So versucht „Querdenker“ Homburg seine Follower zu manipulieren
Corona ist gefährlicher als die Grippe, Impfungen sehr sicher und Covid führte zu einer Übersterblichkeit. Längst etablierte wissenschaftliche Tatsachen, die „Querdenker:innen“ immer noch leugnen wollen. Der Desinformationsverbreiter Prof. Stefan Homburg versuchte mit einer getweeteten Grafik wieder einmal Verunsicherung in den Themen Unter- und Übersterblichkeit, Grippe und Impfungen zu streuen. Diese Woche verbreitete er also den x-ten Sterbezahlenvergleich der letzten Jahre, generell basierend auf offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis), um wieder einmal die aktuelle Pandemie zu leugnen. Das Amt persönlich machte nun seiner Täuschung einen Strich durch die Rechnung.
Ziel seiner Grafik war anscheinend wieder einmal, die „Querdenken“-Mythen zu unterstreichen, dass die gewöhnliche Grippe gefährlicher als Corona sei, Impfungen dagegen viele Todesopfer verursachen würden. Dies gelingt ihm aber nur so mittelgut, um nicht erbärmlich sagen zu müssen.
Faktentuning im großen Stil
„Traue keiner Statistik, die du nicht selbst getunt hast“, muss sich Homburg noch beim Zwitschern gedacht haben. Vielen schlauen Köpfen sprangen allerdings seine selbst aufbereiteten und grafisch dargestellten Zahlen ad hoc direkt mitten dorthin, wo es besonders wehtut. Sucht euch bitte aus, ob es ums Gehirn, Gewissen oder den Verstand geht.
Einfache Tricks mit großer Wirkung
Wir fassen einmal zusammen, welche simplen Filter- und Framing-Tricks von Homburg hauptsächlich angewandt wurden, um bei den eigenen Follower:innen leuchtende Augen im Rahmen ihres Confirmation Bias zu erzeugen. Vehikel hierzu mal wieder das statistische Mittel der Unter- und Übersterblichkeit.
Homburg vergleicht die Jahre 2020/2021, in denen massive Maßnahmen gegen das Virus getroffen wurden mit 2018, dem Jahr der schlimmsten Grippewelle seit 30 Jahren, in dem es kaum Gegenmaßnahmen gab. (ihm fällt wenig neues ein)https://t.co/ARsiM0VNun
— Christian Siemering (@C_Siemering) October 15, 2021
Er pickt sich für seine Darstellung schon seine optimal unterstützenden Rosinen heraus:
Das „Grippejahr“ 2018, in dem leider viele Grippetote zu beklagen waren, dazu 2020 als „Coronajahr“ und das „Impfjahr“ 2021 als dritte Referenz. So weit, so minimal kreativ. Alleine die Hinzunahme von 2019 hätte seine Darstellung schon etwas relativiert, dies fiel hinten über.
Warum nimmt er nicht das naheliegende Jahr 2019 mit zum Vergleich? Weil da weniger gestorben sind und 2018 schon selbst ein Ausnahmejahr ist, vor dem 2020 weniger auffällt
2/5 pic.twitter.com/2zNojgFgjT— WahnSager (@WahnSager) October 13, 2021
Schwamm drüber, jetzt geht es ja erst richtig los – er nimmt nämlich nur einen ganz speziellen Ausschnitt dieser Jahre, nämlich jeweils die Kalenderwochen 1-39. Hiermit stellt er augenscheinlich sicher, dass die besonders hohen Sterbezahlen Ende 2020 nicht enthalten sind.
Warum vergleicht er nicht ganze Jahre sondern nur bis zur 39. Woche? Weil 2020 harmloser aussieht, wenn nur etwas mehr als die erste Welle enthalten ist!
3/5 pic.twitter.com/ruYtmfx8eZ— WahnSager (@WahnSager) October 13, 2021
Was er aber hiermit ebenfalls sichergestellt hat, ist, dass vor dem flächendeckendem Impfstart der Älteren deren traurige Todeszahlen enthalten sind, Anfang 2021 war hier noch extrem. Tatsächlich ist genau das Gegenteil dessen wahr, was der „Querdenker“ impliziert: Kaum wurde großflächig mit dem Impfen begonnen, gingen die Sterbezahlen zurück.
Hier besonders schön dargestellt:
Ein Blick auf den die Todeszahlen zeigt, dass die Übersterblichkeit in 2021 in den ersten 6 Wochen des Jahres auftrat, in denen kaum jemand geimpft war, jedoch viele Todesfälle durch Corona zu beklagen waren. Das Gegenteil was Homburg versucht zu suggerieren ist daher korrekt. pic.twitter.com/wMXIAmFkTw
— Christian Siemering (@C_Siemering) October 15, 2021
Als zusätzliches Gimmick schneidet er die y-Achse unten an, lässt sie einfach später starten, sodass seine Werte in der Darstellung relativ extrem wirken, obwohl sie es nicht sind. Einfache Anfängertricks mit großer optischer Wirkung.
Warum hat Homburgs Grafik 2020 extrem wenig Tote verhlichen zu 2018? Weil er einfach die Achse unten angeschnitten hat! Richtig wäre es ungefähr so 👇!
4/5 pic.twitter.com/yZanLD7h5U— WahnSager (@WahnSager) October 13, 2021
Der Tweet ist außerhalb seiner Blase nicht so erfolgreich, wie er es eventuell gedacht hat, also stelle ich mir eine ganz besondere Frage:
Was ist Homburgs Antrieb, was ist seine aktuelle Definition von „Erfolg“?
Bei einer Parteigründung (AfD) mitmachen, eine Professur an einer angesehenen Uni bekommen (+beenden), einen Watch- oder Satire-Account nur für sich und seine Twitter-Ergüsse erstellt zu kriegen oder offenbar einen Strafbefehl gegen sich verhängt zu bekommen, wie zuletzt wegen Beleidigung von Dr. Peter Nagel.
https://twitter.com/drpeternagel/status/1431942825017425927
Streitbare Lebensziele, aber wirkliche Schwurbler-Top-Relevanz als Ikone hat man wohl erst, wenn das Statistische Bundesamt (Destatis) dir persönlich zu einem Desinformationstweet ausführlich in 7 Akten die Leviten liest, da du es ja noch als Quelle verlinkt hast.
Noch einmal: Glückwunsch dazu!
Eine Darstellung der Sterbefallzahlen für die Kalenderwochen 1 bis 39 wird den suggerierten Hintergründen nicht ansatzweise gerecht.
Ursache für die hohen Zahlen 2018 war die heftigste Grippewelle seit Jahrzehnten mit einem Höhepunkt im März – dieser Effekt ist enthalten. 1/7
— Statistisches Bundesamt (@destatis) October 15, 2021
Die Quelle vom PEI findet ihr hier.
Ernstes Fazit
„Querdenken“ gehen die Themen aus, sie wiederholen sich, werden kreativer, aber treten auf der Stelle. Alter Wein in neuen Schläuchen bringt sie nicht weiter, sie sind auf dem absteigenden Ast und bald Geschichte. Ich wäre froh, wenn ich das final auch schon über die Pandemie sagen könnte. Lasst uns dafür sorgen, dass es bald so sein wird, auch in dem wir solche Manipulationsversuche immer wieder Stück für Stück aufzeigen. Ich danke allen, die noch Motivation dafür finden.
Querdenker wiederholen immer die gleichen Fakes – 3 aktuelle Fälle
Artikelbild: Screenshot
Unsere Autor:innen nutzen die Corona-Warn App des RKI.