Europäische Seuchenschutzbehörde sollte verlässlich arbeiten
Sollte man meinen. Wir und andere Medien verlassen sich auf die Daten der ECDC, dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, aber offenbar sind deren Impfquoten (zumindest für Dänemark) nicht korrekt berechnet.
Nachdem uns einige Nutzer:innen auf Abweichungen zwischen EU-Behörde und Daten der dänischen Gesundheitsbehörde hingewiesen haben, haben wir sowohl die ECDC als auch die nationale Behörde kontaktiert.
Wir haben auch nachgefragt, aus welchen Gründen die Daten abweichen, aber haben darauf noch keine Antwort erhalten.
Laut Financial Times (Quelle) liegt der Grund vor allem in falschen Bevölkerungsdaten. Also, die ECDC bekommt vermutlich die richtigen Impf-Daten von den Ländern gemeldet, aber teilt dann die Zahl der Impfungen durch die falsche Zahl an Einwohner:innen. Warum sie das tut, ist unklar, aber wir haben nachgefragt.
ECDC verbessert Daten – aber nicht alle
ECDC und die dänische Gesundheitsbehörde hatten nach unserer Anfrage ein Meeting und die ECDC hat nun aktualisierte Daten veröffentlicht. Danach sind 88 % der über 18-jährigen in Dänemark vollständig geimpft (vorher 95 %). Das sind immer noch wesentlich mehr als in Deutschland, wo selbst nach optimistischen Prognose des RKI etwa 80 % der Erwachsenen vollständig geimpft sein könnten. Die Zahl der unzureichend geschützten Erwachsenen ist in Deutschland also fast doppelt so hoch.
Die Daten nach Alter bei der ECDC sind aber noch nicht geändert worden. Offenbar wurden nur die Daten für die Impfquote in der erwachsenen Bevölkerung angepasst. Für die höheren Altersgruppen zeigen die Daten immer noch eine Impfquote von 100 % für Dänemark. Dieser Fehler tritt bei mehreren Ländern auf:
Let’s start with the most obvious sign of the problem:
In several European countries, the share of elderly people who have been vaccinated exceeds 100%.
To state the obvious, this is not possible.
But it’s not just a funny quirk, it has big implications. pic.twitter.com/8naVi7xJfW
— John Burn-Murdoch (@jburnmurdoch) October 11, 2021
Auch Volksverpetzer verwendete falsche ECDC Daten
Auch der Volksverpetzer verwendete in mehreren Artikeln ECDC-Daten, die dementsprechend nicht ganz richtig waren. Zwei Artikel mit Thema Dänemark sind betroffen (hier, hier).
Vorbild Dänemark: Impfgegner fordern versehentlich mehr Impfungen
Die betroffenen Artikel werden aktuell von uns ausgebessert. An deren sonstigem Inhalt ändert sich nicht besonders viel, da auch mit den korrekten Daten der Gesundheitsbehörde in Dänemark der Abstand von Dänemark zu Deutschland enorm groß ist, besonders in der Risikogruppe über 60. Von „ähnlichen“ Impfquoten zu sprechen ist daher also nach wie vor nicht richtig,
Genaue Daten für hohes Alter sind unfassbar wichtig
Je nachdem, welche Bevölkerungsdaten man einbezieht, sind in Florida bis zu 3x mal so viele Menschen in der Risikogruppe ungeimpft:
At the state-level, this causes a major discrepancy:
According to CDC data, just 3.7% of people aged 65+ have not yet had any vaccine dose.
But Florida’s department of health, which only includes Florida residents, says 12% of the elderly are still unprotected. More than 3x. pic.twitter.com/BjmJfEc1pS
— John Burn-Murdoch (@jburnmurdoch) October 11, 2021
Das macht enorm große Unterschiede, denn die ungeimpfte Risikogruppe ist für einen großen Teil der schweren Verläufe verantwortlich. Man muss viel mehr junge Menschen impfen, um einen Krankenhausaufenthalt zu verhindern, als man alte Menschen impfen müsste.
Werden diese Impflücken nun zum Beispiel von der europäischen Gesundheitsbehörde ECDC systematisch unterschätzt, gibt das Stimmen Auftrieb, die vorschnell lockern wollen. Die Ungeimpften fühlen sich zu sicher, denn sie denken, sie werden von den vermeintlich vielen Geimpften geschützt.
As Miami Beach mayor @MayorDanGelber put it, the official data created a false sense of security in Florida, quite possibly contributing to people behaving less cautiously. pic.twitter.com/2C4dJHeGy4
— John Burn-Murdoch (@jburnmurdoch) October 11, 2021
Auch das deutsche RKI unterschätzt möglicherweise die Impflücken
Auch das deutsche RKI unterschätzt möglicherweise die Impflücken in Risikogruppen. Die neuen Prognosen zur Impfquote gehen ja davon aus, dass es bei Betriebsärzt:innen eine Meldelücke gibt (Quelle). Diese Ärzt:innen impfen aber vor allem erwerbstätige Menschen, also Menschen unter 60. Eine Meldelücke würde hier zwar die Impfquote insgesamt heben, aber es ist die niedrige Quote unter älteren Menschen, die Deutschland für die nächste Welle sehr verwundbar macht. Daran ändern aber die Meldelücken weniger, als man zunächst denken könnte.
Dadurch ist Deutschland leider weiter davon entfernt, die Maßnahmen auch für Ungeimpfte aufzuheben. Es sind schlicht zu viele, als dass nicht die gesundheitliche Versorgung in Deutschland unter deren massenhaften Erkranken und Versterben darunter leiden würde. Wie in Florida:
Ungeimpfte sterben massenhaft in den USA: Warum du dich jetzt impfen lassen solltest
Artikelbild: Mats Wiklund
Unsere Autor:innen nutzen die Corona-Warn App des RKI.