Im Juli wurde er am Rande der AfD-Europawahlversammlung interviewt, im August war er im MDR-Sommerinterview zu Gast: Faschist Björn Höcke konnte sich in den letzten Monaten wahrlich nicht über zu wenig Aufmerksamkeit vonseiten der öffentlich-rechtlichen Sender beschweren. Die ARD bietet am Sonntag Alice Weidel eine große Bühne zur Inszenierung. Eine neue Studie zeigt jetzt das, was die Öffentlich-Rechtlichen Medien einfach nicht begreifen wollen: Dass sie zum Erfolg der Faschisten beitragen, in denen sie ihnen ständig eine Bühne bieten.
Viel Aufmerksamkeit für wenig Inhalt
Während er im Interview auf der Europawahlversammlung mal wieder mit einem rhetorisch an NS-Propaganda angelehnten „Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann“ seine Ziele zum Ausdruck brachte, durfte Höcke im Sommerinterview im Nazi-Jargon von „Gleichschaltung“ sprechen oder Inklusion als ein „Ideologieprojekt“ diffamieren. Wie Jahr für Jahr bot der MDR Höcke beste Sendezeit und die inzwischen kaum mehr noch als Feigenblatt taugende Ausrede, man müsse Faschisten in Interviews “stellen” scheiterte offensichtlich daran, dass Höcke kein bisschen gestellt wurde.
Der MDR rechtfertigt sich immer damit, die Öffentlichkeit über die Ansichten der Partei zu informieren und ihrer vermeintlichen Pflicht, als öffentlich-rechtlichen Sender aufgrund ihres Auftrags zur Chancengleichheit im politischen Wettbewerb auch die AfD einladen zu müssen. Doch so eine Pflicht gibt es nicht, und ein Recht ohnehin nicht. Besonders für Personen wie der gesichert Rechtsextreme Höcke darf sie sogar nicht gelten. Und zur Auseinandersetzung mit ihren Argumenten muss man ihnen nicht eine Bühne bieten. Und der Verweis auf die erwartbare Opferinszenierung, wenn man sie nicht einlädt, ist auch völlig naiv: Die AfD inszeniert sich offensichtlich auch als ausgeschlossenes Opfer, wenn sie ständig eingeladen werden – und zum anderen hat Höcke die 30 Minuten Sendezeit doch auch pausenlos genutzt, um sich als Opfer zu inszenieren. Im Gegenteil: Die AfD inszeniert sich als Opfer UND kriegt so beste Sendezeit. Und eine Studie belegt jetzt auch wissenschaftlich, dass es offensichtlich nach hinten losgeht.
Studie: Rechtsextreme Meinungen finden mehr Zulauf durch Fernsehauftritte
Insgesamt wird zu den Auswirkungen von Auftritten rechtsextremer Akteure im öffentlichen Fernsehen noch nicht allzu viel geforscht, nun wurde jedoch eine neue Studie veröffentlicht, die sich genau diesem Thema annimmt. In diesem Working Paper wurden zwei reale Interviews mit extrem rechten Aktivisten, die auf Sky News Australia und in Großbritannien ausgestrahlt wurden, dahingehend untersucht, welche Auswirkungen die getätigten Aussagen auf Zuschauer:innen haben.
Fazit: Interviews und Auftritte rechtsextremer Akteure im Fernsehen führen dazu, dass ihre Ansichten und Statements eine höhere Zustimmung in der Bevölkerung erzielen. Die „Entzauberung“ rassistischer, rechtsextremer und falscher Statements, welche durch solche Auftritte angestrebt werden soll, findet also überhaupt nicht statt. Im Gegenteil.
Wichtig ist dabei jedoch zum einen die Moderation dieser Interviews und Auftritte, aber auch die Positionierung der Sender selbst. Laut der Studie strahlen konservative Medienplattformen extreme Akteure lediglich aus, während „Mainstream“-Netzwerke wie CNN und BBC, zu denen auch ARD und ZDF gezählt werden können, versuchen, die extremen Ansichten mit kritischen Rückfragen zu enttarnen. Immerhin: Ohne die kritische Arbeit der Journalist:innen führe die Ausstrahlung von extrem rechten Meinungen dazu, dass sich die getätigten Aussagen normalisierten und die Beteiligten in dem Glauben seien, ein größerer Teil der Öffentlichkeit unterstütze ihre getätigten Aussagen. Doch auch kritische Journalist:innen verfehlten laut der Studie ihre Wirkung, dass Zuschauer:innen rechtsextreme Aussagen hinterfragten.
Also: Sendezeit für Rechtsextreme stärkt Rechtsextreme – sie kritisch einordnen kann bestenfalls dazu führen, dass die Stärkung größtenteils ausbleibt. Gewonnen kann dadurch aber nichts werden.
Wie viel Platz für Rechtsextreme?
Die Hoffnung, dass sich die AfD und ihre Mitglieder durch Auftritte im Fernsehen selbst enttarnen, dürfte spätestens durch die Ergebnisse der Studie vom Tisch sein. Einerseits müssen die öffentlich-rechtlichen Sender müssen natürlich ihrem Auftrag nachkommen und über die Ziele und Tätigkeiten der aktuell größten Parteien informieren und berichten – das geht aber auch bestens ohne Bühne zur besten Sendezeit. Gleichzeitig sollten sie jedoch dringend den Umgang mit Personen, die offen rechtsextreme Aussagen tätigen oder vom Verfassungsschutz überwacht werden, überdenken.
In einem Interview mit dem Tagesspiegel stellt auch der Kommunikationsberater Johannes Hillje fest, dass die Medien derzeit wieder in Verhaltensweisen zurückfallen würden, in denen sie die rechtspopulistische Rhetorik medial noch verstärkten. Dazu kommt, dass auch die öffentlich-rechtlichen Sender nicht nur der Chancengleichheit verpflichtet sind, sondern auch von der Pressefreiheit profitieren. Letztlich liegt die Entscheidungsgewalt, die Programmautonomie, bei den Sendern selbst, die entscheiden, welchen Personen und Parteien sie wie viel Plattform einräumen. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2007 hervorgehoben:
„Die Entscheidung über die zur Erfüllung des Funktionsauftrags als nötig angesehenen Inhalte und Formen des Programms steht den Rundfunkanstalten zu. Eingeschlossen ist grundsätzlich auch die Entscheidung über die benötigte Zeit und damit auch über Anzahl und Umfang der erforderlichen Programme.“
Rechtsextreme Meinungen müssen also nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen abgebildet werden, auch wenn sie zu einer Partei gehören, die einen immer größeren Zulauf hat. Im Gegenteil, kaum oder nur schlecht moderierte Interviews mit solchen Personen führen nur dazu, dass ihre rassistischen Ansichten noch salonfähiger werden. Und selbst wenn die Journalist:innen in der Moderation einen guten Job machen, können sie den selbst verursachten Schaden bestenfalls neutralisieren.
Also: Die Öffentlich-Rechtlichen entscheiden sich ganz alleine dazu, der AfD eine Bühne zu bieten. Es gibt nichts zu gewinnen, wenn man sie einlädt, und nichts zu verlieren, wenn man endlich mit diesem Unsinn aufhört.
Artikelbild: Screenshot https://www.mdr.de