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Voigt: Ein TV-Duell mit Höcke kann nur nach hinten losgehen

von | Mrz 6, 2024 | Aktuelles

In allen Belangen unterlegen

Mario Voigt glaubt, er könne den mit dem Faschisten Höcke in einem TV-Duell debattieren

„Glauben Sie nicht, die Antisemiten würden sich […] etwas vormachen. Sie wissen, daß ihre Reden oberflächlich und fragwürdig sind; doch darüber lachen sie, ihrem Gegner obliegt die Pflicht, die Wörter in ernster Weise zu verwenden, da er an die Macht des Wortes glaubt; sie haben das Recht zu spielen. Sie spielen sogar gern mit dem Diskurs, denn indem sie lächerliche Gründe nennen, diskreditieren sie den Ernst ihres gesprächspartners; sie sind genußvoll unaufrichtig, denn ihnen geht es nicht darum, durch gute Argumente zu überzeugen, sondern einzuschüchtern oder irrezuleiten.“ [sic]

Sartre, Jean-Paul: Betrachtungen zur Judenfrage (1946). Gesammelte Werke in Einzelausgaben, Politische Schriften, Bd.2, Hamburg, 1994, S. 9-97, hier: S. 16.

Was der Philosoph Jean-Paul Sartre 1946 aufgeschrieben hat, klingt wie ein Rezept, mit dem die Neue Rechte sowie Rechtspopulist*innen in den vergangenen Jahren politische und mediale Erfolge gefeiert haben. Wer Sartre offenbar nicht verstanden hat, ist der Fraktionsvorsitzende der CDU im Thüringer Landtag, Mario Voigt. Dann wäre er vermutlich nicht auf die Idee gekommen, den extrem rechten Vorsitzenden der sogenannten Alternative für Deutschland in Thüringen und Kopf des formal aufgelösten, völkischen Flügels, Björn Höcke, zum Rededuell am 11. April bei WELT-TV aufzufordern. 

Extreme Rechte kann man nicht „Entzaubern“

Voigt könnte wissen, dass er nichts zu gewinnen hat. Höcke ist nicht irgendein „Hanswurst“, sondern ein völkischer Intellektueller, der erheblichen Anteil daran hat, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben. Doch dieser Fall zeigt, dass es nach wie vor Konservative gibt, die nichts an ihrer Strategie geändert haben. Seit 2015, seitdem die AfD das Thema Migration erfolgreich für sich beansprucht, wollen vormalig aber nicht ausschließlich Politiker*innen der Union sie „entzaubern“ oder „stellen“. Indem man im Rededuell die vermeintlich besseren Argumente zeige, oder ihnen die „Themen“ nicht überlasse. 

Dabei sprechen zwei offensichtliche Gründe dagegen: Die AfD schafft eine Gegenöffentlichkeit, indem sie vor allem Inhalte für soziale Medien produziert und die Strategie der Übernahme von Themen bzw. des „Stellens“ hat der „Alternative“ mehr geholfen, statt geschadet. Wer die Inhalte der AfD auf TikTok oder Instagram genauer anschaut, erkennt schnell, dass Reden in den Parlamenten oder Auftritte in Talkshows so zurechtgeschnitten werden, dass sie in die eigene Linie passen. Es soll kein ausgewogenes Bild entstehen. Es geht um kernige Pointen, einfache Schlagwörter und die dauerhafte Wiederholung des eigenen Narrativs.

Es ist nur Werbung für die Propaganda

Wer der AfD Raum gibt, gibt ihren Akteur*innen nur Chancen, sich zu vermarkten. Stück für Stück werden Narrative weiter nach rechts gerückt. Migrationsfeindliche Positionen wurden sukzessive normalisiert, wodurch man Wähler*innen „zurückgewinnen“ wollte. Doch, so zeigt eine Studie der Cambridge University von 2022, die Übernahme solcher Positionen haben nicht dazu geführt, dass die Rechtspopulist*innen und extreme Rechte klein gehalten werden. Viel mehr hat es dafür gesorgt, dass ein gesellschaftliches Klima entstand, in dem diese Positionen mehrheitsfähig wurden. Und das geschah keineswegs zufällig. Das sollte schon der Blick auf Björn Höcke und seine Netzwerke verdeutlichen.

Ist er doch gern gesehener Gast im Institut für Staatspolitik in Schnellroda, einer Denkfabrik der Neuen Rechten. Ab 2014 unterstütze einer der IfS-Mitbegründer und Vordenker der Neuen Rechten Götz Kubitschek Höcke im innerparteilichen Wahlkampf. Höcke schaffte es auf Dauer die Partei, die bereits mit rechtspopulistischen Forderungen angetreten war, weiter nach rechts zu rücken. Hier setzte er seine Konzepte mit Getreuen zuerst um. Konzepte wie „Metapolitik“. Dabei geht es um einen „Kulturkampf“ oder auch „Kulturrevolution“ von rechts. 

Im Anschluss an den kommunistischen italienischen Theoretiker Antonio Gramsci will man „kulturelle Hegemonie“ erringen. Dabei werden die Ideen der Rechten aufgefrischt. Man weiß darum, dass gerade auf bürgerliche Milieus vulgärer Antisemitismus und Rassismus abschreckend wirken können. Drum entwickelte man „Ethnopluralismus“ als „Rassismus ohne Rassen“, den „Großen Austausch“ als umfassende Verschwörungserzählung und mobilisierte die Ressentiments gegen die Erinnerungskultur. 

Man kann Faschisten nicht bekämpfen, in dem man ihr Framing und ihre Forderungen übernimmt

Es ist kein Sprint, sondern ein Marathon! AfD und neurechte Denkschulen schließen an langfristige Entwicklungen an. Bereits in den 1990er Jahren bekämpfte man den  „Rechtsruck“ mit einem kräftigen Ruck nach rechts, wie es Politikwissenschaftler Claus Leggewie beschrieb. Und das setzt sich leider bis heute fort. Man wird die AfD nicht erfolgreich bekämpfen können, indem man ihnen eine große öffentliche Bühne verschafft. Man wird sie nicht erfolgreich bekämpfen können, indem man ihr Framing von Themen aufnimmt und es weiter verbreitet, als sie es könnten. 

Rechte Bewegungen sind besonders erfolgreich gewesen, wenn sie mit den Mitteln der Moderne die Moderne bekämpften. Sie nutzten moderne Techniken, wie Propaganda, um ihre Botschaften zu verbreiten und gegen Demokratie und universelle Menschenrechte zu kämpfen. Seitdem die AfD im Bundestag ist, nutzt sie die demokratischen Abläufe und Instrumente, um die Demokratie auszuhöhlen. Es kann also gar keinen Dialog geben, weil man keinen gemeinsamen Boden hat, auf dem man sich begegnen kann. Denn die AfD hat diesen Boden längst verlassen, wie die etlichen politischen Wendungen und Widersprüche zur Genüge belegen.

Aufklärung statt normalisierung!

Man wird das nur schaffen, wenn man über deren Methoden und Ziele aufklärt, statt sie zu übernehmen und zu normalisieren. Und das bedeutet, politische Bildungsarbeit zu fördern. Das bedeutet, die Framings und Themensetzung zu analysieren und zu kritisieren.

Es muss darum gehen, so erklärte es Theodor W. Adorno vor Pädagog*innen 1962, „über Strukturen der Argumentation aufzuklären, über die Mechanismen, die ins Spiel gebracht werden, als jeweils sich auf eine unendliche Diskussion innerhalb der Strukturen einzulassen, die von den Antisemiten gewissermaßen vorgegeben sind und durch die man a priori ihren eigenen Spielregeln sich unterwerfen würde.“ 

 Theodor W. Adorno: Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute, Berlin, 2024, S. 25.

Das lässt sich gewissermaßen auf Extrem Rechte, Rechtspopulist*innen und Neue Rechte übertragen. Sie in einer „Arena“ zu stellen, dessen Spielregeln man nicht selbst bestimmt, wird einem zum Nachteil gereichen. Das wird Voigt am 11. April, dem 79. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald bei WELT TV merken. Auch die Wahl des Gedenktages sorgte bereits für Kritik, so betonte Christoph Heubner, der Exekutiv Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, auf Twitter

„Die Entscheidung des Thüringer CDU-Vorsitzenden, einem der bekanntesten Gallionsfiguren rechtsextremer Hetze in Europa ausgerechnet an diesem #Gedenktag einen weithin beachteten Auftritt zu ermöglichen, mutet Überlebende des #Holocaust politisch völlig instinktlos und makaber an.“ 

Quelle

Die rechte Strategie ist doch kein Geheimnis

Es handelt sich bei diesen Bewegungen nicht um „Zauberer*innen“, etwas „mythisches“ oder „magisches“. Sie sprechen in aller Offenheit über ihre Strategien, sie halten nichts davon geheim. So sprach auch der Kopf der neofaschistischen Identitären Bewegung Martin Sellner, bereits vor der den Correctiv-Recherchen über das Geheimtreffen von extrem Rechten sowie AfD- und Unionsmitgliedern in Potsdam, öffentlich über seine Pläne zur „Remigration“.  

Bei dem Kampf gegen die Bedrohung von Rechts ist man darauf angewiesen, dass sich konservative Parteien auf ihre demokratische Identität besinnen und nicht zum Steigbügelhalter werden. Dafür braucht es ein Verständnis der Konzepte und Strategien, die in den Denkfabriken der Neuen Rechten ausgetüftelt werden. Einen der Köpfe hinter dieser Bewegung zu stellen, bedeutet das große Ganze zu sehen. Ziel muss es doch sein, über die Ziele und Methoden aufzuklären. Eine Debatte, wie sie derzeit geplant ist, erreicht das Gegenteil: Sie hilft bei der Verbreitung rechter Narrative. Im 1:1 kann die Union nur verlieren.

Artikelbild: Martin Schutt/dpa