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9 Anzeichen dafür, dass das Magnitz-Bekennerschreiben Fake ist (Ein sehr schlechter)

von | Jan 10, 2019 | Aktuelles, Analyse

Höchst fragwürdig

Die Ermittlungen zum Angriff auf Frank Magnitz, AfD, laufen derzeit noch. Das einzige, was bisher feststeht, ist, dass die AfD bei ihren Darstellungen des Tathergangs massiv falsch lag (Quelle). Sie hat Vermummungen der Täter, Tritte, zu Hilfe eilende Bauarbeiter und das berüchtigte „Kantholz“ erfunden, welchem die Polizei widersprechen musste. Selbst wenn man nicht eine gezielte Instrumentalisierung unterstellt, ist sowas genau der Grund, wieso man Ermittlungen abwartet.

Wie gesagt, wir wissen nicht, wer für den Schlag auf den Abgeordneten verantwortlich ist. Das weiß die AfD auch nicht, auch wenn sie ihr Unwissen mit noch so viel Selbstbewusstsein und Paranoia überdecken will (siehe hier). Vielleicht war die Tat politisch motiviert, auch das ist gar nicht so unwahrscheinlich, zumindest nicht so unwahrscheinlich wie die Annahme, dass er ein Zufallsopfer war. Es muss daher auch nicht zwingend heißen, dass es „die Antifa“ war.



Zweifelhaftes „bekennerschreiben“

Nun tauchte verspätet ein höchst zweifelhaftes „Bekennerschreiben“ einer Gruppe namens „Antifaschistischer Frühling“ auf (Quelle). Eine Gruppe, von der man noch nie zuvor gehört hat. Rechte Blogs & Politiker sehen darin eine Bestätigung ihrer Anschuldigungen (Quelle). Aber Experten zweifeln an der Echtheit des Schreibens (Quelle). Hier sind 9 Gründe dafür.

1. „mundtot machen“?

Eine Formulierung wie „mundtot machen“ ist höchst verdächtig. Sie würde normalerweise nie in einem derartigen Bekennerschreiben auftauchen und erinnert verdächtig an rechte Narrative von der „Lügenpresse“ oder der „linken Meinungsdiktatur“, die ihre GegnerInnen „mundtot“ mache.

2. „Faschistisch“ oder „rechtsextrem“?

Es ist unüblich und verdächtig, dass das politische Milieu des Angegriffenen in ein- und demselben Text gleichzeitig als „rechtsextrem“, „faschistisch“ und er als „Nazi“ bezeichnet wird. Diese Wortwahl ist zu willkürlich für eine politische Motivation und macht sich durch seine Inkonsistenz verdächtig. Selten werden die Begriffe austauschbar und gleichzeitig verwendet.

3. „Rechtsextrem“ ist höchst umstritten

Ganz besonders der Begriff „rechtsextrem“ ist insbesondere in der linken Szene und auch in der Politikwissenschaft umstritten und wird meistens vermieden. (Quelle) Hinter diesem Begriff liegt die umstrittene Extremismustheorie, die ein falsches, vereinfachtes Politikbild von „Links-und-Rechts“ propagiert. Der Begriff würde diese Vereinfachung reproduzieren.

4. Viele Rechtschreibfehler

Das Schreiben enthält zu viele Rechtschreibfehler wie „rassischtischen Äußerungen“. Ein authentisches Schreiben wäre sorgfältiger erstellt worden. Der Text wirkt nicht nur dadurch kurzfristig und unüberlegt verfasst. Abgesehen davon ist der Text auch viel zu kurz für ein Bekennerschreiben.

5. „Nazi-Abschaum“

Der Begriff „Nazi-Abschaum“ ist ebenfalls ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Schreiben nicht authentisch ist. Dieser Begriff entmenschlicht den Bezeichneten. Etwas, das dem linken Wortschatz und Wertvorstellungen eindeutig zuwiderläuft. Tatsächlich ist es ein Begriff aus dem rechten Wortschatz und weist Nähe zu LTI („lingua tertii imperii“ – Mehr zur Sprache der Nationalsozialisten hier) auf.

6. „Macht euch bereit“

Diese Schlussformel „Macht euch bereit“ ist ebenfalls höchst unüblich und sehr unauthentisch.

7. Indymedia

Bei Indymedia kann jedeR einfach so anonym Beiträge veröffentlichen. Die ModeratorInnen überprüfen Posts auch erst nach der Veröffentlichung und haben, wie in diesem Fall, verdächtige Inhalte sofort gelöscht. Bereits in der Vergangenheit wurden rechte Fake-Bekennerschreiben auf Indymedia veröffentlicht, so beim Anschlag auf den BVB-Bus (Quelle) oder einem Anschlag auf eine Moschee, bei welcher letztlich ein Pegida-Anhänger der Täter war (Quelle).

Neonazis und andere Rechte haben immer wieder Namens- und Adresslisten auf Indymedia veröffentlicht, um die AntifaschistInnen auf diesen Listen einzuschüchtern. Es ist also nicht unüblich, dass Rechte die Plattform für ihre Zwecke missbrauchen.

8. Verdächtiger Zeitpunkt

Das Bekennerschreiben tauchte zu einem Zeitpunkt auf, an dem die von der AfD ursprünglich verbreitete Geschichte zu Magnitz bereits größtenteils als mit Lügen und Übertreibungen ausgeschmückt und überdramatisiert entlarvt wurde (Quelle). Es scheint offensichtlich, dass dadurch verzweifelt versucht wird, das Narrativ des „Antifa-Mordanschlags“ zu retten.

Auch dass zunächst nur rechte Seiten und Blogs darüber berichtet haben, ist höchst verdächtig und suggeriert, dass es aus diesen Kreisen stammt. Ein angeblich „linkes“ Bekennerschreiben auf einem linken Forum, das nur sehr kurz online war, wäre erst viel später und danach in rechte Zirkel gelangt, wenn überhaupt.

9. „Wer Hass sät…“ aus einer Pressemitteilung der AfD?

Erstaunlicherweise taucht die Überschrift des Fake-Schreibens  „Wer Hass sät, wird Gewalt ernten“ genau so in einer Pressemitteilung der AfD-Fraktion Baden-Württemberg auf (Quelle). Auch in der Version der Pressemitteilung auf der offiziellen Seite der Fraktion taucht die Formulierung auf, hier aber nur im Text, nicht in der Überschrift (Quelle). Ob hier ein Zusammenhang besteht, oder es sich um einen Zufall handelt, kann ich nicht beurteilen.

Schlecht gemacht & höchst zweifelhaft

Ich schließe mich der Einschätzung von Robert Fietzke an: Dieses Bekennerschreiben ist sehr dilettantisch erstellt und Zeitpunkt, Aufbau und Nützlichkeit für rechte Narrative sind zu gut, um wahr zu sein. Das sind zwar alles keine Beweise, dass es ein Fake ist, aber dieses Schreiben ohne Verifikation alles andere als höchst zweifelhaft darzustellen, ist fatal. Es ist unbegreiflich, wie viele Medien dieses nicht nur verbreitet haben, sondern es als auch nur ansatzweise seriös dargestellt haben.

Dieser Artikel basiert stark auf einem Twitter-Thread von Robert Fietzke, wir bedanken uns für die Analyse & Empfehlen den Besuch seines Profils.

Artikelbild: Screenshots