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Warum dieses Bild viral ging (und ihr keine Nazi-Memes teilen solltet)

von | Okt 27, 2022 | Aktuelles

Ihr wisst schon, wenn ihr Nazi-Memes teilt, auch, um euch darüber aufzuregen, dann… teilt ihr immer noch Nazi-Memes, ja?

Ich weiß, es ist ein grundlegendes Dilemma von Kritik, Faktenchecks und Aufklärungsarbeit. Und vielleicht denkst du dir gerade: Ausgerechnet der Volksverpetzer hat gut Reden! Aber ich möchte mich erklären. Fangen wir aber erstmal von vorne an. Beziehungsweise noch besser: Eben nicht. Zuerst erkläre ich euch, warum ihr möglicherweise dieses Bild eines süßen Paares bereits gesehen habt:

Einer der Gründe ist vielleicht, wenn ihr Volksverpetzer auf Twitter, Facebook oder Instagram folgt, dass ihr es bei uns gesehen habt. Aber das Bild ist nicht von uns, sondern ein „Netzfund“ und leider haben wir nicht den oder die Ersteller:in des Bildes gefunden, wer ihn oder sie kennt, wir würden sie gerne crediten. Und jetzt zur wichtigeren Frage: Warum ging dieses Bild viral?

Hass, Gegennarrativ, Liebe

Wir haben über Nazi-Memes geredet. Und wie wahrscheinlich die meisten von euch wissen, ist das nicht einfach nur ein Bild eines süßen Paares, sondern eine REAKTION auf ein Meme der AfD. Und möglicherweise habt ihr alle das rechtsextreme Meme gesehen und möglicherweise geteilt, um es zu kritisieren. Wir bei Volksverpetzer haben das *nicht* einfach gemacht. Und zwar aus gutem Grund.

Es ist inzwischen ein weit bekanntes Phänomen, dass Rechtsextremist:innen und andere Verschwörungsideolog:innen extrem menschen- und verfassungsfeindliche Dinge sagen und fordern oder dreist Lügen oder Hass verbreiten. Das ist ein großes Problem, ein sehr zentrales, mit welchem sich dieser Blog beschäftigt. Und wir müssen darüber reden. Und wir müssen das auch zeigen und belegen, um es konkret kritisieren zu können und auch zu beweisen, dass wir uns nicht Dinge über unsere politischen Gegner ausdenken. Ihr wisst, so wie die das ständig machen.

Wie also das tun, ohne denen viel Reichweite zu verschaffen? Das Problem ist ja: Der Algorithmus erkennt nicht, ob ihr einen Beitrag teilt und kommentiert, weil ihr ihn gut findet oder eben nicht. Ein Beispiel: Wenn ein „Querdenker“ wie Homburg mal wieder über Volksverpetzer lügt und hetzt, pusht er uns in die Trends und sorgt für mehr Spenden für uns. Kontraproduktiv also. Also: Screenshots machen und darüber reden? Jain.

Screenshots von Nazi-Memes

Ja, vielleicht erhält der Ursprungsbeitrag keine Likes und Reichweite dadurch, aber wenn es zum Beispiel um Nazi-Memes geht, deren gesamter Content durch den Screenshot transportiert wird dann… dann teilt ihr ja immer noch den gesamten Kontext. Und klar, du denkst vielleicht: Ja, aber das ist doch offensichtlich faschistischer Mist, das glaubt doch keiner. Ja… doch. Das ist ja das Problem. Leute fallen darauf herein. Darum haben wir ja das Problem. Und klar, weil du schon weißt, was an dem Beitrag problematisch ist und vermutlich die meisten deiner Freund:innen, kann es ja trotzdem sein, dass es jemand out of context sieht und falsche Vorstellungen kriegt. Und, ihr wisst, manche Leute wollen halt einfach keine Nazi-Memes in ihrem Feed sehen.

Aber was, wenn ich dazu sage, warum es falsch und faschistisch ist? Besser, aber Bild-Content springt einem zuerst ins Auge und das setzt voraus, dass der oder die passive Betrachter:in deines Posts anschließend sich auch die Mühe macht, deinen Faktencheck zu lesen. Und am Ende kann es immer noch passieren, dass das einfache, plastische Bild leichter im Kopf bleibt als ein Textschwall. Manchmal werfen uns Leser:innen vor: „Volksverpetzer, warum gebt ihr so etwas Reichweite?“ Leute, ihr wisst gar nicht, wie viele Dinge wir absichtlich NICHT behandeln. Stichwort Streisand-Effekt. Beispiele: Die Kritik am Lied Layla ebenso wie an einer schwarzen Ariel haben beide viel bekannter gemacht, als sie es sonst geworden wären. Ja, das geht in „beide“ Richtungen.

Wie darüber reden

Ich sage nicht, dass wir bei Volksverpetzer die Universallösung haben, aber wir haben das schlecht übersetzte Tradfem-Meme der Instagram-Seite der AfD Sachsen an dem Tag, an dem es viel geteilt wurde, nicht geteilt. Nicht weil es nicht extrem problematisch war, sondern weil ein Tweet mit „OMG guckt mal wie verwerflich“ halt nichts konstruktives beigetragen hätte, außer das Meme halt prominenter gemacht. Aber jetzt spreche ich darüber und weiter unten werde ich es auch gleich sogar verlinken. Warum?

Weil jetzt konnte ich Liebe teilen und nicht Hass. Die Grundlektion im Faktenchecken ist in meinen Augen: Teile nicht den Mythos, teile die Wahrheit. Und das ist extrem schwer, denn man möchte ja auch darüber reden, warum der Fake falsch ist. Aber vielleicht ist es euch aufgefallen beim Lesen unserer Faktenchecks. Als das schöne Bild der beiden Frauen auftauchte, DANN haben wir es geteilt. Explizit mit dem Aufruf, das rechtsextreme Meme damit zu kontern. Es ist zwar in diesem Fall keine faktische Widerlegung, aber wenn Nazi-Memes fanfiction über diese zwei Figuren schreiben können, können wir das ja auch.

Denn dann ändern wir die Konversation. Dann reden wir nicht mehr über deren rückständige Rollenbilder und ihren Frauenhass. Dann reden wir über Liebe. Über eine Liebe, die diese Rechtsextremist:innen nicht ausstehen können. Genau so wenig wie die Tatsache, dass ich sie gerade gegendert habe.

Achja: Debunking Nazi-Memes

Und JETZT können wir Nazi-Memes zeigen. Weil jetzt ist die Geschichte eine andere. Jetzt ist die Geschichte: Wer ist dieses Paar? Achja, da hab es diesen peinlichen Beitrag der AfD, den sie inzwischen wieder gelöscht hat. Es gibt ein bereits jahrealtes rechtsradikales Meme in den USA, das aufzeigen will, was „gute“ und „schlechte“ Lebensentwürfe für Frauen sei. Und eine Frau, die sich dem Mann unterwirft und gefälligst ihre Funktion als Gebärmaschine erfüllt, besser sei. Und sie ist schlank. Und sie ist schlank. Ja, das musste die AfD gleich zwei mal erwähnen, weil den Jungs offenbar nicht mehr eingefallen ist, als sie an „Frau“ dachten.

Die AfD ist nicht mal originell – again: außer in der Schreibweise gewisser Worte. Die Partei, die angeblich für „Freiheit“ ist, möchte besonders Frauen vorschreiben, wie sie zu leben haben, in dem sie nicht Möglichkeiten bietet, jeder Frau alle Optionen zu eröffnen, sondern im Gegenteil: Sie diskreditiert andere Lebensentwürfe. Und sie möchte diese Dinge auch zu Gesetzen machen, wenn sie einmal die Macht ergreift. Ja, über die frauenfeindlichen Positionen der AfD haben wir hier geschrieben.

Jetzt ist es noch ein Meme und wir können darüber lachen, aber die Rechtsextremisten wollen der Frau links verbieten, zu leben, wie sie will. Und ja, dass das rechte (no pun intended) Bild ziemlich ähnlich dem ist, was die Nationalsozialisten für erstrebenswert hielten, ist kein Zufall.

Kurzer Einwand: Rechtschreibung

Ja, ich habe mich nebenbei über die Rechtschreibung lustig gemacht, aber bitte ganz wichtig: Das ist weder das größte Problem, also das, worauf wir uns fokussieren sollten (Haha, Nazis vertippen sich, ist kein starkes Gegenargument), noch grundsätzlich ein Problem: Wir vertippen uns auch ständig (Habt ihr mal manche unserer Artikel gesehen??). Jede:r vertippt sich mal, einige Menschen haben eine Rechtschreibschwäche. Passiert. Hängt euch nicht daran auf. Wir würden ja auch keine „Kritik“ an einem Faktencheck durchgehen lassen, nur weil da Tippfehler sind. That’s not the point. Aber vermutlich der Grund, warum die AfD ihren Beitrag längst gelöscht hat.

Fazit: Hass ist krass, liebe ist krasser

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, was ich gerade gemacht habe: Ich habe das rechte Meme gezeigt, und (kurz) inhaltlich darüber geredet, man kann sicherlich auch an anderer Stelle auch mal tiefer darauf eingehen. Aber ich habe es nicht in einem Kontext gemacht, in welchem ich das rückständige Frauenbild prominent positioniert habe. Die Geschichte ist die des süßes Paares. Das Bild ging viral, weil wir (etwas augenzwinkernd) ein Bild von Liebe geteilt haben.

Wir haben alle gemeinsam eine positive Geschichte erzählt und nicht den Hass von Nazi-Memes prominent reproduziert. Das erste, was ihr gelesen habt war Liebe und es wird das letzte sein. Das versuchen wir bei Faktenchecks auch ständig zu machen. Zuerst die Fakten, dann der Faktencheck, dann wieder die Fakten. Damit es das ist, was im Gedächtnis bleibt. Weil es das ist, was wir ja verbreiten wollen!

Die Fakes und der Hass geht viral, weil er eine Geschichte erzählt. Eine schreckliche Geschichte, aber eine Geschichte. Und wir kontern das nicht (nur) mit Widerspruch, sondern mit BESSEREN Geschichten. Geschichten, die näher dran sind an der Wahrheit. Die von Liebe erzählen. Also, wir wünschen den beiden Frauen und ihrem Kind alles beste, denn: „Love is Love“. Und geht wählen, damit die Faschist:innen aus den Parlamenten fliegen.

Artikelbild: Netzfund

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