firmen, die im Iran gute Geschäfte machen, auch auf die Bundesregierung einzuwirken, um den Ausstieg aus dem Irandeal für sie möglichst glimpflich ablaufen zu lassen. Wer nun also die Zusammenarbeit der USA mit einem widerlichen Regime kritisiert, sollte seine Kritik nicht zu einseitig ausfallen lassen.

Hinzu kommt, dass Iran und Saudi Arabien gesellschaftlich Unterschiede aufweisen: Während der Iran eine durchaus gebildete Bevölkerungsschicht hat, die freiheitlich denkt und mit dem eigenen Regime fremdelt, sieht es in Saudi Arabien anders aus: Wären die Mullahs im Iran weg, so würde der Iran wahrscheinlich nicht im Chaos versinken. In Saudi Arabien gäbe es bei einer Intervention eine unberechenbare Lage. Eine Abwägung ist von Nöten.

Allerdings gibt es noch viel wichtigere Aspekte: Denn es fällt auf, dass über Menschenrechte in Saudi Arabien nur gesprochen wird, wenn damit das Nichtstun der USA angeprangert werden soll. Schon bemerkenswert, dass Kritiker sonst die Menschenrechtslage dort eher wenig interessiert – es sei denn, sie kann instrumentalisiert werden, um Amerika Heuchelei vorzuwerfen.

Es könnte gefragt werden, was jetzt so schlimm daran ist, sich zumindest gegen einen Unrechtsstaat zu stellen. Einen Missstand beenden wollen und jemanden kritisieren, weil es noch andere gibt ist schon bizarr, quasi so als werfe man jemandem im Tierschutz Aktiven vor, diese Person würde die Lage von Kindern in Not nicht beachten und sei deswegen heuchlerisch. Irrational ist eine solche Denke in jedem Fall.

Stufe 5: USA sei genau so schlimm wie der Iran

Das ist natürlich ganz fantastisch: Ein Land, in dem freie Wahlen herrschen, das Individuum als wichtig angesehen wird, Frauen nicht verschleiert herumlaufen müssen, in dem Meinungsfreiheit herrscht wird mit einem Regime wo all das nicht der Fall ist auf eine Stufe gestellt. Einem, in dem Frauen, die vergewaltigt wurden, zur Strafe gesteinigt werden – sei es wegen Ehebruch oder vorehelichem Sex. Darauf muss man erstmal kommen!

Stufe 6: Hitlervergleiche

Manche könnten mir an dieser Stelle unterstellen, ich würde sagen: „Unter Trump ist nicht alles schlecht“ und das dann mit der unsäglichen Entschuldigung vergleichen „Unter Hitler war ja auch nicht alles schlecht“.

Der Vergleich ist natürlich Schwachsinn, weil das, was Hitler angeblich nicht falsch gemacht haben soll immer aus der totalitären und menschenverachtenden NS-Ideologie heraus geschah. Zudem steht Trump trotz all seiner Fehler auf demokratischen Grundfesten und er verachtet eben nicht das Judentum, sondern hat mehrmals seine Wertschätzung diesem gegenüber geäußert, was von Hitler nicht unbedingt behauptet werden kann.

Aber es ist natürlich einfacher, wenn man den Diskussionsgegner mit Hitler vergleichen kann. Wer einen Hitlervergleich haben möchte, kann ja diesen nehmen: Auch in der NS-Zeit war es in Deutschland üblich, die USA zu hassen, antisemitische Übergriffe waren wie heute Alltag. Zudem war es allen nach Hitlers Angriff auf die Tschechoslowakei lieber, Appeasement zu betreiben, anstatt ihn zu stoppen. Genau so macht man Appeasement mit dem Iran: Du kriegst was du willst, aber dann benimm‘ dich dann jetzt bitte. Erfolgreich war das bekanntlich nicht.

Geschichte kann sich wiederholen, im hässlichsten Fall wird der Iran Israel mit einer Atombombe angreifen und das fortführen, was mit Hitler endete. Und die Deutschen werden mal wieder von nichts gewusst haben wollen.

Damit stellen sich alle die so reden natürlich direkt in die Tradition ihrer wieder gut gewordenen Großväter, denn diese logen sich und anderen vor, nichts gewusst haben, schwadronierten schon von den Kriegsverbrechen der Amerikaner im Zweiten Weltkrieg. Deren Kinder sahen im kalten Krieg die USA dann “kritisch”. Und heute lebt diese Tradition wiederum munter fort bei deren Kindern: Den eigenen Faschismus bei anderen suchen, immer bei den Amerikanern, aber niemals bei Regimen, die in der Tat als totalitär zu bezeichnen sind.

Bonuslevel: Sonstige Gräueltaten der Amerikaner aufzählen

Da fallen einem natürlich direkt noch andere Punkte ein: Die amerikanischen Gräueltaten im kalten Krieg oder man geht noch weiter: Die Versklavung der Schwarzen, Rassismus, die Behandlung der Ureinwohner usw. Vergessen sollte dabei nur nicht, dass es am Ende immer die Amerikaner es selber waren, die die Sklaverei abgeschafft und Freiheitsrechte immer mehr Minderheiten im eigenen Land zugestanden und damit die USA eine Nation ist, die aus dem eigenen Fehlverhalten lernt.

Bedenkt man, dass es auch die Amerikaner waren, die die Nazis gestoppt haben und Deutschland erst demokratisierten, weil die Deutschen mit 1848 und Weimar bewiesen, dass sie dazu selber nicht in der Lage sind, ist das bemerkenswert: Die Grundlage deutscher Demokratie fußt auf Millionen Toten, die die Deutschen verursachten und sie musste ihnen aufgezwungen werden, wohingegen die USA selber zu der Einsicht kamen, dass bestimmte Handlungen ihrerseits nicht gut waren.

Drei bis vier Generationen sind vergangen seit dem dritten Reich, vergessen ist all das und man hat angeblich so sehr aus der Geschichte gelernt, dass man sich endlich den Befreiern moralisch überlegen fühlen kann und diesen sagen kann, wie sie sich zu verhalten haben. Eine solche Arroganz muss man erstmal verdauen und schon Albert Schweitzer wusste: “Das gute Gewissen ist eine Erfindung des Teufels!”

Der wieder gut gewordene Deutsche

Aber sie sind ja nicht allein: Böhmermann mit “Be deutsch” zeigte ja, wie am wieder gut gewordenen deutschen Wesen die Welt genesen soll. Nach sechs Millionen ermordeten Juden hat man ja gelernt und kann den Holocaust und den daraus resultierenden Sündenstolz kommerziell verwursten und alle Bauchgefühlslinken applaudieren. Derweil schwadroniert Volker Pispers eine Dreiviertelstunde über die Handlungen der USA, natürlich mit bewussten Auslassungen, die die Handlungen dann erst irrational wirken lassen. Da das Publikum die Auslassungen nicht erkennt, kann es diesen Unsinn auch für subversiv und aufklärerisch halten.

Dass z.B. die Amerikaner vom Vietnam und Korea damals zur Hilfe gerufen worden sind, weil die Länder von Kommunisten überfallen wurden, kommt da natürlich nicht vor, im Gegenteil waren sie ja letztendlich dann auch wieder Schuld an den Kriegen. “Wenn man weiß, wer der Böse ist, hat der Tag Struktur” sagt Pispers und meint die Amerikaner, wie gut dieser Satz auf sein “USA-kritisch”- durchschnittslinksalternatives Publikum passt, ist wohl weder diesem noch ihm aufgefallen. Dass übrigens kein Wort zu Verbrechen der UDSSR hierbei fällt, fällt jenen zwar nicht auf, aber zeigt nochmal wie eindimensional ihre “kritische Denke” doch ist.

Wer bis hierhin gelesen hat wird vielleicht bemerkt haben, dass viele der Stufen nichts mit Trump an sich zu tun haben, aber hat ist vielen manchmal egal – wobei man auch einen Zusammenhang erkennen kann: Trump ist Amerikaner – und Amerikaner können nichts richtig machen. Das hat nichts mit einem kritischen Geist zu tun, sondern ist einfach nur Anti-Amerikanismus.

Wenn all jene wenigstens so ehrlich wären und zugeben würden, dass es genau das ist, wäre es ja wenigstens etwas. Dass dieser aber hinter sachlich falschen Behauptungen versteckt wird und so offensichtlich ist, ist eher peinlich. Ja, natürlich gibt Trump viele gute Gründe der Kritik. Aber das führt nur auch dazu, dass das Bild vom hässlichen, ungebildeten, großspurigen Amerikaner mit Trump endlich wieder ein Gesicht bekommen hat, dass sich als Ventil für die eigenen Ressentiments gegenüber den USA optimal eignet.

Ich hoffe, dass dieser Artikel zu etwas Einsicht führt, und nicht nur zur Leugnung, Empörung und Beleidigungen gegen den Autor.

Artikelbild: pixabay.com, CC0