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Fake: Querdenker behauptet, Maske Tragende würden „Hausfriedensbruch“ begehen

von | Apr 8, 2022 | Aktuelles

Quatschjura: Wer eine Maske trägt, begeht keinen Hausfriedensbruch

Gastbeitrag von Julia Segantini

Kaum zu glauben, dass man das überhaupt sagen muss, aber: Nein, das Tragen einer Maske im Supermarkt führt zu keiner Klage wegen Hausfriedensbruch. Behauptet hatte das Gorden Pankalla, Kölner Rechtsanwalt für Sozial-, Miet- und Arbeitsrecht und Querdenker in einem Video. Prompt wurde dieser schlechte Versuch, wieder faktenferne Querdenker-Panikmache gegen sinnvolle Corona-Maßnahmen vom Anwalt für IT-Recht Chan-jo Jun widerlegt.

Querdenker-Unfug über „Hausfriedensbruch“

Ein neuer Fall von Quatschjura aus der Bubble der Querdenker:innen kursiert derzeit im Netz. Einer völlig absurden Argumentation folgend, behauptet der Kölner Anwalt Gordon Pankalla, man könne sich strafbar machen, wenn man nach dem aktuell weitgehenden Wegfall der Maskenpflicht weiterhin eine Mund-Nasen-Bedeckung in Geschäften trägt. Er bezieht sich auf Paragraph 123 des Strafgesetzbuchs (StGB), der den Tatbestand des Hausfriedensbruchs beschreibt. Demnach kann ein widerrechtliches und unbefugtes Eindringen in private, geschäftliche oder abgeschlossene Räume des öffentliches Dienstes oder Verkehrs eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe nach sich ziehen. Bis dahin liegt Pankalla noch richtig.

Diffus wird es jetzt. Bisher sei es gängige Rechtsprechung gewesen, dass das äußere Erscheinungsbild Hinweise auf ein widerrechtliches Eindringen gibt, so der Kölner Anwalt. „Und zwar beispielsweise wenn ich mit einer Schusswaffe oder einer Maske in eine Tankstelle, Bank oder einen Supermarkt gehe, ist natürlich nicht zu erwarten, dass ich dort das Hausrecht habe. So erwarte ich nicht, dass jemand in meinen Laden kommt, was könnte der im Schilde führen?“, fragt Pankalla. Das Tragen einer Maske interpretiert er für Querdenker typisch absurd als „bedrohliches Erscheinungsbild“ und das wiederum als Hinweis für ein widerrechtliches Eindringen, „weil so möchte ja niemand jemanden im Laden haben – maskiert, was führt der da im Schilde?“, fragt er noch einmal. Auch für Laien ist die Absurdität dieser seltsamen Behauptungen leicht ersichtlich.

Quelle: Screenshot beck-online.beck.de

Pankalla verbreitet Desinformation und Angst

Gerade einmal zwei Minuten braucht der Würzburger Anwalt für IT-Recht Chan-jo Jun, um Pankallas Aussagen zu widerlegen. Er ist Experte für Hasskriminalität im Netz und entlarvt regelmäßig Quatschjura wie die von Pankalla.

Anwalt deckt auf: Querdenker haften persönlich & werden Steuern nachzahlen müssen

In seinem Video kritisiert er Pankallas, sagen wir, kreative Auslegung des Paragraphen 123 StGB. In Juns Erklärungen wird deutlich, dass sich der Kölner Anwalt einer typischen Querdenker-Strategie bedient: Vertrauen schaffen durch einen wahren Kern. Schließlich gibt es den Paragraphen 123 tatsächlich, seinen Inhalt hat er korrekt wiedergegeben. Richtig ist auch, dass es die Fragestellung danach gibt, ob die Absicht, beim Betreten eines Gebäudes eine Straftat zu begehen ausreicht. Oder ob zusätzlich ein abweichendes äußeres Erscheinungsbild hinzukommen muss, um sich strafbar zu machen.

YouTube player

Chan-jo Jun macht deutlich: Allein ein abweichendes Erscheinungsbild reicht nicht aus, um sich strafbar zu machen. „Wer eine solche Position vertritt, möchte desinformieren. Der hat diesen kleinen Abschnitt entweder nur sehr oberflächlich betrachtet oder möchte Angst und Schrecken verbreiten, Unsicherheit erzeugen, damit möglichst Menschen keine Masken mehr tragen.“ Pankalla verbreite unvollständige Informationen, die sehr leicht zu widerlegen seien. „Dazu muss man nicht Jura verstehen, um diesen Abschnitt hier zu verstehen“, meint Jun.

Die einzige Möglichkeit, Hausfriedensbruch zu begehen, wäre, wenn ein:e Ladenbesitzer:in deutlich macht, dass im Geschäft nur Menschen ohne Maske erlaubt sind. Wer dann das Geschäft mit Maske betritt, kann sich möglicherweise strafbar machen. „Bloß zu sagen, jemand weicht von der Maskentrageweise der Mehrheit ab, begründet definitiv keinen Hausfriedensbruch“, macht Jun noch einmal deutlich. Es ist typisches Quatschjura.

Wer ist Gordon Pankalla?

Pankallas absurde Aussagen von „Hausfriedensbruch“ kommen nicht von ungefähr. Er gründete 2011 eine Kanzlei in Köln, die sich auf Zivil-, Arbeits-, Straf- und Sozialrecht spezialisiert hat. 2020 war er eines der Gründungsmitglieder der „Anwälte für Aufklärung“, eine maßnahmenkritische Gruppe von Anwält:innen aus den Reihen der Querdenker:innen, die sich zum Beispiel für Menschen einsetzen, die sich aufgrund ihres Querdenker:innen-Daseins von ihrem Arbeitgeber diskriminiert fühlen.

Dabei vertreten die „Anwälte für Aufklärung“ durchaus radikale und extrem irreführende Impfgegner-Positionen und unterstellen Impfungen, tödlich zu sein. Das sind reine Verschwörungsmythen, die jeglichen Fakten entbehren. Es gibt keine wissenschaftlichen Belege für diese Behauptungen (Quelle).

Quelle: Screenshot Twitter

Nur für Querdenker dürfte eine Mund-Nase-Maske „bedrohlich“ sein

Vor diesem Hintergrund ist es einfacher zu verstehen, wie Pankalla auf seine hanebüchene Interpretation des Paragraphen 123 kommt. Ganz zu Ende gedacht hat er seine Behauptungen aber offensichtlich nicht. Nach seiner Logik hätten sich Maskenverweiger:innen schon seit Monaten, bis zum aktuellen großflächigen Wegfall der Maskenpflicht, strafbar gemacht. Schließlich hätte man als Ladeninhaber:in ein maskiertes Gesicht erwartet, das abweichende Erscheinungsbild hätte man dann als bedrohlich wahrnehmen müssen (ist es infektionstechnisch ja auch).

Außerdem: Eine Maske sieht spätestens nach zwei Jahren Pandemie völlig normal aus. Aber Pankallas Logik folgend, sei eine FFP2-Maske quasi eine Sturmhaube plus Waffe. Es dürfte die wenigsten Menschen in Geschäften irritieren, wenn jemand mit Maske den Laden betritt. Und wenn sich jemand fragt, was diese Person im Schilde führt – wahrscheinlich einkaufen. Wenn ihr demnächst vorhabt, den Discounter um die Ecke zu überfallen, ist eine FFP2-Maske allerdings nicht unbedingt zu empfehlen, da sie mindestens die Hälfte des Gesichts nicht verdeckt. Zu riskant.

Warum kommt dieses Video gerade jetzt?

Seit Montag, 04. April, darf man auch ohne medizinische oder FFP2-Maske im Supermarkt und im Discounter einkaufen. Die meisten Bundesländer verzichten auch auf eine Maskenpflicht im Einzelhandel. Verpflichtend ist die Mund-Nasen-Bedeckung inzwischen nur noch in Gesundheitseinrichtungen wie Pflegeheimen, Krankenhäusern und Arztpraxen. Sowie im öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Zusätzliche Maßnahmen gibt es nur, wenn ein Bundesland sich zum Hotspot erklärt. Also eine regional kritische Lage befürchtet. Unabhängig davon können Geschäfte und andere Einrichtungen von ihrem Hausrecht gebrauch machen und zum Beispiel nur Kund:innen mit Mund-Nasen-Bedeckung einlassen (Quelle). Selbstverständlich darf jede:r immer und überall freiwillig eine Maske tragen.

Außer man glaubt den offensichtlich absurden Ausführungen Pankallas. Der wittert im Tragen der Maske nun eine Gefahr: „Da ja jetzt keine Pflicht mehr besteht, eine Maske im Supermarkt oder in der Tankstelle zu tragen, könnte das hier natürlich für die Masken-Freunde nach hinten los gehen, insofern, als dass sie sich dann eine Strafanzeige wegen 123 Hausfriedensbruch [sic!] einfangen, die bis zu einem Jahr mit Freiheitsstrafe bedroht ist.“ Als Jurist empfehle er, auf die Maske zu verzichten und sich somit vor einer möglichen Anzeige zu schützen. Es zeigt, dass es Pandemie-Leugner:innen offenbar stets nur vornehmlich um individuelle Freiheiten ging. Es ging offensichtlich vielmehr darum, ihre eigenen, falschen Vorstellungen der Mehrheit aufzuzwingen. Sie wollen eher anderen das Maskentragen verbieten – oder zumindest mit weiteren Fake News davon abhalten.

Wissenschaft sagt: Am besten weiter Maske tragen!

Die meisten Wissenschaftler:innen empfinden den Wegfall der Maskenpflicht als verfrüht und empfehlen weiterhin eine Mund-Nasen-Bedeckung (Quelle). Da die Inzidenzen derzeit sehr hoch sind, stellen die Masken einen wirksamen Schutz dar. „Wenn Sie sich und andere vor Ansteckung schützen wollen, sollten Sie auf jeden Fall eine Maske tragen“, betonte etwa der Physiker Eberhard Bodenschatz vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen (Quelle).

Zwar gilt die Omikron-Variante als vergleichsweise mild, für Menschen mit Vorerkrankungen oder einem geschwächten Immunsystem kann sie trotzdem gefährlich werden. Hinzu kommt die hohe Zahl an ungeimpften Menschen. „Das Thema Long-Covid ist das, was uns noch am längsten beschäftigen wird und noch so unbekannt ist. Ich denke, es lohnt sich, eine Infektion zu verhindern“, erklärt Martin Kriegel, Leiter des Herrmann-Rietschel-Instituts für Raumluftforschung an der TU Berlin (Quelle). Er plädiert weiterhin für das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung als Vorsichtsmaßnahme.

Artikelbild: Screenshot

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