66.380

Aufrufe zu Waffengewalt & Widerstand: Extreme Reaktionen auf Demo-Verbot

von | Aug 26, 2020 | Aktuelles, Bericht, Corona

So reagieren Pandemie-Leugner auf Telegram

Der Berliner Versammlungsbehörde hat heute mehrere für das Wochenende geplante Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen untersagt (Quelle). Das Demo-Verbot begründet sich dadurch, dass die Hygiene-Regeln mit Sicherheit nicht eingehalten werden. Nicht nur zeigen das vergangene Demonstrationen, die Pandemie-Leugner:innen protestieren ja auch buchstäblich dagegen. Auch aus eigener Erfahrung können unsere Berichterstatter bestätigen, dass man auf der Demo beschimpft wird, wenn man auf Maske und Abstand achtet (mehr dazu).

Die geplante Demonstration von radikalen Pandemie-Leugner:innen, die seit Monaten Fake News und Verschwörungsmythen in ihren ideologischen Echokammern verbreitet haben, ist nicht nur massiv von der gesamten rechtsextremen Szene unterlaufen, sondern vernetzt sich auch immer mehr damit. Und bildet somit eine demokratiegefährdende Querfront. Dass die gesamte rechtsextreme Szene zur Demo mobilisiert hat, von AfD, NPD. III. Weg, Identitäre und vielen mehr, haben wir hier dokumentiert:

Corona-Demo 29.08.: Die gesamte rechtsextreme Szene mobilisiert (AfD, NPD & Co)

Dass diese Bewegung in ihrem Fanatismus immer radikaler und gefährlicher wird, zeigt sich auch in den Reaktionen auf das Demo-Verbot. Wir haben die Chats und Ankündigungen der Pandemie-Leugner:innen und Rechtsextremisten durchforstet und die extremsten Reaktionen gesammelt.

Hinwegsetzen über das Demo-Verbot

Da die Pandemie-Leugner:innen sich nicht um die Gesundheit ihrer Mitmenschen wegen der Pandemie sorgen und aktiv und bewusst die Pandemie-Maßnahmen missachten, sollte niemanden verwundern. Entsprechend ist es auch selbstverständlich, dass die meisten planen, sich über das Demo-Verbot hinwegzusetzen. Bzw. trotz Demo-Verbot in Berlin aufzumarschieren. Breit wird in den Telegram-Gruppen dennoch eine Demo angekündigt. Und aufgefordert, das Demo-Verbot zu missachten.

Die Recherchegruppe „DieInsider“ hat auch die Stimmung in einer Gruppe zur Demo mit vielen radikalen Statements eingefangen:

Rechtsextreme und Verschwörungsideolog:innen rufen dazu auf, einfach trotzdem anzureisen. Manche fantasieren – da ihnen eingeredet wurde, Deutschland wäre eine Diktatur – sie würden damit Widerstand gegen irgendeine Unterdrückung leisten. Anstatt einfach Regeln zu missachten, was in Wirklichkeit der Fall ist. Sie bilden sich ein, dass Millionen Teilnehmer:innen kommen würden. Obwohl der Veranstalter selbst nur 17.000 angemeldet hatte. So viele wie zur letzten Demo, auch wenn sie selbst das nicht wahrhaben wollen. Mehr dazu.

Eingeständnis von Organisator von Corona-Demo in Berlin: Nur 17.000 Teilnehmer

In der offiziellen Pressemitteilung zum Demo-Verbot behauptet der Veranstalter: „Die Versammlungen finden statt“. Die Initiative kündigt darüber hinaus auch an, juristisch dagegen vorgehen zu wollen. Auch der extrem rechte Verschwörungsideologe Attila Hildmann, der jedoch den Veranstalter an anderer Stelle als „Illuminaten“ bezeichnet hatte, ruft dazu auf, das Demo-Verbot zu missachten.

AfD versucht sich an der Empörung zu beteiligen

Die AfD, die bereits zuvor breit ihre Anhängerschaft mobilisiert hatte, ruft ebenfalls dazu auf, das Demo-Verbot zu missachten. Der Bundestagsabgeordnete Müller rief in einem Video auf: „Gehen wir auf die Straße, jetzt erst Recht. Wir müssen diesen Staatsstreich der Regierung beenden.“ Auch die AfD verzerrt wieder einmal die Realität und fantasiert von einem „Staatsstreich“. Alice Weidel setzte dazu noch eine Lüge ab, um durch vermeintliche Ungerechtigkeit mehr Empörung ihrer rechtsextremen Basis zu erzeugen:

Die als rhetorische Frage formulierte Lüge, Demonstrationen „gegen Rechts“ würden nicht abgesagt werden, ist eine Frechheit, nachdem erst letzte Woche in Hamburg und in Hanau gleich mehrere Demos in Gedenken an den rechtsextremistischen Terroranschlag aus dem Februar verboten wurden (Quelle). Von „Diktatur“ spricht hingegen nur eine politische Richtung. Die AfD Berlin kündigte an, eine „Demo gegen das Demo-Verbot“ anzumelden, die als Ausweich-Demo dienen könnte.

BILD biedert sich Nazis und Verschwörungsideologen an

Heftige Kritik wird an der Kampagne der BILD geübt, die wieder mal das Framing und Übertreibung der Rechtsextremisten und Pandemie-Leugner:innen kopiert. Während das Boulevard-Blatt über das Demo-Verbot in Hanau sachlicher berichtete, hält sie plötzlich Berlin für einen „inakzeptablen Angriff“ auf Grundrechte. Im Text werden sogar diverse Lügen verbreitet, die Black-Lives-Matter-Protesten unterstellen, „ständig“ gegen Hygieneregeln verstoßen zu haben. Ein Vergleich einzelner Verstöße auf diesen Protesten mit den Demonstrationen in Berlin, in denen im Gegenteil Maskentragende beschimpft werden, ist ebenso hinkend wie unehrlich.

In welcher Gesellschaft sich das Kampagnen-Blatt inzwischen zu befinden scheint, sieht man auch daran, dass das dem rechtsextremen AfD-Flüge nahe stehende und selbst vom Verfassungsschutz überwachte Magazin „Compact“ Lob für die Berichterstattung der Zeitung von Julian Reichelt ausspricht. So viel dazu.

Gewaltaufrufe, Polizei „lynchen“, ins KZ stecken

Wie extremistisch einzelne Anhänger:innen sind, kann man auch an Aussagen sehen, die in den Telegram-Chat getätigt werden. Dort gibt es Aufrufe zu Waffengewalt und vom gewaltsamen Widerstand gegen die Regierung. Polizist:innen, die sich den Pandemie-Leugner:innen, die das Demo-Verbot missachten, in den Weg stellen sollen, sollen „AN ORT UND STELLE GELYNCHT“ [sic] werden. Man möchte die Verantwortlichen „hinrichten“, und das „gesindel“ [sic] verhaften und ins „KZ“ stecken. Die „ersten Galgen“ seien „errichtet.

„Wir dürfen nicht zulassen, dass Berlin zu einem großen Campingplatz für vermeintliche Querdenker und Verschwörungsideologen gemacht wird.“

Der Berliner Innensenator reagierte bereits auf die Ankündigungen der Rechtsextremen und Pandemie-Leugner:innen, das Demo-Verbot zu missachten. Er kündigte ein konsequentes Vorgehen der Polizei an, sollten sich große Menschenansammlungen am Samstag bilden (Quelle).

Ob das Demo-Verbot vor Gericht bestehen bleibt, bleibt abzuwarten. In jedem Fall sollte die Existenz unabhängiger Gerichte, die ein Verbot möglicherweise aufheben könnten, den Pandemie-Leugner:innen zeigen, dass sie eben nicht in einer Diktatur leben. Sondern in einer Demokratie mit intakter Gewaltenteilung. In keinem Fall sollte jemand dem Irrtum erliegen, dass diese Extremisten, die massiv von der rechtsextremen Szene unterwandert und mit ihr verbündet sind und teils brutalste Gewaltaufrufe und -fantasien als Reaktion formulieren, die Verteidiger der Verfassung sind, als die sie sich darstellen wollen.

Im Gegenteil, insbesondere mit Blick darauf, wer dafür mobilisiert, dürften sie die größte Bedrohung unserer Verfassung darstellen, die es derzeit gibt.

Zum Thema:

Die 4 beliebtesten Ausreden von Pandemie-Leugnern zerlegt

Artikelbild: Christoph Soeder/dpa; Screenshots


Unsere Autor:innen nutzen die Corona-Warn App des RKI: