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Der Online-Jihad: Einflussnahme & Radikalisierung auf Social Media

von | Nov 9, 2023 | Aktuelles

Gastbeitrag Ahmad A. Omeirate

In den letzten Jahren sind vermehrt Jugendliche auf Social-Media-Plattformen wie TikTok & Co. mit schockierenden Bildern und Videos zum Nahostkonflikt konfrontiert worden. Dabei werden sie von Influencern und Islamisten dazu aufgefordert, sich dem „Widerstand“ im Netz anzuschließen, indem sie fälschlicherweise argumentieren, dass der Konflikt eine Angelegenheit aller Muslime sei. Davon profitiert auch die Hamas, die zum „Jihad“ mobilisiert.

Am 7. Oktober hat sich die Welt für viele verändert. Die islamistische Hamas, eine Organisation, die von vielen Ländern als terroristisch eingestuft wird, startete einen Terrorangriff auf Israel und verursachte auf einem Festival das grausame Massaker von über 260 jungen Menschen. Dieser Angriff wurde von Islamisten von Beirut bis Berlin mit Baklawa gefeiert. Inzwischen wurden mehr als 1.400 israelische Todesopfer und über 5.000 Verletzte in Israel verzeichnet, während die Hamas immer noch über 200 Geiseln in ihrer Gewalt hat.

Hamas mobilisiert zum „Jihad“

Israel reagierte mit Luftangriffen gegen die Hamas und kündigte eine Bodenoffensive an. Gleichzeitig feuerte die Terrororganisation weiterhin Hunderte Raketen aus dem Gazastreifen auf israelische Städte ab. Während die Hamas ihre Anhänger und Sympathisanten weltweit zum „Jihad“ mobilisiert und ihre Propaganda über Plattformen wie Telegram, TikTok und Instagram verbreitet, die den Nahen Osten destabilisiert, agitieren auch islamistische Influencer, TikToker und vermeintlich progressive linke Gruppen in Deutschland. Sie erreichen Jugendliche über Smartphones in deren Kinderzimmern.

Diese Influencer beschweren sich über die einseitige „imperialistischen westlichen Medien„, versuchen den Nahostkonflikt mit gefährlichem Halbwissen zu erklären und rechtfertigen den Terrorangriff der Hamas als „palästinensischen Widerstand„. Ahmad Tamim, Mitglied der Generation Islam, eine panislamistischen Bewegung Hizb ut-Tahrir (Partei der Befreiung), die ein islamisches Kalifat errichten möchte und zur Vernichtung Israels aufruft, rief sogar zu einer Art „Online-Jihad“ auf, da er argumentierte, dass Muslime in Deutschland aufgrund ihrer geografischen Lage nicht vor Ort „das Unrecht mit ihrer Hand verändern“ könnten. Seine Argumente untermauert er mit Versen aus dem Quran, die aus dem Kontext gerissen und von unkritischen Jugendlichen nicht richtig eingeordnet werden können.

Aufrufe zu Pogromen und Anschlägen in Deutschland

Besonders besorgniserregend ist der Fall des TikTokers Barello, der zu Anschlägen in Deutschland aufrief. Etwa 50.000 Menschen sahen ihm in seinem Livestream dabei zu, wie er einen Lösungsvorschlag für den Nahostkonflikt präsentierte: „Wenn wir alle herausgehen und alle Läden kaputt machen und alle Sachen kaputt machen, dann hören sie auf.“ Er führte fort; „Nur mit Worten, mit Worten, mit Worten. Worte können nicht weiterhelfen. Wallah. Mit Worten hilfst du nicht weiter.“

Um ihre Standpunkte zu stützen, bedienen sich diese Influencer antisemitischer Verschwörungstheorien und greifen auf Hamas-Propaganda zurück, die von Katar aus finanziert wird. Ebenso mobilisieren vermeintlich linke Gruppen bundesweit zu antiisraelischen Demonstrationen und sprechen von einem „Genozid“ in Gaza, um den jüdischen Staat zu dämonisieren. Auf solchen Demonstrationen werden regelmäßig antijüdische Parolen gerufen, und Teilnehmer zeigen Solidarität mit der Terrororganisation Hamas und rufen zum Kampf gegen Israel auf.

Die psychischen Auswirkungen dieser Propaganda auf Jugendliche, die dadurch radikalisiert werden, sind nicht zu unterschätzen. Nicht alle von ihnen sind von Natur aus antisemitisch oder hassen Juden, doch sie werden dazu angestachelt, judenfeindliche Inhalte zu teilen, um sich vermeintlich am Kampf gegen die „israelische Besatzungsmacht“ zu beteiligen. Weltweit werden Juden und jüdische Einrichtungen mit der israelischen Politik gleichgesetzt. Diese falsche Gleichsetzung ist ein klassisches antisemitisches Narrativ. Diese Radikalisierung differenziert nicht und kann zu einer gefährlichen Kettenreaktion führen und jüdische Leben auch in Deutschland bedrohen, da jüdische Einrichtungen wie Synagogen in den letzten Jahren vermehrt zu Anschlagszielen wurden.

Bildung und Aufklärung wichtig

Die Radikalisierung von Jugendlichen birgt Herausforderungen, die nicht unterschätzt werden sollten. Wenn die Social-Media-Konten von Jugendlichen oder Influencern aufgrund ihrer antisemitischen Inhalte und Gewaltaufrufe gesperrt werden, ist es alarmierend, dass einige von ihnen darin eine Verschwörung sehen, nur weil der Plattformbetreiber eine jüdische Abstammung hat.

Dies zeigt, wie wichtig Bildung und Aufklärung über antisemitische Verschwörungstheorien sind, um extremistischen Ideologien entgegenzuwirken. Ebenso muss die Medienkompetenz von Jugendlichen gestärkt werden, damit sie Fake News und Propaganda erkennen können. Gleichzeitig sollten auch Plattformbetreiber und Strafverfolgungsbehörden in die Pflicht genommen werden, um schneller und effektiver gegen extremistische Aktivitäten im Internet vorzugehen. Nur durch einen umfassenden Ansatz kann dieser Bedrohung erfolgreich entgegengewirkt werden.

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Ahmad A. Omeirate ist Islamwissenschaftler und Autor. Artikelbild: shutterstock.com