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So stimmt die AfD im Bundestag ab, um dich ärmer zu machen

von | Sep 9, 2023 | Analyse

Wir haben das Abstimmungsverhalten der AfD-Fraktion im Bundestag analysiert. Das Ergebnis: sie arbeitet stark gegen die Interessen ihrer eigenen Wählerschaft. Wenn es nach ihr ginge, blieben Mindestlöhne gering, die soziale Absicherung für Selbständige auf ein Minimum beschränkt und das Arbeitsschutzgesetz höchstens eine Empfehlung. Auch wer BaföG oder Bürgergeld bezieht oder in einer Sozialwohnung lebt, ist bei der AfD an der falschen Adresse. Die AfD will sogar unentlohnte Zwangsarbeit einführen. Die AfD-Politik würde ihre eigene Wählerschaft nur noch ärmer machen und ihre Einkommen und Sozialleistungen zu anderen Menschen umverteilen. Das Abstimmungsverhalten der AfD schadet letztlich ihren eigenen Unterstüzern. Wer nicht noch ärmer werden will, muss andere Parteien wählen.

Großer Teil der AfD-Wählerschaft hat Abstiegs- und Existenzängsten

Ca. 1/4 der Wählerschaft der AfD sind Arbeiter und Arbeitslose. Im Vergleich zu den anderen Parteien sind diese in der AfD überproportional stark vertreten. Auch bei den Landtagswahlen 2019 in Thüringen und Sachsen wurde deutlich, dass viele Arbeiter sowie Menschen mit geringerem Bildungsgrad die AfD wählen.

Abstiegs- und Existenzängste sind folglich relevante Themen für einen großen Teil der AfD-Wählerschaft. Laut einer 2021 durchgeführten Bundestagswahl-Umfrage von infratest dimap gaben ca. 25 % davon an, dass ihre persönliche wirtschaftliche Situation schlecht sei. Ganze 74 % gaben an, sich Sorgen zu machen, ihren Lebensstandard nicht mehr halten können.

Unter der Wählerschaft befinden sich also viele Menschen, die von guter Sozialpolitik profitieren würden. Die Frage ist aber: wie gut vertritt die AfD tatsächlich ihre Interessen? Wir haben uns das näher angeschaut und analysiert, wie sich die AfD-Fraktion bei Abstimmungen zu Sozialpolitik im Bundestag verhält.

AfD schürt den Sozialneid nach unten

Immer wieder zeigt die AfD, dass sie sich nicht wirklich für sozial Benachteiligte oder den Sozialstaat interessiert. Der rechtsextreme Thüringer AfD-Politiker Höcke sagte 2014 in einem Interview, dass wir „Abstriche am Sozialstaat in der bisherigen Form machen müssen.“

2019 reichte die AfD einen Antrag zur Senkung der Sozialabgaben für Gering- und Durchschnittsverdienende ein, den Uwe Witt (AfD) mit der Aussage kommentierte: „Teilweise geht es Bürgern, die von Sozialleistungen leben, besser als der arbeitenden Bevölkerung im Niedriglohnbereich.“

Dass aber nicht zu hohe Solidarabgaben oder gar Transferleistungen das Problem sind, sondern die marktradikalen Hartz-Reformen, welchem den Niedriglohnsektor die Türen öffneten sowie viel zu geringe Mindestlöhne, wird gerne ausgelassen. Stattdessen wird der Sozialneid nach unten geschürt.

AfD-Prognosen zum Mindestlohn waren falsch

Wenn die AfD den Menschen im Niedriglohnbereich wirklich helfen wollte, dann würde sie sich dafür einsetzen, dass ihr Lohn auch tatsächlich zum Überleben ausreicht. Konsequenterweise müssten sich die AfD also für einen existenzsichernden Mindestlohn einsetzen.

Denn die Frage sollte nicht sein, weshalb es Sozialleistungen gibt, die den Lebensunterhalt sichern. Die wirklich wichtige Frage ist, weshalb es Löhne gibt, mit denen sich der Lebensunterhalt nicht sichern lässt. Für Personen im Niedriglohnbereich verändert sich schließlich nichts, wenn anderen die Leistungen gekürzt werden. Sie erhalten dadurch ja nicht automatisch mehr Gehalt. Wirklich damit geholfen wird ihnen also damit nicht.

Noch bis 2016 war die AfD aber strikt gegen den Mindestlohn. Petry nannte ihn „neosozialistisch“ und einen „Job-Killer“, der insbesondere die Trinkgeld-Branchen beträfe. Tatsächlich nahmen aber mit dem Mindestlohn die Beschäftigungen im Gastgewerbe im Jahr 2015 um mehr als 6,5 % zu. Auch in anderen Niedriglohnjobs, wie Leiharbeit, Gebäudereinigung oder Sozialwesen und Lagerei nahmen die Beschäftigungen überdurchschnittlich zu.

Viele AfD-Wählende sind im Niedriglohnbereich vertreten

Insgesamt zeigten sich für den Arbeitsmarkt keine negativen Effekte durch den Mindestlohn. Der Experte Dr. T. Schulten hält fest:

„In begrenztem Maße kann sogar davon ausgegangen werden, dass mit seiner Einführung ein zusätzlicher Kaufkraftgewinn entstanden ist, der die Inlandsnachfrage gestärkt und damit die Entstehung neuer Beschäftigung gefördert hat.“

Der Mindestlohn sowie die darauf folgenden Erhöhungen kamen bei den Menschen letztlich gut an. Auch jetzt befürworten laut Forsa-Umfrage ca. 70 % der Befragten eine Erhöhung auf 14 €. Angesichts der Erfolge und Beliebtheit des Mindestlohns konnte die AfD also ihre Anti-Mindestlohn-Haltung nicht mehr aufrechterhalten, weshalb sie diese inzwischen abgelegt hat.

Vielleicht auch deshalb, weil ein großer Teil der eigenen Wählerschaft im Niedriglohnbereich vertreten ist. So gewann z. B. bei der Landratswahl im thüringischen Sonneberg 2023 die AfD. Gleichzeitig arbeitet in Sonneberg der größte Teil der Arbeitnehmenden für Mindestlohn.

Großteil der Menschen befürwortet Erhöhung des Mindestlohns auf 14€ – die AfD nicht

Bei der Abstimmung im Oktober 2022 zur Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns von 10,45 € auf 12 € stimmte die AfD allerdings nicht zu. Bis auf die Union stimmten alle anderen Parteien dafür. Die AfD-Fraktion enthielt sich stattdessen. Der Grund: die Anhebung erfolgte auf Grundlage des Koalitionsvertrages der aktuellen Regierung und nicht auf Empfehlung der Mindestlohnkommission. Also aus Protest wegen einer Formsache.

Einen Monat später reichte die AfD einen eigenen Antrag zum Mindestlohn ein, bei welchem sie eine flexiblere Mindestlohngestaltung forderte sowie eine stärkere Orientierung an den Empfehlungen der Mindestlohnkommission. Diese empfiehlt für das kommende Jahr einen Mindestlohn von 12,41 € brutto je Zeitstunde. Je nach Region reicht das allerdings nicht aus, um die Lebenserhaltungskosten zu decken oder Altersarmut vorzubeugen. Wer z. B. 40 Jahre lang mit 39,5 Wochenstunden arbeitet, bräuchte einen Stundenlohn von mind. 13,03 €, um im Alter nicht auf Grundsicherung angewiesen zu sein. Selbst der AfD-Bundestagsabgeordnete J. Pohl hält die angesetzten 12,41 € für zu gering.

Neben der Mindestlohnkommission gibt es aber auch noch die EU-Mindestlohnrichtlinie. Diese empfiehlt, einen Mindestlohn in Höhe von mind. 60 % des Medianlohns zu setzen. Das entspräche je nach Berechnung zwischen 13 und 14 €. Auch die DBG-Gewerkschaften sowie Lars Klingbeil (SPD) fordern, sich daran zu orientieren und einen Mindestlohn von 14 € einzuführen. Dies unterstützt die AfD jedoch nicht. Der Bundestagsabgeordnete Pohl (AfD) hält dies für „realitätsblind„.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die AfD ist nicht mehr für die Abschaffung des Mindestlohns. Inzwischen ist sie für eine Beibehaltung, die sich stärker an der Inflation orientiert. Eine genaue Zahl für die Höhe des Mindestlohns nennt die AfD nicht. Die Höhe dürfte sich jedoch, wenn man nach Pohls Aussagen urteilt, etwas über 12,41 €, aber weit unter 14 € liegen. Wer also einen Mindestlohn von 14 € möchte, ist bei der AfD falsch.

Kein besserer Zugang zu Sozialschutz für Selbständige und atypisch Beschäftigte

Auch was den Sozialschutz angeht, ist die AfD nicht auf der Seite ihrer Wählerschaft. Zumindest nicht für die Selbständigen oder atypisch Beschäftigten unter ihnen. 2019 wurde im Bundestag über eine EU-Initiative abgestimmt, welche für diese zwei Gruppen einen besseren Zugang zu sozialer Absicherung vorsieht. Als atypisch Beschäftigte gelten alle Formen von Teilzeitarbeit und befristeter Beschäftigung, wie auch Leih- oder Zeitarbeit. Inbegriffen sind auch „neue Beschäftigungsformen“ wie Crowdwork, kollaborative Arbeit und IKT-gestützte mobile Arbeit. Auch hier gibt es massive Lücken im Zugang zu sozialer Sicherung.

Die Initiative sah vor, die Sozialversicherungssysteme und -rechte transparenter zu machen. Z. B. beim Sozialversicherungsschutz bei Arbeitslosigkeit, Krankheit sowie in den Bereichen der Gesundheitsfürsorge oder Elternschaft. Auch bei Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten, Behinderung und Alter. Bis auf die FDP und AfD stimmten dem alle Parteien zu. Die AfD stimmte mit 0 Ja- und 71 Nein-Stimmen geschlossen dagegen.

Spätestens in der Pandemie wurde deutlich, welche Lücken das Sozialversicherungssystem für Selbständige immer noch hat und wie die fehlende soziale Absicherung massive Auswirkungen auf ihre wirtschaftliche Existenz hat. Besonders Solo-Selbständige erleiden soziale Nöte, die sich mit Corona noch weiter verschärft haben, wie eine Studie des WSI ergab.

Ein Blick auf die letzten Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen zeigt, dass Selbständige die zweitgrößte Berufsgruppe innerhalb der AfD-Wähler ausmachten. Bei der Bundestagswahl 2021 wählten von den Selbständigen insgesamt 9 % die AfD. Damit sind Selbständige durchaus ein wichtiges Klientel für die AfD.

Es wird aber deutlich, wie auch hier die AfD erneut gegen die Interessen ihrer eigenen Wählerschaft abstimmt. Wer selbständig oder atypisch beschäftigt ist und sich mehr soziale Absicherung wünscht, sollte also lieber nicht die AfD wählen.

Gewinne wichtiger als ausgebeutete Arbeiter in der Fleischindustrie

Neben dem Sozialschutz hat die AfD außerdem keine Probleme mit schlechten Arbeitsbedingungen. Zumindest deutet dies die Abstimmung zum Arbeitsschutzkontrollgesetz 2020 an. Abgestimmt wurde über einen Entwurf der Bundesregierung zum besseren Arbeitsschutz. Darin vorgesehen war, mehr Kontrollen durchzuführen, insbesondere in der Fleischindustrie. Der Entwurf hatte u. a. zum Ziel, Ausbeutung in Schlachthöfen zu verhindern.

Gerade hier sind die Bedingungen für Arbeitende besonders katastrophal, wie spätestens der Tönnies-Skandal aufzeigte. 7 von 10 Arbeitenden in der Fleischindustrie waren 2020 laut Bundesregierung prekär beschäftigt. Sie sind über Werk- und Leiharbeiterverträge angestellt und verdienen 36 % weniger als der Durchschnitt. Die Arbeitsbedingungen unterlaufen oftmals das Arbeitsschutzgesetz: Es wird undokumentiert bis zu 16 Stunden täglich und bis zu sieben Tagen pro Woche gearbeitet, wie eine Studie des Soziologischen Forschungsinstitutes Göttingen feststellte.

Deshalb sah der Gesetzesentwurf vor, Werkverträge bei Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung zu verbieten und damit den Arbeitsschutz auszuweiten. CDU, SPD, Linke und Grüne stimmten dafür. FDP stimmte dagegen. Ebenso die AfD, welche mit 71 Nein- und mit 0 Ja-Stimmen geschlossen dagegen stimmte.

Der AfD-Abgeordnete Uwe Witt begründete dies damit, dass es in der Fleischindustrie saisonale Schwankungen gibt, die „durch den begrenzten Einsatz von Werkverträgen und Leiharbeit abgefedert werden“ müssen. Was genau er mit „begrenztem Einsatz“ meint ist unklar, denn der Gesetzesentwurf sieht bereits einen begrenzten Einsatz vor, bei der Leiharbeit für 8 % des Jahresvolumens der Beschäftigten 3 Jahre lang möglich sein soll. Dies scheint Witt wohl nicht genug zu sein.

Die AfD befürchtet, dass sich durch das Gesetz die Produktion nun ins Ausland verlagert. Dass Arbeitende ausgebeutet und die bestehenden Arbeitsschutzgesetze nicht eingehalten werden, scheint ihr also nicht so wichtig zu sein, wie dass große Konzerne weiterhin Gewinne machen. Eine Arbeiterpartei, als welche sich die AfD gerne inszeniert, sieht anders aus.

Kein besseres Leben für Menschen unterhalb des Existenzminimus

Unter den AfD-Wählenden befinden sich sehr viele Menschen, die für geringe Löhne arbeiten oder einen niedrigen sozioökonomischen Status haben. Bei der Bundestagswahl 2021 waren z. B. Arbeiter:innen und Arbeitslose in der AfD-Wählerschaft überdurchschnittlich vertreten:

Quelle: tagesschau

Folglich befinden sich unter ihnen auch Menschen, die Transferleistungen zur Mindestsicherung erhalten, z. B. als Aufstockende oder weil sie erwerbslos sind. Besonders letztgenannte Gruppe ist für die AfD besonders wichtig: So lagen bei den Landtagswahlen 2019 in Sachsen und Brandenburg die Anteile der AfD-Wählerschaft, die erwerbslos waren, bei ca. 41 % bzw. 43 %.

Die AfD sollte also ein Interesse daran haben, für diese großen Gruppen innerhalb der eigenen Wählerschaft die Lebensbedingungen zu verbessern. Bei der Schlussabstimmung zur Einführung des Bürgergeldes stimmte die AfD jedoch mit 0 Ja-Stimmen und 70-Nein-Stimmen geschlossen dagegen.

Gegen Reformen

Bei der Debatte ging es um die Abschaffung von Hartz-IV, welches in der Vergangenheit von Sozialverbänden dafür kritisiert wurde, nicht zum Überleben auszureichen und menschenunwürdig zu sein. Stattdessen sollte das Bürgergeld an dessen Stelle treten. Dieses umfasst eine Anhebung der Leistung um 53 € sowie eine Aufweichung der Sanktionen, die bisher bei Hartz-IV zum Einsatz kamen. Das Ziel ist die Vermittlung in langfristige Anstellungsverhältnisse, u. a. durch bessere Weiterbildungsmöglichkeiten.

Letztlich wurde mit dem Bürgergeld das Hartz-IV-System lediglich reformiert und ein menschenwürdiges Leben noch nicht damit gesichert. Dies ergab eine Berechnung der Forschungsstelle des paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Die AfD sieht in der Abschaffung von Hartz-IV trotzdem eine „Beleidigung des Sozialstaates“. Konkret meint sie damit die Abmilderung von Sanktionen, wie z. B. Leistungskürzungen bei Pflichtverstößen.

Dabei gibt es jedoch nur wenige empirisch fundierte Studien zur Effektivität von Sanktionen. Jene, die eine positive Wirkung aufweisen, haben viele methodische Fehler und sind nicht verallgemeinerbar. Konsens ist jedoch, dass Sanktionen eher dazu führen, dass Menschen langfristig in schlechter bezahlten Jobs als zuvor landen. Folglich verstärken sie die soziale Ungleichheit nur.

Sanktionen sind ungerecht und verfehlen ihr Ziel

Eine Langzeitstudie des INES gibt Hinweise darauf, dass Hartz-IV-Kürzungen ihr Ziel allgemein verfehlen: die Menschen werden lediglich stigmatisiert und damit eher demotiviert, sich Arbeit zu suchen. Außerdem betrafen im Jahr 2021 die Sanktionen lediglich 3 % der Hartz-IV-Beziehenden.

Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung auf Basis der Statistiken der Arbeitsagentur zeigt außerdem, dass Menschen ohne oder mit geringerem Schulabschluss oftmals ohne statistisch erkennbaren Grund häufiger als z. B. Abiturienten sanktioniert werden. In der Studie wird festgestellt, dass dies explizit nicht mit mangelnder Arbeitsmotivation zusammen hängt. Es hat auch nichts mit der Bereitschaft zu tun, einen Job mit schlechteren Bedingungen als die Hartz-IV-Leistungen anzunehmen.

Der Grund hierfür liegt laut Studie vornehmlich darin, dass Menschen mit geringerer Bildung das Wissen fehlt, sich vor drohenden Sanktionen zu schützen. Z. B. weil sie die Regeln nicht richtig oder vollständig verstehen. Außerdem trauen sie sich oftmals nicht, ihre eigenen Berufswünsche zu artikulieren oder sich argumentativ für diese einzusetzen. Dadurch sind sie laut Studie seltener in der Lage, als subjektiv unzumutbar empfundene Maßnahmen abzuwenden. Weshalb sie diese dann eher abbrechen und deshalb sanktioniert werden.

Sanktionen betreffen verstärkt Männer

Menschen mit geringerer Bildung kennen außerdem seltener ihre Rechte, wie z. B. dass sie Entscheidungen der Ämter anfechten können. Menschen mit höherer Bildung machen hingegen häufiger von ihren Rechten Gebrauch. Auch haben die Mitarbeitenden in den Ämtern selbst häufiger eine Hochschulausbildung, weshalb sie sich schwerer in die Lage der geringer Gebildeten hineinversetzen können. Hinzu kommen laut Studie Vorurteile der Ämter gegenüber Geringqualifizierten, welche die Sanktionen dann wiederum begünstigen.

Die Sanktionen betreffen außerdem verstärkt Männer: Mehrere Studien weisen darauf hin, dass Männer doppelt so häufig sanktioniert werden wie Frauen. Ein Grund hierfür könnte sein, dass Frauen seltener Förderangebote unterbreitet werden. Die AfD, welche vor allem eine Männerpartei mit einem großen Anteil an Menschen mit geringerer Bildung und Arbeitslosen ist, vertritt in ihrer Ablehnung ggü. des Bürgergeldes folglich nicht die Interessen ihrer Wählerschaft.

AfD will Zwangsarbeit einführen

Stattdessen reichte die AfD-Fraktion einen eigenen Antrag ein: „Aktivierende Grundsicherung statt bedingungslosem Grundeinkommen – Einführung von Bürgerarbeit“. Der Antrag sieht z. B. vor, dass Personen, die über 6 Monate lang Grundsicherung beziehen, zur „Bürgerarbeit“ gezwungen werden können. Zum Beispiel in der Seniorenhilfe oder der Hilfe für Menschen mit Behinderungen, im Zivil- und Katastrophenschutz, Heimatpflege oder im Tierschutz. Alles unentlohnt; lediglich die Fahrtkosten werden erstattet. Wer sich weigert bekommt keine weiteren Geldleistungen mehr. Stattdessen soll auf eine Sachleistungs-Debitkarte umgestellt werden und je nach Verweigerung weitere Leistungsminderungen folgen .

Ein solches Gesetz würde das Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit verletzen. Wahrscheinlich würde es außerdem zu Arbeitsmarktverzerrungen führen, da die geleistete Arbeit unentlohnt stattfinden soll. So wie unbezahlte Praktika oftmals als Ersatz für ausgebildete Arbeitskräfte eingesetzt werden, um Geld zu sparen, könnten hier folglich Zwangsarbeitende als Ersatz für Fachkräfte eingesetzt werden. Langfristig verschärft dies den Fachkräftemangel und beeinträchtigt die Qualität der Pflege- und Hilfeleistungen massiv.

Die AfD will folglich Menschen ohne Erwerbseinkommen in Beschäftigungen zwingen, die sonst niemand machen möchte, weil sie unterbezahlt oder aus anderen Gründen unattraktiv sind. Damit würde sie bestehende Ungerechtigkeiten auf dem Arbeitsmarkt zementieren, anstatt bessere Bedingungen zu schaffen.

AfD lehnt mehr Bürgerbeteiligung bei Bauvorhaben ab

Auch beim Baulandsmobilisierungsgesetz 2021 der Großen Koalition zeigte die AfD, dass sie sich nicht unbedingt für die Belange der kleinen Leute einsetzt. Der Entwurf sah vor, schnellen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, u.a. indem Baugenehmigungen einfacher erteilt werden. Vorgesehen war außerdem, das Vorkaufsrecht von Gemeinden für unbebaute oder brachliegende Grundstücke dort zu stärken, wo der Wohnungsmarkt besonders angespannt ist. Um die Verdrängung von Mietern zu verhindern, sollte zudem in Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten eine Umwandlungen von Bestandswohnungen in Eigentumswohnungen testweise verboten werden.

Linke, Grüne und FDP reichten eigene Anträge ein und stimmten gegen den Regierungsentwurf. Die AfD stimmte ebenfalls dagegen. Sie stimmte auch gegen den Änderungsantrag der Grünen, welcher mehr Bürgerbeteiligung und Naturschutz bei der Stadtbauplanung ermöglichen soll. Beides eigentlich Themen, welche die AfD gerne auch für sich beansprucht. Allerdings nur halbherzig, wie auch hier deutlich wird (Quellen: Bürgerbeteiligung hier; Naturschutz hier).

AfD stimmt sehr gerne mit der Regierung, wenn es um Verhinderung von Bürgerbeteiligung geht

Die AfD-Fraktion stimmte mit 0 Ja- und 77 Nein-Stimmen gegen den Antrag für mehr Bürgerbeteiligung bei Bauvorhaben. Die einzige Partei, die neben den Grünen für den Antrag stimmten, war die Linke. Die Anti-Establishment-Partei AfD verhält sich also eher wie der Rest der „Alt-Parteien“ CDU und SPD im Bundestag, wenn es um mehr Bürgerbeteiligung geht. Ähnliches zeigte auch eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, welche konkludiert,

„dass die AfD keine grundsätzlichen Alternativen zum Bestehenden vertritt, ja, dass sie sogar recht häufig mit den Regierungsfraktionen stimmt und damit implizit eine Stütze des von ihr so gehassten ‚Systems Merkel‘ ist.“

AfD stärkt Rechte von Eigentümern, statt von Mietern

Natürlich ist es auch legitim, mehr Bürgerbeteiligung für ein verschnellertes Verfahren zu opfern, um mehr Menschen schnellen Wohnraum zu ermöglichen. Das war aber wahrscheinlich eher weniger der Beweggrund der AfD-Fraktion. Woran sie sich hauptsächlich stört, ist die Stärkung der Kommunen und das Umwandlungsverbot. Deren Ziele sind die Entspannung der Wohnungsmärkte und vor allem der Schutz der Bestandsmieter:innen. Die AfD sieht darin ein „Verkaufsverbot“ für Eigentümer:innen.

Interessant ist, dass sie aber selbst fordert:“Wir benötigen eine bundesweite Vereinfachung und Vereinheitlichung des Baurechtes und eine Beschleunigung von Verfahren durch Bürokratieabbau und Digitalisierung.“ Das Baulandmobilisierungsgesetz sieht genau das vor. Trotzdem hat die AfD dagegen gestimmt.

Und so wie es aussieht, hat sie das deshalb, weil sie die Eigentümer:innen vor den Mieter:innen bevorteilen möchten. Wenn die AfD also festhält, „dass es für untere und mittlere Einkommensgruppen in angespannten Märkten zusehends schwerer wird, eine bezahlbare Wohnung zu finden“, dann ist das eher eine Lagebeschreibung, als der Aufruf, tatsächlich etwas dagegen unternehmen zu wollen.

Kein sozialer Wohnungsbau mit der AfD

Das zeigt sich auch darin, dass die AfD den sozialen Wohnungsbau ablehnt. Diesen sieht sie als gescheitert an. Stattdessen will sie einkommensschwachen Mieter:innen mit Wohngeld unterstützen. Ihr Ziel ist es, Wohneigentum zu fördern und den Wohnungsneubau zu vereinfachen. Inwieweit Förderung durch Wohngeld Menschen, die noch überhaupt gar keine Wohnung haben helfen soll, bleibt unklar.

Bisher zeigt sich, dass nur ungern an Sozialhilfeempfangende vermietet wird und Menschen mit geringem sozioökonomischen Status häufiger auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt werden. Dies trifft insbesondere Arbeitslose, Alleinerziehende und Rentner. Wieso sich dies nun plötzlich ändern soll, bleibt unklar. Und wie genau sozioökonomisch Benachteiligten geholfen werden kann, indem mehr Eigentumswohnungen gebaut werden, ist ebenfalls nicht schlüssig.

Denn bei einem unregulierten Markt schnellen die Mieten langfristig ohne Endpunkt nach oben. Der AfD-Vorschlag lässt folglich stark daran zweifeln, dass er wirklich vor Verdrängung schützen kann. Es gilt als Konsens, dass die Ursache für die Verknappung von Wohnraum im Niedrigpreissegment u. a. auf eine deutliche Abnahme des Sozialwohnungsbestandes und gleichzeitigem Ausbau von Eigentums- und hochpreisige Mietwohnungen zurückzuführen ist.

Marktradikale Wohnungspolitik verdrängt AfD-Wählerschaft, statt ihr zu helfen

Außerdem stellt sich die Frage, ob es tatsächlich günstiger für den Staat ist, allen Bedürftigen viel zu hohe Mieten zu finanzieren, anstatt das Geld in den Sozialbau zu investieren, der sich über die Zeit selbst abbezahlt. Der sehr knappe Wohnraum mit gleichzeitigem Fehlen von 450.000 Wohnungen im bezahlbaren Preissegment zeigt, dass die Marktmechanismen das Problem nicht lösen, sondern die Polarisierung der Wohnungssituation eher befeuern. Denn für private Investoren gibt es weniger Anreize in den sozialgerechten Wohnbau zu investieren, da dieser weniger lukrativ ist.

Ohne Regulierung wird Wohnraum weiterhin auf Eigentums- und hochpreisige Mietwohnungen privater Investoren ausgerichtet und die Gentrifizierung damit nur noch schneller vorangetrieben. Selbst wenn also sehr schnell Wohnraum geschaffen wird, wird es nicht automatisch das Problem der Verknappung von Wohnraum im Niedrigpreissegment lösen. Zumindest nicht in allzu naher Zukunft. Es gibt folglich einen Grund, weshalb alle Parteien, bis auf die AfD, auf den Sozialbau setzen: Nämlich um einkommensschwache Menschen nicht aus den Metropolen zu verdrängen.

Angesichts der Wählerstruktur der AfD, die einen hohen Anteil aus Menschen mit geringerem sozioökonomischen Status beinhaltet, würde die AfD damit ihrer eigenen Wählerschaft aktiv schaden. Wer zur Miete oder in einer Sozialwohnung lebt, sollte also lieber nicht die AfD wählen.

AfD will wesentlich geringeres BaföG

Auch an der Bildungsförderung wird deutlich, dass die AfD eher marktradikale, statt soziale Politik verfolgt. Abgestimmt wurde über Erhöhungen des Bafög um 6 % und der Einkommenfreibeträge um 20 %. Linke, Grüne und FDP stimmten zu. Union, SPD und AfD lehnten ab.

Nun kann die Gesetzesänderung durchaus kritisiert werden, weil sie z. B. die Inflation nicht wirklich abfängt. Die AfD-Fraktion hatte jedoch einen eigenen Antrag eingereicht, der darauf schließen lässt, dass es ihr um etwas anderes geht. Vielmehr möchte sie das Bafög nicht zur Deckung des Lebensunterhaltes, sondern lediglich als Zuschuss. Dieser muss dann mit „Nebenjobs, eigenem Ersparten oder einem Studienkredit“ aufgestockt werden.

Die AfD-Fraktion fordert ein familienabhängiges Bafög bis zu 485 €, das nicht zurückgezahlt werden muss. So heißt es:

„Eine allgemeine Ausbildungsförderung, in Form einer elternunabhängigen Grundförderung, in der alle bisherigen an den Auszubildenden bzw. an ihre Unterhaltsverpflichteten direkt oder indirekt gewährten staatlichen Leistungen zusammengefasst werden, lehnen wir aus Kostengründen ab.“

AfD macht Studierende noch ärmer

Ihr Antrag sieht vor, Leistungsanreize zu schaffen, das Studium in Regelstudienzeit zu beenden, da die Förderungshöchstdauer immer häufiger überschritten wird. Das Bafög soll deshalb nicht über 10 Semester hinaus gewährt werden (zzgl. zwei Prüfungssemester und Studienaufhalt im Ausland). Wer länger braucht, kann ein rückzahlungspflichtiges Darlehen beantragen. Der bildungspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion betont:

„Es ergibt für uns keinen Sinn, mit Steuergeldern eine Art Grundeinkommen für Studenten zu schaffen, so wie es die Linke und neuerdings auch die FDP vorhat.“

Es wird deutlich, dass die AfD von Vollzeitstudierenden verlangt, dass sie noch Nebenjobs (im Plural!) annehmen, aber trotzdem in Regelstudienzeit abschließen. Bereits jetzt ist es für Studierende utopisch, ein Vollzeitstudium und gleichzeitig einen Nebenjob zu haben und dabei in Regelstudienzeit abzuschließen. In Vollzeit studieren heißt mind. 40 Stunden pro Woche für Vorlesungen, Seminare und die entsprechende Vor- und Nachbereitung. Dazu kommt noch die individuelle Lernzeit, bei der sehr schnell wesentlich mehr als 40 Stunden pro Woche für die Uni geleistet werden.

Die Regelstudienzeit ist sehr knapp bemessen. Besonders bei sehr lernintensiven Studiengängen wie Jura oder Medizin ist es deshalb üblich, das Studium nicht in der Regelstudienzeit zu absolvieren. Hinzu kommen überlaufene Lehrveranstaltungen, in welchen keine Plätze mehr zur Verfügung stehen und sich deshalb das Studium hinauszögert.

Der Entwurf der AfD würde die Situation für Studierende, die ohnehin überproportional schwer von Armut betroffen sind, also nur noch massiver verschlechtern. Wer BaföG nach diesem Prinzip bezieht und in Regelstudienzeit studieren muss, um die Förderung nicht zu verlieren, hätte folglich kaum eine andere Wahl als sich mittels Darlehen am Ende doch zu verschulden.

AfD-Modell wäre eine extreme Verschlechterung zum bisherigen BaföG

Da Grundbedingung ist, dass das BaföG nur an jene gezahlt wird, die aus armen Familien kommen, haben diese logischerweise kein entsprechendes Vermögen, um ihren Kindern zu helfen. Um auf ein halbwegs überlebensfähiges Einkommen zu kommen, müssten die Studierenden zu ihren 485 € je nach Wohnort und Studium zwischen 10 und 20 Wochenstunden nebenher arbeiten, um zu überleben. Oder alternativ, um ein Vollzeitstudium wirklich in Regelstudienzeit und mit guten Noten und der entsprechenden Expertise zu absolvieren, ca. 520-800 Euro monatlich mittels Darlehen, statt nebenher noch zu arbeiten. Dieses System würde Bildungsungleichheit also eher befeuern, anstatt gleiche Chancen für alle zu schaffen.

Es wäre insgesamt eine extreme Verschlechterung zum bisherigem System, welches einen Höchstsatz von 930 € vorsieht. Hier muss zwar die Hälfte zurückgezahlt werden, allerdings wäre dies dann immer noch weniger als das Darlehen. Und für wen der Höchstsatz noch nicht die Unterhaltungskosten abdeckt, muss trotzdem wesentlich weniger neben dem Vollzeitstudium arbeiten, um zu überleben als es der AfD-Entwurf vorsieht. So können sich Studieren dann auch auf ihre Ausbildung konzentrieren, anstatt ums nackte Überleben zu kämpfen.

AfD-Politik schadet ihrer eigenen Wählerschaft

Insgesamt zeigt sich, dass die AfD-Fraktion stark gegen die Interessen ihrer eigenen Wählerschaft arbeitet. Dies liegt daran, dass die AfD eine noch stärkere marktorienterte Finanz- und Sozialpolitik als die FDP verfolgt, welche bekanntlich Politik für Besserverdienende macht.

Dies bestätigt auch eine kürzlich veröffentlichte Studie des DIW Berlins. Die von der AfD geforderten Steuersenkungen für Spitzenverdienende sowie die Beibehaltung niedriger Löhne für Geringverdienende mit gleichzeitiger Kürzung der Sozialleistungen würden gerade die AfD-Wählerschaft besonders hart treffen. Eine solche Politik würde dazu führen, dass die AfD-Wählerschaft ihre eigenen Einkommen und Sozialleistungen an andere, privilegiertere Wähler:innen, abgeben müssten.

Die AfD verfolgt also eine Umverteilung von ihrer eigenen Wählerschaft zu anderen, privilegierten Menschen hin. Folglich zockt sie mit ihrer Politik ihre eigenen Unterstützer:innen ab und macht sie nur noch ärmer. Selbständige, Sozialleistungsempfangende, Geringverdienende, Studierende und Arbeiter sollten sich also wirklich fragen, ob sie nicht woanders besser aufgehoben sind. Denn der AfD geht es nur darum, Wählerstimmen abzugreifen und sich nebenbei die Taschen vollzumachen.

Artikelbild: photocosmos1