#allesdichtmachen wird zum Gespött im Netz
Eines vorweg: Aus Sicht eines Anti-Fake-News Blogs, der seit über einem Jahr versucht, über Desinformation und Verschwörungsideolog:innen und deren Methoden im Zuge der Pandemie aufzuklären, haben wir natürlich eine ganz bestimmte Sicht auf die von den 53 Schauspieler:innen zynisch inszenierte #allesdichtmachen-Kampagne. Wir haben uns ausführlich und differenziert mit der Kampagne und dem Problem damit beschäftigt:
Völliger Reinfall: Warum #allesdichtmachen so von Nazis & Querdenkern gefeiert wird
Nein, weder alle beteiligten #Schauspieler von #allesdichtmachen, noch alle, die es feiern sind Querdenker und Rechtsextreme. Aber das ist das Problem. Wenn deren Fake-Narrative und undifferenzierte Überspitzungen "normal" werden, wird das zum Problem für Diskurs und Demokratie.
— Volksverpetzer (@Volksverpetzer) April 23, 2021
Auch der Journalisten-Verband sieht es kritisch, dass hier Narrative der „Lügenpresse“-Rufer bedient werden:
Schauspieler*innen ziehen bei #allesdichtmachen über die Corona-Maßnahmen und die Medien her. @JanJosefLiefers bedient dabei Narrative der "Lügenpresse"-Rufer. Ein verbaler Schlag ins Gesicht aller, die trotz ständiger Drohungen und Angriffe berichten. https://t.co/IeXMp57RUK
— Journalisten-Verband (DJV) @[email protected] (@DJVde) April 23, 2021
Querdenker:innen und Rechtsextremist:innen klatschen beim Anblick der Videokampagne Beifall und teilen (und verteidigen) sie, weil sie ihr Weltbild und ihre Agenda bestärkt. In dieser Pandemie-Lage eine solche unüberlegte und naive Kampagne zu fahren war unglaublich fahrlässig und verantwortungslos. Dementsprechend fiel auch die Kritik im Netz aus. Und der Spott.
Die treffendsten Tweets
Derweil explodieren die Reaktionen auf den sozialen Medien förmlich. Hier ein Versuch, euch die treffendsten aktuellen Beiträge zur #allesdichtmachen Kampagne zu zeigen.
Kampagne sei Spott über Krankenhauspersonal und Hinterbliebene
Gerade für diejenigen, die gerade täglich um das Leben von Covid-Patient:innen kämpfen, wird in den sozialen Medien Position gegenüber der Kampagne ergriffen:
Die Schauspieler*innen von #allesdichtmachen können sich ihre Ironie gerne mal tief ins Beatmungsgerät schieben.
— Tobias Schlegl (@TobiSchlegl) April 22, 2021
Die #allesdichtmachen-Videos sind der absolute Tiefpunkt der Pandemie! 80.000 sind allein in Deutschland an Corona gestorben. Aber die privilegierten Schauspieler:innen haben nur Hohn und Spott für die, denen das nicht egal ist. #allenichtganzdicht
— 🇺🇦 Michael Oberst 🇺🇦 (@miob1781) April 22, 2021
https://twitter.com/horn/status/1385324947678052353
Klinikpersonal würde Schauspielern gerne für ihren Mut applaudieren, hat aber leider VERFICKT NOCHMAL ZU VIEL ZU TUN!!!!! #allesdichtmachen #Schauspieler https://t.co/bnHmG1WEYi
— Der Postillon 📯 (@Der_Postillon) April 23, 2021
Ich kenne keinen dieser ach so berühmten deutschen Schauspieler.
Aber ich habe tiefes Mitgefühl für eure sicherlich große finanzielle Not.
Wenn ich mit dem Dienst in der Notaufnahme fertig bin, klatsche ich mal, ok?#allesdichtmachen
— Die 78. Nell🏥 (@Nell781) April 22, 2021
Könnten die Ärzte und Pfleger auf den ITS bitte mal kurz ans Fenster kommen und den mutigen Schauspielern von #allesdichtmachen für ihren Mut und Einsatz applaudieren. #schlaginsgesicht #nichtselbstverstaendlich
— NoCovid-Team (@NoCovidJetzt) April 22, 2021
https://twitter.com/Igotlostinhere/status/1385343530688782338
Ich habe die letzten 12 Tage jeden Tag gearbeitet. Meistens Intensivstation, dazu Notarztdienst und Impfzentrum. 10-12 Stunden am Stück mit FFP-Maske, alles um dieser Pandemie Herr zu werden.
Diese #allesdichtmachen-Scheiße ist das ALLERLETZTE was ich jetzt brauchen kann! 🤬
— Flow 🇺🇦 (@Caethan13) April 22, 2021
https://twitter.com/NatalieGrams/status/1385448949385924609
Auf die „Klarstellung“ von Liefers erwidert Katharina Nocun, dass die Solidarisierung mit dem Krankenhauspersonal im Nachgang ziemlich unglaubwürdig sei.
Uff, Jan Josef Liefers hat auf Insta eine „Klarstellung“ veröffentlicht, in der er schreibt, er sei „bei allen Medizinern, MTA und Pflegekräften“. Nein Jan, das bist du nicht, sonst hättest du nicht dieses Video gedreht. 🙄 #allesdichtmachen
— Katharina Nocun (@kattascha) April 23, 2021
Der Schaden ist auch schon angerichtet: Die Videos kursieren bereits tausendfach auf Telegram und werden von Pandemie-Leugner:innen als Rechtfertigung für ihr extremistisches Weltbild gefeiert. Von der Klarstellung kann sich kein:e Intensivmediziner:in etwas kaufen.
Privilegiertheit von prominenten Schauspieler:innen
Auch der Umstand, dass es sich bei den Kampagnen Teilnehmer:innen um prominente Schauspieler:innen handelt, denen es verhältnismäßig gut gehen sollte, wird thematisiert. Und erntet entsprechend viel Hohn:
https://twitter.com/SophiePassmann/status/1385358430987292672
https://twitter.com/LaVieVagabonde/status/1385472869979852800
IHR NORMALOS WISST EBEN NICHT WIE SCHWER ES FÜR UNS STARS IST OHNE ROTE TEPPICHE AUSZUKOMMEN – DESHALB #allesdichtmachen
— Aurel (@aurelmertz) April 22, 2021
https://twitter.com/_befishy__too/status/1385383524748992514
https://twitter.com/igorpianist/status/1385325919926165510
Stell dir vor, du versuchst, mit süffisanter Überheblichkeit und null Lösungsansätzen eine Pandemie zu stoppen, obwohl du mit deiner Reichweite und Bekanntheit auch echt viel Gutes anstellen könntest und dann gefällt den Leuten das nicht. Sad.
— Ralph Ruthe (@ralphruthe) April 23, 2021
Deutschlands Schauspieler kommen nicht damit klar, dass Menschen auf Intensivstationen mehr Aufmerksamkeit bekommen als sie. #niewiederaufmachen
— Der Gazetteur (@dergazetteur) April 22, 2021
https://www.instagram.com/p/COAUZNEHhCG/
Reaktionen von anderen Schauspieler:innen
Auch prominente Schauspiel-Kolleg:innen melden sich zu Wort und können die Aktion nicht unkommentiert lassen:
„Heute bisschen für Kollegen schämen“: Christian Ulmen, Nora Tschirner, Alexandra Maria Lara und andere – unter #allesschlichtmachen kritisieren sie ihre Schauspieler-Kollegen für #allesdichtmachen.https://t.co/4OhXEWE12E
— Tagesspiegel (@Tagesspiegel) April 23, 2021
https://twitter.com/neinhorn_das/status/1385476066526076929
Okay, ich feier @Elyas_MBarek jetzt.#allesdichtmachen pic.twitter.com/qzavjOqNb4
— Manuel Lorca 🗯 (@ManoLorca) April 22, 2021
Lasst uns nicht über die Knallköppe reden, sondern über die Schauspieler:innen, die gerade ihren Kolleg:innen den Kopf waschen. Danke, @Elyas_MBarek, Nora Tschirner, Christian Ulmen und Co. #allenichtganzdicht
— Henning Tillmann (@henningtillmann) April 22, 2021
Die treffendsten Video-Reaktionen
Zur Kampagne wurden auch viele Videos aufgenommen, die einen satirisch, andere analytisch. Hier analysiert Marina Weisband kurz und knapp die Kampagne und den weiteren Verlauf:
Eine kurze Nachricht an meine Freunde von #allesdichtmachen #allesschlichtmachen zum Thema Meinungsfreiheit. pic.twitter.com/ZKsAMgIbhn
— Marina Weisband (@Afelia) April 23, 2021
Satirische Einlagen von Lutz van der Horst, Florian Haacke und Moritz Hürtgen:
#allesdichtmachen – Ich bin auch dabei ❤️ pic.twitter.com/AytVnvElmh
— Lutz van der Horst (@LutzvanderHorst) April 23, 2021
https://twitter.com/monstre78/status/1385518060963045378
Ich wurde auch für #allesdichtmachen angefragt, aber jetzt findet sich mein Video nicht auf der offiziellen Seite… pic.twitter.com/1P54KKWmix
— Moritz Hürtgen (@hrtgn) April 22, 2021
P. S.: So funktioniert übrigens Satire. Satire, die menschenverachtende Narrative nur 1:1 wiederholt, funktioniert nicht, eben weil es Menschen gibt, die das genau so ernst meinen.
Hier ein Beitrag von Julia Seidl, die in einem Covid-19-Quarantänequartier arbeitet:
mein beitrag zu #allesdichtmachen, weil mir mein job schon wichtiger ist als die gesundheit/ das leben anderer menschen. bussi von einer corona quartier mitarbeiterin #allenichtganzdicht pic.twitter.com/uDWkpde0x4
— Julia Seidl (@julia_seidl) April 22, 2021
Schauspieler Khodr Kida ist wegen der Aktion sichtlich wütend, auch wegen der Opfern von Covid-19:
https://www.instagram.com/tv/COAMReTAsr8/?igshid=1xx067kgogmgs
Und dieser Beitrag vom Postillion ist Satire und Analyse in einem:
https://www.instagram.com/tv/COA0FWpKbdA/?igshid=3dfhf0t92zfk
Sonstige Reaktionen und Entwicklungen
Daniel Laufer von netzpolitik.org macht darauf aufmerksam, dass es sich beim Hintermann der Kampagne um einen Corona-Verharmloser handeln soll:
https://twitter.com/DanielLaufer/status/1385340372369514498
Das darf man wissen: Der Mann hinter der Agentur, die die Kampagne #allesdichtmachen initiiert hat, schreibt im August 2020 auf seinem Insta-Account über Menschen, die Maßnahmen gegen Corona gut heißen: „(…) Der Ausdruck #Coronazi ist somit absolut gerechtfertigt…“
— ProSieben (@ProSieben) April 23, 2021
Rayk Anders prangert an, dass es ziemlich scheinheilig von Liefers sei, die Kommentarfunktion unter seinem Video abgestellt zu haben, wenn seine Motivation doch gewesen sei, einen „kritischen Diskurs“ zu ermöglichen:
Super überzeugend, wie im Video von #janjosefliefers angeklagt wird, dass kein offener, kritischer Diskurs möglich sei, aber dann GLEICHZEITIG die Kommentare zum eigenen Video deaktiviert sind.#allesdichtmachen 🤡 pic.twitter.com/ggKxXGQRAM
— Rayk Anders (@RaykAnders) April 23, 2021
Weitere Kommentare
zur strafe trudeln in den nächsten 7 monaten bei 53 deutschen schauspielermanagerinnen täglich 4500 interviewanfragen und "interessante" mails aus der erweiterten schwurbelbubble ein
— Jan Böhmermann 🤨 (@janboehm) April 23, 2021
"Ich bin kein Querdenker, aber…" ist das neue "Ich hab nichts gegen Ausländer, aber…", oder? #allesdichtmachen
— Dr. Christian Lübbers (@drluebbers) April 23, 2021
Bekannte, geschätzte Schauspielerinnen und Schauspieler kämpfen mit ekliger Ironie gegen #Corona-Maßnahmen. Ich kann das gar nicht glauben. Das ist grauenhaft. Nicht nur von der Zielrichtung her, sondern vor allem in der Form. #allesdichtmachenhttps://t.co/g95K7UgG22
— Stefan Niggemeier (@niggi) April 22, 2021
Treffen mit Jens Spahn
Gesundheitsminister Jens Spahn hat als Reaktion den Schauspieler:innen ein Treffen angeboten:
53 Schauspieler haben mit der Aktion #allesdichtmachen die Pandemie-Situation in Deutschland satirisch kommentiert. Dafür mussten sie bereits viel Kritik einstecken. Gesundheitsminister #Spahn bietet den Initiatoren der Aktion nun ein Gespräch an.https://t.co/5Ku8YCY78S
— RND (@RND_de) April 23, 2021
Das wird natürlich ebenfalls entsprechend kommentiert:
https://twitter.com/RAinBraun/status/1385541134815047680
freu mich schon SEHR auf die fotos vom liefers-spahn-gipfel! 🙏❤️
— Jan Böhmermann 🤨 (@janboehm) April 23, 2021
Herr Spahn ich würde sie gerne mal in einer wichtigen Angelenheit sprechen.
– Keine Zeit.
Ach ja, außerdem finde ich dass *checks notes* die Medien fast schon gleichgeschaltet sind und die Meinungsfreiheit bedroht ist.
– Wie wär's morgen um 11?— Ortskräfte (@Ortskraefte_D) April 23, 2021
Alles in allem ist die Kampagne #allesdichtmachen eine komplette Katastrophe für die Pandemiebekämpfung in Deutschland. Es gibt ohnehin schon viel zu viel Desinformation und Verschwörungsmythen. Da hat es wirklich nicht noch diesen Motivationsschub für Verschwörungsideologen durch diese Kampagne gebraucht. Mehr als alles andere hat diese Aktion demokratiezersetzende Narrative in die Mitte der Gesellschaft getragen und aufgewertet.
Diese ganze Kampagne ist an Verantwortungslosigkeit und Arroganz kaum zu überbieten. Von den nun erfolgenden Klarstellungen und Distanzierungen vieler Schauspieler:innen, die offenbar völlig blauäugig teilnahmen (mehr dazu), kann sich kein:e Intensivmediziner:in etwas kaufen. Mit dieser Kampagne wurde ein immenser Schaden angerichtet, den man nicht einfach rückgängig machen kann.
Auch ohne diese Kampagne werden unzählige Menschen in diesem Land gezielt manipuliert, mit den gleichen Argumenten und gleichen Narrativen. Danke für nichts.
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