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Die letzten 9 Jahre waren die heißesten 9 Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen

von | Jan 14, 2023 | Analyse

Kinder, die dieses Jahr 10 Jahre alt werden, haben kein Jahr mehr erlebt, das nicht zu den heißesten Jahren weltweit gehört. Wer als Kind noch Iglus gebaut und Schneeballschlachten durchgeführt hat, muss sich klar werden: Für Kinder von heute ist das jetzt bereits nicht mehr normal. Die letzten 9 Jahre waren global betrachtet die 9 heißesten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Es wird inzwischen für jeden offensichtlich immer wärmer – und der menschengemachte Klimawandel ist nachweislich dafür verantwortlich.

Wer dieses Jahr volljährig wird, kennt „normales“ Weltklima nur noch aus der frühen Kindheit

Du wirst dieses Jahr volljährig? Herzlichen Glückwunsch! 2/3 der Jahre, nämlich 12 Jahre, die du erlebt hast, gehören zu den heißesten Jahren seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Nur jedes dritte Jahr, das du erlebt hast, gehörte im Schnitt nicht zu den heißesten Jahren. Und die meisten dieser normalen Jahre lagen in deiner frühen Kindheit. Die Klimakrise ist da, und du gehörst zu der ersten Generation, die ein normales Weltklima nur noch als verschwommene Kindheitserinnerung kennt.

Und es kommt noch „besser“: Du hast eine 50 % Chance, noch vor deinem 21. Geburtstag ein Jahr mit 1,5 Grad Erwärmung zu erleben.

Es wird heißer

Spätestens seit den 2000er-Jahren zeigen sich die Auswirkungen des Anstiegs der Treibhausgase in der Atmosphäre auf das Weltklima deutlich. Aktuelle Zahlen zeigen, dass die globale Durchschnittstemperatur in den letzten Jahren immer weiter ansteigt. Die Jahre 2013-22 waren überdurchschnittlich warm, zusammen mit den Jahren 2010 und 2005 gehören sie zu den 12 heißesten Jahren seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1880. Das heißt: Menschen, die 2005 geboren sind und dieses Jahr entsprechend volljährig werden, haben die 12 heißesten Jahre von 143 aufgezeichneten Jahren miterlebt!

Grafik des National Centers for Environmental Information

Und es wird noch besser:

Die Wahrscheinlichkeit, dass das Weltklima in den Jahren bis 2026 mindestens in einem Jahr um 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegt, haben Wissenschaftler:innen mit 50 % angegeben. Das heißt: Eine Person, die dieses Jahr volljährig wird, hat eine 50 % Wahrscheinlichkeit die Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze zu erleben. Noch bevor sie Zutritt zu einem Spielkasino in Deutschland hat, die volle Strafmündigkeit erreicht oder einen „großen“ Führerschein machen darf. Also bevor sie im Jahr 2026 21 Jahre alt wird. What a time to be alive. Das kommt jetzt alles etwas überraschend? Von wegen. Ein kurzer Blick in die Geschichte der Klimaforschung:

Die Entdeckung der Treibhausgase … 1856

Die Klimakrise ist keine Überraschung. Erste wissenschaftliche Erkenntnisse über die Atmosphäre und den Treibhauseffekt – also die Tatsache, dass Sonnenstrahlung nicht ungehindert ins All entweicht – gibt es schon seit 200 Jahren.

Im Jahr 1856 stellte die US-Amerikanerin Eunice Newton Foote nach bisherigem Kenntnisstand als erster Mensch fest, dass sich ein Gefäß gefüllt mit dem Gas CO2 schneller erwärmt als ein mit gewöhnlicher Luft gefülltes Gefäß. Sie schloss daraus:

„Eine Atmosphäre dieses Gases würde unserer Erde eine hohe Temperatur verleihen; und wenn sich, wie manche annehmen, die Luft in einem bestimmten Zeitraum ihrer Geschichte zu einem größeren Anteil als bisher mit ihr vermischt hätte, […] hätte dies zwangsläufig zu einer erhöhten Temperatur geführt.“

Der menschengemachte Klimawandel … 1950

Während der Erderwärmung in der frühen Phase der Klimaforschung zum Teil noch überwiegend positive Aspekte abgewonnen wurden, wurde ab den 1950er-Jahren zunehmend klar, welche Gefahren damit einhergehen. Der Gehalt von CO2 und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre stieg durch die fortschreitende Industrialisierung und Nutzung fossiler Brennstoffe rasant an.

Im Zuge ihrer Erkenntnis, dass das CO2 nicht wie zunächst angenommen in großem Maße durch die Ozeane wieder aufgenommen wird, sondern die Konzentration in der Atmosphäre steigt, äußerten die Forscher Roger Revelle und Hans Suess:

„Die Menschheit führt derzeit ein groß angelegtes geophysikalisches Experiment durch.“

Warnungen an Gesellschaft und Politik: 1970er

Ab den 70er-Jahren dann häufen sich die Warnungen von Wissenschaftler:innen an die Politik, dass ein ungebremster Anstieg der Treibhausgase gravierende Folgen auf das Weltklima haben würde.

Klare Worte fand etwa die Deutsche Physikalische Gesellschaft 1985:

„Um die drohende Klimakatastrophe zu vermeiden, muss bereits jetzt wirkungsvoll damit begonnen werden, die weitere Emission der genannten Spurengase drastisch einzuschränken. Wenn diese Einschränkungen aufgeschoben werden, bis in vermutlich 1 bis 2 Jahrzehnten deutliche Klimaveränderungen sichtbar werden, wird es aller Voraussicht nach bereits zu spät sein.“

Vertuschung von wissenschaftlichen Fakten – Die Ölindustrie wusste es schon in den 70ern – und belog uns alle

Während einige die Klimakrise also schon früh als Gefahr benannten, vertuschten andere lieber wissenschaftliche Fakten. Der Ölkonzern Exxon etwa hat bereits seit den 70er-Jahren eigene Forschung zu Folgen von der Verbrennung fossiler Energien betrieben. Die Ergebnisse zeigten eindeutig die Gefahren auf, die mit einem Anstieg von Treibhausgasen, verursacht durch die Verbrennung fossiler Energien, einhergehen. Aber statt mit diesen Informationen an die Öffentlichkeit zu gehen, vertuschte das Unternehmen sie lieber, um weiter Business-as-usual machen zu können. Exxon Mobil ist das Unternehmen mit dem vierthöchsten CO2-Ausstoß seit 1965.

Professorin Naomi Oreskes von der Harvard Universität, die eine Studie zur Unternehmenskommunikation von Exxon Mobil durchgeführt hat, sagt:

„…dass alle Unternehmen, die fossile Brennstoffe herstellen, sich der Bedrohung durch den Klimawandel aufgrund von Treibhausgasen, die bei der normalen Verwendung ihrer Produkte entstehen, bereits in den 1970er- und sogar 1960er-Jahren bewusst waren.“

Wo stehen wir heute?

Kenntnisse und Warnungen sind also schon alt. Mittlerweile sind mehr als 90 % der Klimaforscher:innen von der Tatsache überzeugt, dass der Mensch den gegenwärtigen Klimawandel verursacht.

Doch während die Auswirkungen der Klimakrise mittlerweile deutlich zu spüren sind, mangelt es auf politischer Ebene immer noch an Tatkraft. Gerade drückte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, seinen Frust darüber aus, dass führende Politiker:innen der Klimakatastrophe nach wie vor nicht die nötigen Taten folgen lassen:

Der Klimawandel ist da

Der menschengemachte Klimawandel ist nicht nur wissenschaftlich lange vorhergesagt, sondern nun auch wirklich ganz eindeutig da. Kinder, die seit 2013 zur Welt kamen, haben kein Jahr mehr erlebt, das mit Blick auf die globale Durchschnittstemperatur nicht zu den 12 heißesten Jahren seit Beginn der Aufzeichnungen zählt. Die letzten 9 Jahre waren die heißesten 9 Jahre. Es braucht jetzt endlich die tatkräftigen Schritte, die in den letzten vierzig Jahren verpasst wurden, um die Katastrophe zumindest einzugrenzen – denn verhindern lässt sie sich nicht mehr. Weil unsere Politik seit Jahrzehnten schläft – und immer noch viel zu wenig tut.

Artikelbild: Martin Schutt/dpa