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Mit diesen billigen Tricks „rechnet“ sich BILD die Preise teurer

von | Okt 16, 2021 | Analyse

Mit diesen billigen Tricks „rechnet“ sich BILD die Preise teuer

Dass für BILD korrekte Zahlen, Fakten und Zusammenhänge eine nachrangige Rolle spielen, wenn man dafür rechtspopulistische oder „Querdenken“-Narrative bedienen kann, ist hinlänglich bekannt. Auf unserem Anti-Fake-News-Blog kann man fast täglich davon erfahren. Zur Zeit wettert das Boulevard-Blatt gegen hohe Preise. Geht es um die meisten anderen Themen, heißt es beim Axel-Springer-Verlag, der Markt soll es regeln, bei (Sprit-)Preisen sieht das anders aus, da fordert sie gar eine Spritpreisbremse (Quelle).

Wie unsere Kollegen von BILDBlog schon herausgearbeitet haben, ist ein Rechentrick, mit dem BILD die Preise künstlich teuer rechnet, der Spritpreis. BILD erklärt Deutschland zum „Spritpreis-Europameister“, nachdem die Preise in letzter Zeit immerhin wirklich gestiegen sind. Und diese konkrete Behauptung – wer hätte es gedacht bei BILD? – stimmt natürlich nicht.

1,5 Jahre alte Spritpreise verglichen

Die Quelle für den Sprit-Preis-Vergleich ist die Seite benzinpreis.de. BILDBLog beschreibt das wesentliche Problem:

„Die Verlässlichkeit der Zahlen von benzinpreis.de hängt also davon ab, wie oft und wie genau die Nutzer dort Preise eintragen. Und das findet nicht so irre häufig statt: Der aktuellste Eintrag für Norwegen beispielsweise stammt sowohl bei Super als auch bei Diesel vom 20. April 2020. Aus den Niederlanden kam die letzte Super-Meldung am 3. August 2020 rein. Für Italien stammt der neueste Eintrag immerhin vom 15. September 2021 – ist damit aber auch schon einen Monat alt. Die Preise aus Kroatien stammen vom 22. Juni 2020. Die aus der Türkei vom 20. April 2020. Und so weiter. Die Preise für Deutschland stammen laut benzinpreis.de hingegen von der Markttransparenzstelle für Kraftstoffe des Bundeskartellamts.

Die »Bild«-Redaktion vergleicht also aktuelle Zahlen aus Deutschland mit veralteten aus dem Ausland, teilweise von vor eineinhalb Jahren.“

Sie haben auch eine alternative Quelle für die Preise gefunden – mit aktuellen Zahlen, GlobalPetrolPrices. Beim Superbenzin lagen am 11. Oktober die Niederlande, Norwegen, Dänemark, Griechenland und Italien mit höheren Preisen vor Deutschland. Andere europäische Länder, die BILD aus unerklärlichen Gründen nicht mit aufgezählt hat, die ebenfalls vor Deutschland liegen: Schweden, Finnland, Island, Portugal und Monaco.

Beim Diesel waren die Preise in Schweden, Norwegen, Großbritannien, Island, Dänemark, Belgien, Monaco, Finnland, Kroatien, Italien, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz höher als bei uns. Für BILD sind wir „Europameister“. Danke BILDBlog!

Übrigens, ein wichtiger Grund, warum die Spritpreise gerade steigen, ist, dass der Ölpreis wegen der Pandemie letztes Jahr (wie wir uns erinnern) gefallen ist. Und jetzt wieder auf Vorjahresniveau stieg…

Grafik via Tobias Wilke

BILD „vergisst“ die Corona-Mehrwertsteuer-Senkung

Es ist aber nicht der einzige aktuelle Fall, in dem BILD aktuelle Preise teurer darstellt, als sie eigentlich sind. Die Fantasie-Beschuldigung der BILD, Klimaschutz würde zwangsläufig heißen, wir würden alle arm werden, hat der Kollege Jan Hegenberg gestern schon hier behandelt und entlarvt:

BILD erzählt (mal wieder) Unsinn über Wohlstand und Klimaschutz

Im Artikel wird eingangs beklagt, dass die Preise ja aktuell ohnehin schon so hoch seien (und man sich deshalb Klimaschutz irgendwie nicht leisten könne). Da werden aktuelle Friseur- oder Restaurantbesuche oder Nahrungsmittelpreise mit denen des Vorjahresmonats verglichen. Da kommen ein paar gute extra Prozent dazu – zumindest wenn man der BILD glauben würde.

Essen gehen ist sogar BILLIGER!

Mein Volksverpetzer-Kollege Tobias Wilke hatte sich das genauer angeschaut und den Trick hinter BILDs „Rechenkünsten“ entdeckt: Vergleiche mit Vorjahresmonaten sind grundsätzlich sinnvoll, aber 2020 war ein besonderes Jahr. Wer sich noch erinnert: In der zweiten Jahreshälfte 2020 wurde wegen der Corona-Pandemie die Mehrwertsteuer gesenkt von 19 auf 16 und 7 auf 5 Prozent (Quelle). Das heißt: In allen Preisen, die jetzt mit ihren Vorjahresmonaten verglichen werden, ist die wieder höhere Mehrwertsteuer enthalten!

Der Präsident der Bundesbank hatte das im Juli bereits „vorhergesagt“:

Grafik via Tobias Wilke

Rechnet man die relativ höhere Mehrwertsteuer mit ein, sinkt der Preisanstieg für den Friseur nur noch auf 0,7 % und die Lebensmittel immerhin auf 2,9 %. Ein Restaurantbesuch wird nur wegen des Effekts sogar über 8 Prozent billiger. Hier die Grafik von Wilke:

Hinzu kommen noch weitere Effekte, die Pandemie, die Mehrwertsteuer und einiges mehr, vorübergehend steigende Inflation, Erklärungen, die hier den Rahmen sprengen würden. So einfach, wie es in der BILD steht, ist es wie eigentlich immer nicht.

Zum Thema CO2– und Spritpreis übrigens noch eine wichtige Info:

Faktencheck »Klimaheuchler«: Alle demokratischen Parteien werden Spritpreis anheben

Artikelbild: pixabay.com, CC0

Unsere Autor:innen nutzen die Corona-Warn App des RKI.