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Ex-FBI Informant wegen Falschaussage angeklagt: die Lüge kam aus Russland

von | Feb 27, 2024 | Analyse

Die amerikanische Rechte verbreitet monatelang russische Falschinformationen zu Biden – und macht munter weiter. Pro-Trump-Propagandisten sagen buchstäblich, diese Enthüllungen ist ihnen egal: Es hat sich herausgestellt, dass die zentrale Behauptung der Vorwürfe gegen Biden schlicht gelogen war – und wohl aus russischer Propaganda stammt.

Wer in den letzten Jahren Zeit im Sumpf rechter Medien verbracht hat, weiß, dass Verschwörungsmythen über den Sohn des Präsidenten der Vereinigten Staaten, Hunter Biden, sowie angebliche Korruption von Hunter und seinem Vater Joe Biden zum Standardrepertoire rechter Falschinformationen gehören. Genau wie Spott über Joe Bidens Unterstützung seines Sohnes, als dieser mit seiner Drogensucht kämpfte.

Dabei blieb das Gerede über die angeblichen Missetaten der Bidens nicht auf Fox News und Alex Jones beschränkt, sondern wurde und wird auch von prominenten Republikanern wiederholt, und so auch in etablierte Medien getragen. Es ist ein alter Trick, den einst Newt Gingrich perfektionierte: Wenn etablierte Medien nicht über eine bestimmte Geschichte berichten, die dem politischen Gegner schaden würde, wiederhole die Behauptungen so lange in jedes Mikrofon, bis die Tatsache, dass du die Behauptungen aufstellst, zur Story wird – und somit der von dir gewünschte Inhalt verbreitet wird.

Alles basiert auf einer Lüge

Jetzt stellt sich heraus, dass Alexander Smirnov, ein Ex-FBI-Informant, auf dessen Aussagen sich der Versuch der GOP, Joe Biden seines Amtes zu entheben, bezog, wohl gelogen hat – das wirft ihm zumindest die Staatsanwaltschaft vor, die ihn wegen Falschaussage gegenüber dem FBI angeklagt hat. 

Smirnov hatte dem FBI laut der Anklageschrift 2017 von einem Telefongespräch zwischen ihm selbst und dem Eigentümer des ukrainischen Industriekonglomerats Burisma Holdings, Limited berichtet,  bei dem es um Geschäftsinteressen von Burisma in den USA und einen eventuellen US-Börsengang gegangen sei. So  ließ es auch der im Fall Hunter Biden beauftragte Sonderermittler David C. Weiss verlauten. Weiss war von Donald Trump als U.S. Attorney für Delaware ernannt worden, und hat diese Position noch immer inne – Merrick Garland, der amtierende Justizminister, machte ihn zudem zum Sonderermittler. 

Bei seinen Aussagen damals hatte Smirnov erwähnt, dass Hunter Biden im Vorstand von Burisma sitze – was aber bereits öffentlich bekannt war. Erst 2020 hatte Smirnov dann gegenüber einem FBI-Agenten behauptet, dass Hunter Biden angeheuert worden sei, um Burisma durch “seinen Vater vor allen möglichen Problemen zu schützen”. Das hätten ihm führende Mitarbeiter der Firma erzählt – und sie hätten Hunter und Joe Biden während Bidens Amtszeit als Vizepräsident jeweils fünf Millionen Dollar Bestechungsgeld bezahlt, damit dieser ihnen mit einer Untersuchung der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft helfe.

Lügen & Kontakte zum russischen Geheimdienst

Laut der Anklageschrift, von der Sonderermittler Weiss berichtet, ist beides erfunden: 

“In Wahrheit hatte der Angeklagte 2017, nach dem Ende der Regierung, als der Beamte 1 [Joe Biden] keine Möglichkeit mehr hatte, die US-Politik zu beeinflussen, und nachdem der ukrainische Generalstaatsanwalt im Februar 2016 entlassen worden war, Kontakt zu Führungskräften aus Burisma.”

Laut dem Justizministerium habe der 

“Angeklagte seine routinemäßigen und nicht außergewöhnlichen Geschäftskontakte mit Burisma im Jahr 2017 und später in Bestechungsvorwürfe gegen den Beamten 1 [Joe Biden] umgewandelt, nachdem er seine Voreingenommenheit gegen den Beamten 1 [Joe Biden] und dessen Präsidentschaftskandidatur zum Ausdruck gebracht hatte.”

So weit, so explosiv – aber es wurde noch wilder, denn 2023 soll Smirnov erneut gegenüber dem FBI gelogen haben:

“[Er]…änderte seine Geschichte in Bezug auf andere seiner Behauptungen und verbreitete eine neue falsche Darstellung, nachdem er sagte, er habe sich mit russischen Beamten getroffen.”

Kurz: Russische Kontakte mit Beziehungen zum Geheimdienst sollen ihn dazu gebracht haben, Lügen über Hunter und Joe Biden zu verbreiten.

alle Charakteristika einer russischen Desinformationskampagne

Schon im Oktober 2020 hatte eine Gruppe ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter in einem offenen Brief gewarnt, dass der Leak von Hunter Bidens E-Mails in Bezug auf seine Arbeit bei Burisma alle Charakteristika einer russischen Desinformationskampagne trage. Die Unterzeichnenden schrieben damals, dass sie zwar noch keine Beweise dafür hätten, aber dass ihre jahrzehntelange Erfahrung innerhalb der Geheimdienste der USA mit russischen Geheimdienstoperationen sie hier zu absoluter Vorsicht mahne:

“[…] wir möchten betonen, dass wir nicht wissen, ob die E-Mails, die der New York Post von Präsident Trumps persönlichem Anwalt Rudy Giuliani zur Verfügung gestellt wurden, echt sind oder nicht, und dass wir keine Beweise für eine russische Beteiligung haben – nur dass unsere Erfahrung uns zutiefst misstrauisch macht, dass die russische Regierung in diesem Fall eine bedeutende Rolle gespielt hat.”

Smirnov hat sowohl die US-amerikanische als auch die israelische Staatsbürgerschaft und laut den Berichten seines FBI-Kontakts in letzter Zeit Kontakte zu russischen Oligarchen gehabt, inklusive der Teilnahme an Parties auf ihren Yachten. 

Dass Smirnov als Informant Kontakte zu russischen Offiziellen und anderen ausländischen Geheimdiensten hatte, ist an sich noch nicht ungewöhnlich – doch die Staatsanwaltschaft, unter Leitung von Weiss, geht davon aus, dass seine russischen Kontakte Smirnov Lügen über Bidens Sohn und den Präsidenten eingeflüstert haben. Die Associated Press berichtete am 21. Februar: 

“Nach Angaben der Staatsanwaltschaft gab Smirnow in einem Interview nach seiner Verhaftung letzte Woche zu, dass ‘Beamte, die mit dem russischen Geheimdienst verbunden sind, an der Weitergabe einer Geschichte’ über Hunter Biden beteiligt waren. Sie sagten, dass Smirnovs Kontakte mit russischen Beamten kürzlich und umfangreich waren, und sagten, dass Smirnov geplant hatte, sich mit einem Beamten während einer bevorstehenden Überseereise zu treffen.”

Biden: Farce eines Amtsenthebungsverfahrens

Laut der Anklageschrift reichen Smirnovs Bemühungen, Lügen über die Bidens zu verbreiten, und gar Einfluss auf die nächste Präsidentschaftswahl zu nehmen, bis in die Gegenwart:

“Die Fehlinformationen, die er verbreitet, sind nicht auf 2020 beschränkt. Er geht aktiv mit neuen Lügen hausieren, die die US-Wahlen beeinflussen könnten, nachdem er sich im November [2023] mit russischen Geheimdienstlern getroffen hat.”

Entgegen der Forderungen der Staatsanwaltschaft entließ der zuständige Richter, Daniel Albregts, Smirnov aus der Untersuchungshaft – bis zum Prozessbeginn muss dieser eine elektronische Fußfessel tragen.  

All das sollte die Republikaner, bei deren Farce eines Amtsenthebungsverfahrens von Joe Biden die Aussagen Smirnovs eine wichtige Rolle spielten, unter normalen Umständen umgehend dazu bringen, ihre Behauptungen zurückzunehmen, das Verfahren zu beenden. Und sich dafür zu entschuldigen, dass sie an der Verbreitung von russischer Fehlinformation mitgearbeitet haben, deren Ziel es offensichtlich war, das Vertrauen in die amerikanische Demokratie zu unterwandern. 

Prominente Republikaner, wie Elise Stefanik, hatten monatelang darauf gepocht, dass die Aussagen eines FBI-Informanten – Smirnov – die “smoking gun” seien, auf die sie gewartet hätten. Als Smirnovs Anschuldigungen publik wurden, sprach Stefanik vom “größten Korruptionsskandal der letzten 100 Jahre”. Die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene behauptete unterdessen damals im Kongress: 

„Dieses Formular enthält die vernichtende Information, dass der damalige Vizepräsident Joe Biden eine Bestechung in Höhe von 5 Millionen Dollar von dem Oligarchen angenommen hat, dem Burisma gehört. Nicht nur Joe Biden hat 5 Millionen Dollar Bestechungsgeld angenommen, sondern auch Hunter Biden.“

Alles gelogen – aber das scheint den Republikanern egal zu sein

Alles gelogen – aber das scheint den Republikanern egal zu sein. Zumindest nach außen versuchen sie die Auswirkungen dieser jüngsten Enthüllungen herunterzuspielen, die ihr ohnehin auf Sand gebautes Kartenhaus eines Amtsenthebungsverfahrens endgültig in sich zusammenkrachen lassen. Hinter den Kulissen versuchen sie nach neusten Medienberichten jedoch hastig, jedwede Erwähnung Smirnovs aus Dokumenten ihrer Schein-Untersuchungen zu Biden zu tilgen. 

Auf Newsmax behaupteten der Moderator Rob Schmitt und sein Gast Seamus Bruner, Associate Director of Research am von Steve Bannon gegründeten Government Accountability Institute, unterdessen, dass Smirnovs Verhaftung eine “Psy-Op” sei – eine eigene Geheimdienstoperation, um Kritiker der Bidens zum Schweigen zu bringen. Und auch auf Fox News kann sich die GOP verlassen:

Moderatorin Laura Ingraham sagte im Bezug auf die Enthüllungen bezüglich Smirnovs Lügen “ist mir egal” – man brauche keinen FBI-Informanten, um zu wissen, dass Hunter Biden sein Geld bei ausländischen Firmen nicht aufgrund seiner Erfahrung als Geschäftsmann verdient habe, sondern aufgrund seiner Nähe zum amtierenden Präsidenten, dass die Bidens korrupt seien. Und auch Jesse Waters, der Tucker Carlsons Time-Slot bei Fox News übernommen hat, unkte, dass die Enthüllungen insgeheim ein abgekartetes Spiel seien: 

“Es ist eine Verleumdungskampagne. Sie haben den Medien und den Demokraten gerade die Erlaubnis gegeben, die Bestechungsgelder für die Ukraine und die Amtsenthebungsverfahren gegen Biden für den Rest des Jahres als russische Desinformation zu bezeichnen.”

Rechte inszenieren ein haltloses Schmierentheater zu Biden

Allein Sean Hannitys Show bei Fox News hatte 2023 ganze 85 Beiträge der Lüge gewidmet, dass die Bidens je fünf Millionen Dollar Bestechungsgeld angenommen hätten – 28 davon waren Monologe von Hannity höchstpersönlich. Insgesamt strahlte Hannitys Show 2023 über Hunter Biden 325 Beiträge aus – häufigster Gast war dabei House Oversight Committee Chairman James Comer, der die Untersuchung des Amtsenthebungsverfahren leitet. Doch selbst Comer scheint nicht daran zu glauben, dass es eine Mehrheit im Repräsentantenhaus für eine Amtsenthebung Bidens gibt.

Er sagte in einem jüngsten Interview, dass “die Zahlen immer schlechter aussehen” – sowohl für eine Mehrheit unter Republikanern für eine Amtsenthebung, als auch für die sinkende Mehrheit der Republikaner insgesamt im Repräsentantenhaus. Schon Ende Januar diesen Jahres hatte Comer in Hannitys Show zugeben müssen, dass seine Untersuchungen nicht gut liefen: “Alle Leute, die wir zur Befragung reingeholt haben, hatten Schwierigkeiten, sich an die schlimmen Dinge zu erinnern”, die Hunter und Joe Biden angeblich getan hätten.

Während auf Fox News also versucht wird, die Explosivität der Enthüllungen bezüglich Smirnov herunterzuspielen, haben Comer und seine Leute versucht, den Namen stillschweigend aus ihren Untersuchungsunterlagen zu tilgen. Die Scharade der Untersuchung zum Amtsenthebungsverfahren läuft derweil weiter – auch wenn völlig klar ist, dass es sich um haltloses Schmierentheater handelt. Die amerikanische Rechte lässt sich von Fakten nicht beirren. 

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Artikelbild: Gints Ivuskans