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Studie: Presse nennt „ausländische“ Tatverdächtige überproportional oft – nicht weniger!

von | Dez 11, 2019 | Aktuelles, Analyse

„Die Presse verschweigt ausländische Täter“ – Debunked!

Es ist ein zentraler Mythos der „Neuen Rechten“: Da wir ja angeblich in einer „Scheindemokratie“ oder „Links-Grünen Diktatur“ leben, müsse es ja auch eine staatlich zensierte Presse geben. Aus logisch nicht nachvollziehbaren und empirisch nicht belegbaren Gründen soll diese Presse angeblich die Nationalität ausländischer Tatverdächtiger verschleiern – so heißt es.

Genährt wird dieser Mythos immer wieder von künstlich aufgebauschten Fällen, in denen ein Gewaltverbrechen von „Ausländern“ herausgekramt wird, das angeblich zu wenig Aufsehen in den Medien erregt hat. Was wiederum für viele YouTube- und Social-Media-Helden der endgültige Beweis dafür ist, dass es eine Zensur gäbe. Natürlich stimmt das nicht. In Deutschland ist die Presse sehr wohl frei, laut „Reporter ohne Grenzen“ gibt es auf der ganzen Welt nur 12 Länder, die mehr Pressefreiheit genießen. Erhoben wurde die Statistik in 180 Ländern (Quelle). Doch es gibt noch eine andere, weitaus konkretere Expertise, die jetzt ermittelt hat, wie falsch die „Neuen Rechten“ tatsächlich liegen.

Studie: „Wie häufig nennen Medien die Herkunft von Tatverdächtigen?“

Die Expertise (Quelle) wurde für den Mediendienst Integration durchgeführt. Sie stellt wiederum Ergebnisse aus zwei weiteren Analysen zusammen, die sich mit dem Thema Gewalt, Gewalt in Deutschland lebender Eingewanderter und Geflüchteter, sowie deren Darstellung in den Medien beschäftigen.

Das Ergebnis ist gleichsam verblüffend und deutlich: Im Gegensatz zur seit der Silvesternacht 2015/16 in rechten Kreisen kursierenden Vermutung, werden Verbrechen Geflüchteter nicht verharmlost. Es ist sogar das Gegenteil der Fall. Wer die ganze Expertise lesen möchte, kann dies in der weiter oben verlinkten Quelle tun. Hier ist die Zusammenfassung der Ergebnisse:

2019 verweist fast jeder dritte Fernsehbeitrag über Gewaltkriminalität auf die Herkunft der Tatverdächtigen (31,4 Prozent). Gegenüber 2017 (17,9 Prozent) hat sich der Anteil fast verdoppelt. Die überregionalen Tageszeitungen verweisen noch häufiger auf die Herkunft von Tatverdächtigen (44,1 Prozent). • Die Herkunft wird meist nur dann erwähnt, wenn die Tatverdächtigen Ausländer sind. • Verglichen mit der Polizeilichen Kriminalstatistik, ergibt sich daraus ein stark verzerrtes Bild: Während die Polizei 2018 mehr als doppelt so viele deutsche wie ausländische Tatverdächtige erfasste, kommen in Fernsehberichten mehr als 8 und in Zeitungsberichten mehr als 14 ausländische Tatverdächtige auf einen deutschen Tatverdächtigen. • Wenn das Fernsehen über in Deutschland lebende Eingewanderte und Geflüchtete berichtet, dann zu 34,7 Prozent als mutmaßliche Gewalttäter. In überregionalen Zeitungen ist dieser Anteil mit 22,1 Prozent geringer.

Screenshot, Quelle: mediendienst-integration.de



Problemfall Medien?

Zuerst einmal darf man das nicht falsch verstehen. Hiermit soll keinesfalls die Gewalt Geflüchteter oder die von Ausländern verteidigt werden. Ganz im Gegenteil verurteilen wir diese Gewalt genauso scharf, wie die Gewalt von „Deutschen“. Doch es zeigt sich ein Problem, welches von den großen Medien in Deutschland künstlich erzeugt und von den Konsumenten gierig aufgenommen wird: Der Sensationsjournalismus schlägt in großem Stile zu. Was ist damit gemeint?

Wie die Expertise belegt, gibt es ein Missverhältnis. Zwischen der tatsächlichen Verteilung von Gewaltverbrechen und der Verteilung, wie sie in den Medien dargestellt wird, herrscht eine große Diskrepanz – zu Ungunsten der Ausländer. Damit ist also widerlegt, dass die Medien angeblich im großen Stile Straftaten Geflüchteter „verheimlichen“ würden. Im Gegenteil, eigentlich stellen sie es schlimmer dar. Doch da hört die Erkenntnis nicht auf.

Spagat zwischen Auffallen und Aufklären

Tatsächlich versuchen besonders Tageszeitungen, aber natürlich prinzipiell alle Medien, möglichst viele Leser*innen zu erreichen. Auch der Volksverpetzer tut das. Die Frage ist nur, auf welchem Wege man das tut.
Massenmedien haben nämlich auch gewisse Funktionen zu erfüllen. Eine wichtige Funktion ist das Herstellen von Öffentlichkeit, eng verbunden mit der Informationsfunktion. Dies bedeutet, dass die Medien der Öffentlichkeit alle Informationen bereitstellen sollen, die einen öffentlichen Diskurs über alle möglichen Themen vorbereiten. Weiterhin gehört dazu auch die Meinungsbildungsfunktion.

Häufig hört man vom „objektiven“ Journalismus. Das ist natürlich Unsinn, Objektivität ist gar nicht möglich und auch nicht nötig. Es geht aber dennoch darum, seine Berichte auf Fakten zu stützen. Und hier kommt das Problem:

Die Menschen wollen immer neue, immer reißerische Schlagzeilen lesen. Sie wollen unterhalten werden, sie wollen ihr Weltbild bestätigt sehen. Und dazu gehört auch ein struktureller, unterschwelliger Rassismus in der deutschen Gesellschaft. Um diesen zu bedienen (und damit konkurrenzfähig zu bleiben), entfernen sich viele Medien immer weiter von der Wahrheit. Einzelfälle werden herausgehoben, Straftaten anderer Gruppen selten bis gar nicht mehr dargestellt. Wer das selbst stichprobenartig probieren möchte, kann ja einfach mal zwei Wochen lang jeden Tag die BILD lesen und schauen, wie dort über was berichtet wird. Und das ist nun die Zeitung, die in Deutschland die höchsten Verkaufszahlen genießt.

Fazit – Was tun?

Man kann den Zeitungen nicht verbieten, zu berichten wie sie wollen. Auch kann man keine Quoten vorschreiben, wie über Straftaten berichtet werden soll. Das wäre nämlich genau das, was wir vermeiden wollen – Pressezensur.

Die einzige Möglichkeit ist, mit Fakten dagegen zu halten und zu versuchen, an die großen Medien zu appellieren, sich nicht vom rechten, unterschwelligen Rassismus treiben zu lassen, der ein vorgezeichnetes Täterbild hat, welches er bestätigt sehen will. Dieser Artikel ist damit auch ein Appell an die deutschen Massenmedien: Kehrt zurück zu den Fakten. Lasst euch nicht von rechten Spinnern beeinflussen oder gar in eine Richtung treiben, in der nur über Straftaten von „Ausländern“ berichtet wird. Mit eurer momentanen Berichterstattung macht ihr euch nämlich ebenso mitschuldig an all dem Rassismus, Hass, Hetze und Gewalt, die momentan Konjunktur haben.

Warum die Nennung der Herkunft nicht genannt werden sollte:

5 gute Gründe, die Nationalität* eines Tatverdächtigen zu ignorieren

Artikelbild: pixabay.com, CC0